Psychosen > Wohnen

1. Das Wichtigste in Kürze

Einen Rückzugsraum zu haben, in eine soziale Gemeinschaft eingebunden zu sein, alltägliche Pflichten wie Putzen oder Kochen sowie eine Tagesstruktur zu haben und Selbstständigkeit zu gewinnen – das sind für Menschen mit Psychosen oft zentrale Herausforderungen. Der Wohnsituation kommt deswegen große Bedeutung zu, sowohl in der ersten Zeit nach einem Klinikaufenthalt als auch als langfristige Lebensfrage. Neben dem Wohnen im bisherigen Familienumfeld gibt es verschiedenste geförderte und begleitete Wohnformen.

2. Betreute Wohnformen

Bei betreuten Wohnformen stehen dem Bewohner Sozialarbeiter, Ärzte, Therapeuten oder Pfleger zur Seite. Die fachliche Ausrichtung ist je nach Konzept unterschiedlich. Im Idealfall kommen die Betreuer aus verschiedenen Berufsgruppen und arbeiten eng zusammen. Die Betreuung richtet sich immer nach dem individuellen Bedarf und unterscheidet sich deshalb ebenfalls sehr stark – sowohl was die Themen und Ziele angeht als auch in der Intensität. Wichtig ist, dass es verbindliche Absprachen gibt, gemeinsam festgelegte Betreuungsziele und ein Hilfsnetz im Hintergrund, mit dem jederzeit auf Veränderungen und Krisen reagiert werden kann.

Die Betreuungsangebote umfassen z.B.

  • Tagesstrukturierende Hilfen
  • Hilfen und Anleitung im Haushalt: Putzen, Waschen, Kochen
  • Freizeitangebote: Sport, Ausflüge, kreatives Gestalten, kulturelle Aktivitäten, Reisen
  • Sozialrechtliche und finanzielle Beratung
  • Hilfe im Umgang mit Geld
  • Hilfe bei der Beantragung und Aufrechterhaltung von Rehamaßnahmen
  • Hilfen zur Erlangung von Arbeitsmöglichkeiten
  • Sicherung der medizinischen Versorgung
  • Einzel- und Gruppengespräche
  • Krisenintervention

2.1. Träger

Die Betreuer werden von den Trägern gestellt und finanziert, und auch hier herrscht große Vielfalt. Viele Wohnprojekte haben mehrere Träger oder einen Träger, der mit verschiedenen Partnern kooperiert. Infrage kommen z.B. der Sozialpsychiatrische Dienst, der Sozialdienst oder Wohlfahrtsverbände. Auch an psychiatrische Akutkliniken, Wohnheime für Menschen mit Behinderungen, Werkstätten für behinderte Menschen oder Inklusionsfirmen sind teilweise Wohnmöglichkeiten angebunden.

Der Aufenthalt in den meisten betreuten Wohnformen ist befristet. Die Dauer reicht von wenigen Monaten bis einigen Jahren.

2.2. Wohnformen

Die oben genannten Angebote gibt es in mannigfachen Kombinationen mit den folgenden Wohnungsformen:

