Wenn ein Elternteil an Krebs erkrankt, ist es wichtig, frühzeitig mit den Kindern über die Krankheit zu sprechen. Kinder spüren intuitiv, wenn Vater oder Mutter in Gefahr sind, und empfinden die Ungewissheit als eine größere Belastung als die Wahrheit. Manche Eltern möchten ihre Kinder schonen und die bedrohliche Wirklichkeit von ihnen fernhalten, aber Kinder merken, das "hinter ihrem Rücken" etwas vorgeht und fühlen sich mit ihren Bedenken allein gelassen und unsicher.
Die Diagnose "Krebs" bringt Betroffene in eine emotionale Ausnahmesituation. Sie empfinden Wut, Trauer, Angst und Verzweiflung. Eltern wollen ihre Kinder schützen und deshalb einen "normalen" Alltag aufrechterhalten. Kinder und Jugendliche spüren aber eine veränderte Stimmung oder Veränderungen im Alltag, z.B. wenn ein Elternteil plötzlich mehr zu Hause ist, leiser gesprochen wird, das Gespräch verstummt, wenn Kinder den Raum betreten, oder viele Telefonate geführt werden. Dann suchen sie nach Erklärungen.
Die Broschüre der Bayerischen Krebsgesellschaft "Was Kindern und Jugendlichen hilft, wenn Eltern an Krebs erkranken" enthält Zitate von betroffenen Kindern und Jugendlichen über ihre Empfindungen bei einer Krebserkrankung eines Elternteils. Kostenloser Download unter www.bayerische-krebsgesellschaft.de > Informationen > Broschüren.
Die Broschüre ist in Deutsch, Englisch, Türkisch und Russisch erhältlich.
Die Eltern sollten sich ihrem Kind zum ausführlichen Gespräch zur Verfügung stellen und es zu Fragen ermuntern. Es hat keinen Sinn, den Begriff "Krebs" zu meiden, da die Gefahr besteht, dass das Kind auf anderen Wegen, über Nachbarn, Verwandte und Freunde, unvorbereitet davon erfahren könnte.
Kinder hören "Krebs" oft nur im Zusammenhang mit Sterben. Deshalb sollten Eltern ihrem Kind erklären, dass Krebs nicht zwangsläufig tödlich ist und dass alles unternommen wird, um wieder gesund zu werden. Es ist richtig, von positiven Beispielen aus dem Bekanntenkreis (bei Jugendlichen auch von der Erkrankung und Gesundung prominenter Menschen) zu berichten. Aber es ist wichtig, immer bei der Wahrheit zu bleiben und keine falschen Heilungsversprechen zu machen.
Die Diagnose, Behandlung und körperliche Veränderungen wie Haarverlust sollten altersgerecht erklärt werden.
Bei Kleinkindern (2–6 Jahre) sollten einfache Worte verwendet werden, z.B. "Mama ist krank und muss oft zum Arzt." oder "Papa ist müde, weil die Medizin stark ist." Zur Unterstützung können Bilderbücher genutzt werden. Bei jüngeren Schulkindern (6–12 Jahre) sollte erklärt werden, ohne dabei zu überfordern, z.B. "Krebs ist eine Krankheit, bei der Zellen im Körper nicht richtig funktionieren." oder "Die Medizin hilft, aber sie macht auch müde und verändert das Aussehen." Bei Jugendlichen (ab ca. 12 Jahren) kann die Kommunikation offener und direkter sein. Jugendliche brauchen Raum für Rückzug, Eltern sollten jedoch ansprechbar bleiben.
Eltern müssen nicht immer alle Details erzählen, sollten aber ehrlich auf Fragen antworten. Eltern sollten darauf achten, ob Kinder und Jugendliche sich über soziale Medien informieren und über die Inhalte und das Gesehene sprechen.
Manchmal haben Kinder Angst, dass Krebs ansteckend ist und dass es jetzt gefährlich wäre, mit der kranken Mama oder dem kranken Papa zu kuscheln und zu schmusen. Es ist wichtig, dem Kind diese Bedenken zu nehmen.
