Arbeitsunfähigkeit

1. Das Wichtigste in Kürze

Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn die Arbeit aufgrund von Krankheit oder Unfall nicht ausgeübt werden kann oder wenn ein medizinisch begründetes Risiko besteht, dass sich der gesundheitliche Zustand durch die berufliche Tätigkeit verschlimmert. Bei einer Arbeitsunfähigkeit sind Arbeitnehmende verpflichtet, ihren Arbeitgeber sofort zu informieren.

Das Vorlegen der Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung (AU, "Krankschreibung", "gelber Zettel") hat sich für Krankenkassen-Versicherte seit 1.1.2023 weitgehend erledigt. Die Meldung läuft digital vom Arzt an die Krankenkasse und der Arbeitgeber muss sie bei der Krankenkasse abrufen. Die AU ist Voraussetzung für Entgeltfortzahlung und Krankengeld oder Verletztengeld.

2. Definition von Arbeitsunfähigkeit

Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer wegen einer Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr seiner bisherigen Arbeit nachkommen kann, oder wenn das Arbeiten zu einer Verschlimmerung des Gesundheitszustands führen könnte. Details zur Abgrenzung der Arbeitsunfähigkeit von einer Erwerbsminderung und einer Berufsunfähigkeit unter Erwerbsminderung.

Informationen zur Arbeitsunfähigkeit bei Arbeitslosigkeit unter Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit.

3. Lückenlosigkeit bei längerer Arbeitsunfähigkeit

Bei der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit sollte auf Lückenlosigkeit geachtet werden, andernfalls können z.B. beim Bezug von Krankengeld Nachteile entstehen.

Lückenlos heißt, dass eine erneute Krankmeldung an dem Tag erfolgt, der auf den letzten Tag der vorherigen Krankmeldung folgt. Samstage gelten bei der Beurteilung der lückenlosen Krankmeldung für das Krankengeld nicht als Werktage. Es sollten z.B. auch Samstage, Sonntage, Feiertage, Urlaubstage oder arbeitsfreie Tage bei flexibler Arbeitszeit ("Brückentage") auf der AU eingeschlossen sein.

Durch das Terminservice- und Versorgungsgesetz wurde die Regelung bezüglich der Lückenlosigkeit beim Anspruch auf Krankengeld gelockert: Der Anspruch auf Krankengeld bleibt auch dann bestehen, wenn die weitere Arbeitsunfähigkeit nicht am nächsten Werktag, sondern innerhalb eines Monats bescheinigt wird. Der Anspruch auf Krankengeld ruht aber so lange, bis die Bescheinigung bei der Krankenkasse eingeht. Vor dieser Gesetzesänderung konnte durch eine lückenhafte Krankschreibung der gesamte zukünftige Krankengeldanspruch entfallen.

Eine Rückdatierung des AU-Beginns ist nur in Ausnahmefällen und nach gewissenhafter Prüfung möglich. In der Regel ist die Rückdatierung nur bis zu 3 Tage zulässig.

4. Telefonische Krankschreibung

Seit 7.12.2023 können sich Patienten auch telefonisch krankschreiben lassen. Das gilt aber nur, wenn die erkrankte Person in der Arztpraxis bekannt ist und keine schwere Symptomatik vorliegt. Die Erstbescheinigung kann dann für bis zu 5 Tage ausgestellt werden. Für Folgebescheinigungen muss die erkrankte Person in die Arztpraxis kommen, außer die Erstbescheinigung wurde anlässlich eines Praxisbesuchs ausgestellt. Versicherte haben keinen Anspruch auf eine telefonische Krankschreibung. Diese Entscheidung liegt im Ermessen des Arztes.

5. Pflichten der Arbeitnehmenden

5.1. Mitteilungspflicht bei Arbeitsunfähigkeit

Arbeitnehmende sind verpflichtet, ihrem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Wer sich im Ausland aufhält, muss außerdem die Adresse des Aufenthaltsorts nennen. Daran ändert sich auch mit der neuen elektronischen Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung (AU) seit 1.1.2023 nichts. Eine telefonische Mitteilung genügt.

5.2. Pflicht zur ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit

Arbeitnehmende müssen eine länger als 3 Tage dauernde Arbeitsunfähigkeit spätestens am nächsten Arbeitstag ärztlich feststellen lassen. Feiertage und Wochenenden zählen dabei mit.

