Psychosen > Familie

1. Das Wichtigste in Kürze

Psychotische Störungen betreffen Angehörige oft in besonderer Weise mit. Sie müssen Rücksicht auf ihre eigenen Bedürfnisse und Fähigkeiten nehmen und sich im täglichen, herausfordernden Umgang mit dem Betroffenen üben. Kinder psychotischer Eltern unterliegen besonderen Belastungen und einem eigenen Erkrankungsrisiko und benötigen deshalb Hilfen und Präventionsmaßnahmen.

2. Auswirkungen von Psychosen auf das Familiensystem

Bei psychotischen Störungen sind die Angehörigen in besonderer Weise mit betroffen. Die Diagnose stellt eine Belastung für das ganze familiäre Umfeld dar. Deshalb ist es ratsam, dass auch die Angehörigen professionelle Hilfe für sich in Anspruch nehmen. Der Patient sollte davon wissen, damit er nicht das Gefühl bekommt, dass hinter seinem Rücken gehandelt wird.

Die Familie merkt oft bald, dass mit dem Angehörigen etwas nicht stimmt, doch als Ursachen werden eher eine Sinneswandlung oder eine vorübergehende Krise angenommen. Bis zur Diagnosestellung können Jahre vergehen – und zwischenzeitlich brechen Freundschaften auseinander und manchmal sogar die Familie.

Für den Betroffenen kann die Erkrankung dagegen plötzlich kommen. Denken und Fühlen, Wahrnehmung von Körper und Umfeld sind gestört und führen unmerklich dazu, dass gewohnte Lebensbahnen verlassen werden. Es kann zum Verlust des Arbeitsplatzes kommen, zum Abbruch eines Studiums, zu Auseinandersetzungen mit und Trennungen von Freunden, Verwandten oder Lebenspartnern. Rückzug aus dem gewohnten Umfeld und fehlende soziale Kontakte sind die Folgen.

Das wirkt auf das gesamte Familiensystem ein, z.B. sehen sich Eltern mit der Situation konfrontiert, ihr volljähriges Kind wieder in ihrem Haushalt aufnehmen zu müssen oder der einstige Hauptverdiener einer Familie ist nun arbeitslos.

3. Kinder von Eltern mit Psychosen

3.1. Psychosoziale Belastung

Kinder bei denen ein Elternteil mit Psychosen lebt, wachsen häufiger in ungünstigen sozialen Verhältnissen auf.

Beispiele:

  • Armut
  • schlechte Wohnverhältnisse
  • Arbeitslosigkeit
  • niedrige Bildung der Eltern durch psychosebedingten Abbruch von Schule, Ausbildung oder Studium
  • Verlust wichtiger Bezugspersonen, insbesondere wenn stationäre Behandlung des Elternteils mit Psychosen erforderlich ist oder wenn die Partnerschaft der Eltern an den Belastungen durch die Psychose zerbricht
  • erhöhte Wahrscheinlichkeit für Vernachlässigung und Misshandlung
  • Diskriminierungserfahrungen und soziale Ausgrenzung

3.2. Persönliche Belastung der Kinder von Eltern mit Psychosen

Betroffene Kinder haben oft mit folgenden Schwierigkeiten zu kämpfen:

  • Desorientierung, weil sie das Verhalten des erkrankten Elternteils nicht verstehen
  • Schuldgefühle, weil sie glauben, dass sie die Probleme des erkrankten Elternteils verursacht hätten
  • Eindruck (leider oft begründet) mit niemandem über die Probleme reden zu können oder zu dürfen
  • Isolation, weil sie sich alleingelassen fühlen und nicht wissen, an wen sie sich wenden können

3.3. Eigenes Erkrankungsrisiko der Kinder

Durch Zwillingsstudien, Adoptionsstudien und andere Studien mit Familien hat sich ergeben, dass das lebenslange Risiko an Schizophrenie zu erkranken für leibliche Kinder ansteigt, wenn ein leiblicher Elternteil an Schizophrenie leidet und weiter steigt, wenn das beide leiblichen Eltern betrifft.

Risiko für Schizophrenie in der Allgemeinbevölkerung Risiko für Schizophrenie, wenn ein Elternteil an Schizophrenie erkrankt ist Risiko für Schizophrenie, wenn beide Eltern an Schizophrenie erkrankt sind
1% mehr als 10% mehr als 40%

Außerdem haben Kinder von Eltern mit Psychosen ein erhöhtes Risiko für psychische Störungen im Allgemeinen.