Wenn Kinder den Grund für die veränderte Gefühlslage der Eltern oder verändertes Verhalten nicht kennen, suchen sie die Schuld bei sich und meinen, Streit oder Ungehorsam ist die Ursache. Eltern sollten ihren Kindern altersgerecht erklären, dass die Krebsdiagnose der Grund dafür ist, dass etwas anders ist als gewohnt.
Manche Kinder reagieren mit Alpträumen, Bettnässen, diffusen Ängsten, übertriebener Anpassung, Rückzug oder Aggression auf die emotionale Belastung durch die Krebserkrankung eines Elternteils. Offenheit der Eltern gegenüber ihren Kindern, deren Fragen und Ängste ernstzunehmen, die Bereitschaft innerhalb der Familie, gemeinsam darüber zu sprechen, und das Zeigen der eigenen Gefühle können helfen, mit dieser Belastung umzugehen.
Ein erkrankter Elternteil kann viele Rollen zeitweise oder gar nicht mehr erfüllen. Klare Strukturen und gemeinsame Planung geben den Kindern Sicherheit.
Es kann dem Kind helfen, wenn auch Lehrer/Erzieher über die Erkrankung Bescheid wissen. So bekommt es die nötige Rücksichtnahme, Verständnis und Trost, falls es sich anders verhält als gewohnt.
Bei Jugendlichen sollten solche Informationen nur nach Rücksprache mit dem "Kind" weitergegeben werden, denn: Teenager orientieren sich an Gleichaltrigen, sie wollen gleich (stark) sein und dazugehören. Da passen schwere Krankheiten nicht ins Bild. Oft können sie die unbeschwerte Zeit mit ihren Freunden nutzen, um die Sorgen und Ängste für kurze Zeit zu vergessen. So kann es für Jugendliche auch richtig sein, dass in der Schule keiner über die Krebserkrankung eines Elternteils Bescheid weiß, damit ein Stück "Normalität" erhalten bleibt.
Manchmal kommt es in Familien zu Konfliktsituationen, weil die Eltern sich zwar einerseits wünschen, dass ihr Kind durch die veränderte Situation nicht belastet wird, sie aber andererseits enttäuscht über fehlendes Mitgefühl sind.
Es ist wichtig, Veränderungen klar zu kommunizieren, die den Alltag des Kindes betreffen: z.B. wer für das Kind kocht oder es vom Kindergarten abholt.
Die Eltern sollten versuchen, sowohl sich selbst als auch dem Kind gerecht zu werden: z.B. auf Ruhe im Haus bestehen, wenn sie müde sind. Dem Kind sollten Zeiten zugestanden werden, in denen das Leben "wie früher" ist: Freunde dürfen mitgebracht werden, Fernsehen oder Musik laufen. Kinder eines schwer kranken Elternteils brauchen Normalität und den Kontakt zu Gleichaltrigen, um die belastende Situation besser verarbeiten zu können und nicht zusätzlich aus der Gleichaltrigengruppe als Außenseiter herauszufallen. Das Kind sollte ermuntert werden, Spaß und Ablenkung zu haben, das ist ein wichtiger Ausgleich zum Alltag mit der Krankheit.
Wenn die Erkrankung nicht heilbar ist, sollte das Kind frühzeitig und ehrlich informiert werden. Betroffene, die hospizlich oder palliativ begleitet werden, können dabei Unterstützung von einem ambulanten oder stationärem Hospiz oder einem Palliativdienst erhalten. Kinder sollten die Möglichkeit haben, sich zu verabschieden. Rituale oder Erinnerungsstücke können helfen, den Verlust zu verarbeiten.
In der Broschüre "Menschenmögliches – Wenn ein Elternteil schwer erkrankt" des Vereins Menschenmögliches e.V. wird ausführlich informiert, wie wichtig es ist, Kinder aktiv in den Umgang mit der Krankheit einzubeziehen. Kostenloser Download unter https://menschenmoegliches.de > Downloads > Infobroschüre "Wenn ein Elternteil schwer erkrankt".