Beispiel:

  • Wer am Freitag arbeitsunfähig wird und am Montag immer noch arbeitsunfähig ist, muss sich spätestens am Montag um die ärztliche Feststellung kümmern. Freitag, Samstag und Sonntag sind die ersten 3 Tage der Arbeitsunfähigkeit und der Montag ist der erste Arbeitstag danach.
  • Wenn der Montag ein Feiertag ist, sind immer noch Freitag, Samstag und Sonntag die ersten Tage der Arbeitsunfähigkeit. Der erste Arbeitstag danach ist dann aber erst der Dienstag, so dass es reicht, sich um die ärztliche Feststellung erst am Dienstag zu kümmern.

Arbeitgeber dürfen die Frist verkürzen, so dass z.B. schon am 1. Tag der Arbeitsunfähigkeit ein Arztbesuch nötig wird. Das kann z.B. im Arbeitsvertrag oder in einem Tarifvertrag stehen oder in einer Weisung des Arbeitgebers für die Zukunft. Es kann auch für einzelne Beschäftigte eines Betriebs festgelegt werden, obwohl es für andere nicht gilt.

5.3. Elektronische Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung eAU

Gesetzlich Krankenversicherte (= Kassenpatienten) müssen seit 1.1.2023 in der Regel die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung nicht mehr bei ihrem Arbeitgeber einreichen.

  • Wenn ein Vertragsarzt (= Kassenarzt) die Arbeitsunfähigkeit feststellt, wird die elektronische Arbeitsunfähigkeits-Bescheinigung (eAU) digital an die Krankenkasse geschickt. Der Arbeitgeber muss die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dort selbst digital abrufen.
  • Auch Vertragskrankenhäuser melden die Arbeitsunfähigkeit elektronisch an die Krankenkasse.

Auch wer Arbeitslosengeld oder Übergangsgeld bezieht oder beantragt hat, muss seit 1.1.2024 bei der Agentur für Arbeit keine Papierbescheinigung mehr vorlegen. Die Agentur für Arbeit macht wie ein Arbeitgeber den Abruf bei der Krankenkasse. Ausnahmen siehe unten unter "Papierform".

5.4. Praxistipps zur eAU

  • Bei der Übermittlung an die Krankenkasse oder beim Abruf durch den Arbeitgeber kommt es in der Praxis zum Teil zu Problemen. Vor allem kann es lang dauern, bis die eAU bei der Krankenkasse abrufbar ist. Sie können sich deshalb einen Ausdruck der eAU für Ihren Arbeitgeber mitgeben lassen und diesen bei Ihrem Arbeitgeber zum Beweis der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit einreichen. Verpflichtet sind Sie dazu nicht, aber Sie sichern sich dadurch ab.
  • Sie können bei Ihrer Krankenkasse erfragen, ob Sie die eAU auch in der elektronischen Patientenakte (ePA) abrufen können und ob es schon eine Möglichkeit gibt, mit der Sie online Ihre Krankschreibungen aus der Vergangenheit einsehen können, z.B. über eine Smartphone-App.

 

5.5. Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform

5.5.1. AU bei Minijob

Wer einen Minijob (geringfügige oder kurzfristige Beschäftigung) in einem Privathaushalt macht, muss weiterhin bei mehr als 3-tägiger Arbeitsunfähigkeit am nächsten Arbeitstag eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung in Papierform beim privaten Arbeitgeber vorlegen.

5.5.2. AU bei Maßnahme der Agentur für Arbeit

Wer eine Maßnahme von der Agentur für Arbeit macht, sollte vor Beginn der Maßnahme erfragen, ob und ggf. wo im Krankheitsfall eine Papierbescheinigung vorlegt werden muss. Das hängt nämlich von der Art der Maßnahme ab:

  • Bei Maßnahmen zur beruflichen Weiterbildung und Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung ist keine Papierbescheinigung nötig.
  • Bei einem Teil der anderen Maßnahmen reicht es, wenn der Maßnahmenträger die Bescheinigung bekommt. Dafür muss es eine Maßnahme zur Berufswahl, zur Berufsausbildung oder eine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderungen (Näheres unter Berufliche Reha) sein.
  • Bei allen anderen Maßnahmen muss eine Papierbescheinigung bei der Agentur für Arbeit und beim Träger der Maßnahme vorgelegt werden.