Weil zwischen dem Grad der Verwandtschaft und den erhöhten Risiken Zusammenhänge festgestellt wurden, ist davon auszugehen, dass genetische Ursachen beteiligt sind.

Aber auch die psychosozialen Belastungen, die in Familien mit Eltern die Psychosen haben häufiger vorkommen, bedeuten für die Kinder ein erhöhtes Risiko für psychische Störungen. Auch gehen Eltern mit Psychosen oft anders mit ihren Kindern um. Sie können mit der Erziehung und Betreuung überfordert sein. Außerdem können sie nicht immer die Vorbildrolle einnehmen, die Eltern für ihre Kinder haben sollten. Kinder können auch unter den Konflikten leiden, die durch die Psychose entstehen.

Genaueres dazu unter www.aerzteblatt.de > Archiv > Suchbegriffe: "Mattejat Kinder psychisch kranker Eltern Übersichtsarbeit".

3.4. Präventive Maßnahmen für Kinder von Eltern mit Psychosen

Wichtigkeit der Umwelteinflüsse

Es gibt das Vorurteil, betroffene Kinder könnten genetischen Risiken nicht entkommen. Psychosoziale Einflüsse werden oft im Vergleich zur genetischen Anfälligkeit als weniger wichtig eingeschätzt.
Tatsächlich gilt jedoch: Gerade bei Menschen, die erblich bedingt besonders verletzlich sind, sind die Umwelteinflüsse besonders wichtig. Positiv wie auch negativ haben sie eine starke Wirkung.

Resilienz

Manche Kinder entwickeln sich trotz vieler Belastungen gut. Das wird Resilienz genannt. Die Resilienzforschung untersucht dieses Phänomen, um herauszufinden, wie Prävention gelingen kann.

Für Kinder von Eltern mit Psychosen gilt es psychosoziale Belastungen zu vermindern und Schutzfaktoren zu schaffen bzw. zu verstärken.

Konkrete wirksame Präventionsmaßnahmen:

  • Gute Behandlung der Psychosen des Elternteils
  • Psychoedukation (Erklärung unter Psychosen > Behandlung) für die ganze Familie inklusive Ermutigung mit den Problemen nach außen hin offen umzugehen
  • Therapeutische und sozialpädagogische Hilfen für die ganze Familie
  • Gute Zusammenarbeit aller beteiligten Fachleute (auch mit den Lehrkräften der Kinder)

3.5. Hilfen für Kinder von Eltern mit Psychosen

Hier finden Kinder von Eltern mit Psychosen Informationen und Hilfe:

Beispiele für Hilfen der Jugendämter:

Hilfen bei der Kinderbetreuung für die Eltern:

4. Umgang mit betroffenen Familienmitgliedern

Menschen mit Psychosen brauchen Orientierung, die ihnen Angehörige oft geben können. Sie können in frühere Entwicklungsstufen zurückfallen, was für die Familie sehr anstrengend sein kann. Wenn die Angehörigen dabei bleiben, den Kontakt halten, aber auch ihre eigenen Grenzen im Blick behalten und ggf. verdeutlichen, können sie bestmöglich unterstützen.

4.1. Praxistipp

Nähere Informationen finden Sie in einer Broschüre des Irre Menschlich e.V., die Psychose-Erfahrene, Angehörige und Therapeuten/Wissenschaftler im Dialog in der AG der Psychoseseminare erstellt haben. Direkter Download unter www.dgsp-ev.de > Veröffentlichungen > Broschüren > »Es ist normal, verschieden zu sein!« - Blaue Broschüre von Irre Menschlich e.V.

5. Selbsthilfe, Beratung, Austausch

Hilfen bieten Selbsthilfegruppen für Angehörige, örtliche Beratungsstellen, psychiatrische Kliniken, sozialpsychiatrische Dienste, Gesundheitsämter und Volkshochschulen. In den Gruppen können Angehörige sich austauschen, mit anderen Angehörigen oder auch mit Fachleuten wie Ärzten, Psychologen oder Sozialpädagogen ihre Probleme erörtern und nach besseren Bewältigungsstrategien suchen. Dadurch werden Angehörige entlastet und finden mehr Ruhe und Gelassenheit im Umgang mit dem Patienten.

Links zu Adressen für Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen unter Psychosen > Adressen.

Eine Sonderform sind "trialogische" Informations-, Aufklärungs- und Austauschprojekte. Daran sind drei Gruppen beteiligt: Angehörige, Fachleute von Berufs wegen und Psychose-Erfahrene. Näheres unter Psychosen > Behandlung. Adressen finden sich z.B. bei www.irremenschlich.de.

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Letzte Bearbeitung: 09.08.2023

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