5.5.3. AU bei Bezug von Bürgergeld

Wer Bürgergeld bezieht, muss dem Jobcenter in der Regel bei mehr als 3-tägiger Arbeitsunfähigkeit eine Papierbescheinigung vorlegen. Anders als die Agentur für Arbeit können die Jobcenter keine elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (eAU) abrufen.

Nur wenn Bürgergeld-Beziehende gerade eine Maßnahme machen, ist es unterschiedlich, ob und ggf. wo sie eine Papierbescheinigung einreichen müssen. Deshalb sollten sie immer vor Maßnahmenbeginn beim Jobcenter nachfragen, damit sie im Krankheitsfall Bescheid wissen. Wer sich unsicher ist, sollte vorsorglich beim Jobcenter und bei der Agentur für Arbeit und beim Maßnahmenträger eine Papierbescheinigung einreichen.

5.5.4. AU in Papierform in weiteren Fällen

In folgenden Fällen muss immer eine Papierbescheinigung vorgelegt werden, und zwar nicht nur dem Arbeitgeber (bzw. der Agentur für Arbeit/dem Jobcenter/dem Maßnahmenträger), sondern auch der Krankenkasse:

  • Private Krankenversicherung, ausländische Krankenversicherung oder fehlende Krankenversicherung
  • Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch einen Arzt ohne Kassenzulassung, z.B. in einer Privatpraxis, in einem Privatkrankenhaus oder im Ausland

Betroffene müssen sich einen extra Ausdruck der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Arbeitgeber bzw. die Agentur für Arbeit, das Jobcenter, den Maßnahmenträger und ggf. auch für ihre Versicherung geben lassen, damit sie ihren eigenen behalten können. Auch für die Vorlagepflicht kann der Arbeitgeber, die Agentur für Arbeit oder das Jobcenter die Frist verkürzen.

5.6. Pflicht zur Vorlage anderer ärztlicher Bescheinigungen

Ebenfalls eine ärztliche Bescheinigung vorlegen müssen Arbeitnehmende in folgenden Situationen:

Das liegt daran, dass es sich dabei nicht um Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen handelt, sondern um spezielle ärztliche Bescheinigungen. Für sie gilt nicht das Verfahren zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

6. Inhalt der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU)

In der AU werden die Diagnose und die voraussichtliche Krankheitsdauer vermerkt. Die voraussichtliche Krankheitsdauer wird in der Regel bis maximal 2 Wochen angegeben, bei besonderen Krankheitsverläufen bis maximal 4 Wochen. Es können auch Angaben zu weiteren erforderlichen Maßnahmen, z.B. Leistungen der medizinischen Reha, gemacht werden. Zudem wird vermerkt, ob es sich um eine Erstverordnung oder um eine Folgeverordnung handelt.

Sowohl Arbeitgeber als auch Krankenkasse sind zunächst an die AU gebunden. Sie reicht normalerweise aus, um die Arbeitsunfähigkeit zu beweisen. Wenn die äußeren Umstände aber Zweifel an der Richtigkeit der AU aufkommen lassen, kann sich der Arbeitgeber an die Krankenkasse wenden. Diese kann den Fall unter Hinzuziehung des Medizinischen Dienstes (MD) gesondert prüfen.

7. Frühere Papierform: Gelber Schein

Bis Ende 2021 konnten Arztpraxen die AU als "gelben Schein" ausstellen. Das war ein Formular mit Durchschlägen, damit das Original an die Krankenkasse geschickt werden konnte und je ein Durchschlag an den Arbeitgeber (ohne Diagnose) und den Versicherten gehen konnte sowie eine Ausfertigung beim Arzt bleiben konnte.

8. Arbeitsunfähigkeit länger als 6 Wochen

Ab der 7. Krankheitswoche übersendet die Krankenkasse dem Arbeitgeber einen Vordruck für eine Verdienstbescheinigung. Dort trägt der Arbeitgeber die für die Berechnung des Krankengelds notwendigen Angaben ein.

Bei einer Arbeitsunfähigkeit, die länger als 6 Wochen andauert, wird mit der Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit auch regelmäßig die Möglichkeit einer Stufenweisen Wiedereingliederung geprüft.

9. Arbeitsunfähigkeit im Ausland

Bei Arbeitsunfähigkeit im Ausland gibt es keine eAU. Arbeitnehmende müssen die Arbeitsunfähigkeit, ihre Dauer und die Adresse ihres Aufenthaltsorts unverzüglich ihrem Arbeitgeber und als gesetzlich Versicherte auch ihrer Krankenkasse melden. Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage, müssen sie sich um eine ärztliche Bescheinigung über die Arbeitsunfähigkeit kümmern und diese in Papierform an Arbeitgeber und Krankenkasse schicken.

Bei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ausländischer Ärzte kann die Krankenkasse den Medizinischen Dienst (MD) heranziehen. Die Krankenkasse ist jedoch an die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit durch den Versicherungsträger eines EU-Landes gebunden, wenn die Krankenkasse nicht von der Möglichkeit Gebrauch macht, den Versicherten von einem Arzt ihrer Wahl untersuchen zu lassen. Die Tage, an denen der Arbeitnehmer erkrankt ist, zählen nicht als Urlaubstage, wenn sie durch ärztliches Zeugnis nachgewiesen worden sind (§ 9 Bundesurlaubsgesetz).

10. Urlaub und Arbeitsunfähigkeit

10.1. Urlaubsreise

Der Antritt einer Urlaubsreise während der Arbeitsunfähigkeit ist nur möglich, wenn die Reise keinen Nachteil für die Genesung bringt. Arbeitnehmende sollten sich das im Zweifel durch ein ärztliches Attest bestätigen lassen.

Eine Auslandsreise während des Bezugs von Krankengeld muss unbedingt vorher mit dem Arbeitgeber und der zuständigen Krankenkasse abgesprochen werden. Krankengeldbeziehende dürfen die Reise nur mit Zustimmung der Krankenkasse antreten. Beim Bezug von Krankengeld müssen sie nämlich prinzipiell für die Kasse erreichbar sein, da z.B. Termine für Untersuchungen beim Medizinischen Dienst (MD) anfallen können.

10.2. Resturlaub

Ein Anspruch auf gesetzlichen Mindesturlaub aus einem Urlaubsjahr verjährt nicht automatisch nach 3 Jahren.

  • Für eine Verjährung muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer vorher auffordern, den Resturlaub zu nehmen und auf die drohende Verjährung hinweisen (= Mitwirkungspflicht des Arbeitgebers) und der Arbeitnehmer muss dann freiwillig auf den Urlaub verzichten.
  • Dies gilt auch bei einem Jobwechsel oder der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses. (Urteil des Bundesarbeitsgerichts AZ.: 9 AZR 266/20)
  • Diese Mitwirkungspflicht gilt auch, wenn ein Arbeitnehmer noch Resturlaub aus einem Jahr hat, in dem er erst gearbeitet hat und dann krankheitsbedingt den Resturlaub nicht nehmen konnte.
  • Der Urlaub verfällt aber nach 15 Monaten, wenn der Arbeitgeber seine Mitwirkungspflicht erfüllt hat, sogar wenn der Arbeitnehmer weiterhin krank bleibt und deshalb den Urlaub nicht nehmen kann.
    (Urteil des Bundesarbeitsgerichts AZ.: 9 AZR 245/19)

11. Kündigung und Arbeitsunfähigkeit

Unter bestimmten Umständen kann ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer auch während der Arbeitsunfähigkeit kündigen, Näheres unter krankheitsbedingte Kündigung.

Wenn ein Arbeitnehmer gekündigt hat und genau für die Zeit der Kündigungsfrist eine AU vorlegt, kann das Konsequenzen für ihn haben. Der Arbeitgeber kann die Arbeitsunfähigkeit anzweifeln und die AU reicht ggf. nicht als Beweis. Weitere Informationen bietet die entsprechende Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts unter www.bundesarbeitsgericht.de/ > Presse > Pressemitteilungen > 8.9.2021 Erschütterung des Beweiswerts einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung.

12. Richtlinie

Die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie kann beim Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) heruntergeladen werden unter www.g-ba.de > Richtlinien.

13. Verwandte Links

Entgeltfortzahlung

Krankengeld

Verletztengeld

Stufenweise Wiedereingliederung

Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit

Erwerbsminderung

Arbeitslosengeld > Nahtlosigkeit

 

Rechtsgrundlagen: § 5 EntgFG

Letzte Bearbeitung: 05.01.2024

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