  • Betreutes Einzelwohnen
    Dabei erfolgt die Unterstützung in der eigenen Wohnung. In der Regel besucht ein Betreuer den Klienten mehrmals in der Woche zu Hause zu fest ausgemachten Terminen. Nachts erfolgt keine Betreuung. Betreutes Einzelwohnen kommt insbesondere für Menschen in Frage, die schon relativ gut mit ihrer Erkrankung umgehen und selbst ihren Tag strukturieren können. Ziel ist, größtmögliche Selbstständigkeit zu erreichen oder ganz ohne Betreuung zu leben.
  • Appartementwohnen
    Appartementwohnen ist eine Zwischenform zwischen betreutem Einzelwohnen und Wohngruppe. Jeder Appartementbewohner ist eigenständig, hat ein eigenes Bad und eine kleine Küche, wohnt aber in einem Appartementhaus mit anderen Betroffenen. Gemeinschaftseinrichtungen ermöglichen soziale Kontakte, aber es ist auch der völlige Rückzug möglich. Betreuer und Therapeuten haben separate Räume.
  • (Therapeutische) Wohngemeinschaft
    In einer Wohngemeinschaft (WG) wohnen mehrere Betroffene zusammen. Jeder hat ein Zimmer für sich. Bad, Küche, Wohn- und Esszimmer werden gemeinschaftlich genutzt. Bei therapeutischen WGs (TWG) liegt der Schwerpunkt auf der therapeutischen Behandlung. In anderen Wohngemeinschaften geht es vorwiegend um die praktische Unterstützung im Alltag.
    In jedem Fall soll die Selbstständigkeit der Bewohner gefördert werden: Durch die Tagesstruktur, das Wechselspiel von sozialem Miteinander und Rückzug in das eigene Zimmer sowie die Übernahme von Pflichten in der Gemeinschaft.
    In der Regel ist ein Zimmer oder Büro in der WG für die therapeutischen Begleiter reserviert. Diese sind je nach Bedarf und Konzept zeitweise oder ganztags oder auch über Nacht vor Ort.
  • Wohngruppe
    Von einer Wohngruppe spricht man meist im Zusammenhang mit einem Heim. Die Bewohner bilden innerhalb eines Heims eine Art WG, lernen soziales Miteinander und die Übernahme von Pflichten wie Kochen, Waschen und Putzen.
  • Langzeitwohnprojekte
    Im Gegensatz zu den bisher genannten Formen sind Langzeitwohnprojekte auf Dauer angelegt. Bewohner sind chronisch psychisch kranke Menschen. Als Wohnformen werden Wohngruppen, WGs oder ganze Häuser genutzt. Meist haben die Bewohner einen höheren Schutz- und Betreuungsbedarf als in den oben genannten Formen.
  • Soteria
    Eine besondere Form der Wohngemeinschaft sind Soteria-Häuser, Näheres unter Psychosen > Behandlung, Soteria.
  • Wohnheim
    In einem Wohnheim nutzt der Bewohner sein Zimmer, alle anderen Einrichtungen sind Gemeinschaftseinrichtungen. Das Wohnen im Heim kann eine dauerhafte Lebensform sein, aber es besteht zunehmend die Tendenz, die Bewohner zu möglichst viel Selbstständigkeit und sozialen Wohnformen zu befähigen: Über die Wohngruppe im Heim hin zur heimunabhängigen WG.

2.3. Praxistipp

Nähere Informationen zu betreuten Wohnformen für psychisch kranke Menschen gibt es beim Psychiatrienetz unter www.psychiatrie.de > Gemeindepsychiatrie > Alltagshilfen.

2.4. Wer hilft weiter?

Auf der Suche nach betreutem Wohnen helfen der Sozialdienst in der Klinik, der ambulante Sozialpsychiatrische Dienst sowie alle Träger mit entsprechenden Angeboten – das sind meist Wohlfahrtsverbände, aber auch Gemeinden und Vereine.

3. Wohnen in der Familie

Ob das Zusammenleben mit der Familie möglich und sinnvoll ist, sollte gut überlegt und bewusst entschieden werden. Je nach Alter und Störungsbild kann das Familienleben die erstrebenswerte Wohnform sein, weil die vertraute Umgebung und die Angehörigen Sicherheit und Geborgenheit geben. Aber ebenso kann eine familienunabhängige Wohnform Selbstständigkeit und Entwicklung erst ermöglichen.

Kommt ein Patient nach einem Klinikaufenthalt (wieder) nach Hause, sollte eine ambulante Nachsorge durch ärztliche Behandlung, Beratungsstellen, Ambulanzen und/oder Tagesstätten für psychisch kranke Menschen (Näheres unter Psychosen > Arbeit, Tagesstätten) gewährleistet sein. Dem Betroffenen sollte ermöglicht werden, eine Balance zwischen Rückzug und Teilnahme am Familienleben zu finden. Dazu sollten ihm räumliche Rückzugsmöglichkeiten zur Verfügung stehen.

Näheres zum Umgang miteinander unter Psychosen > Umgang mit Psychosen und Psychosen > Familie.

Ein wichtiges Thema ist der Auszug junger, psychotisch erkrankter Menschen aus der elterlichen Wohnung. Fast allen Eltern fällt es schwer, ihre Kinder gehen zu lassen, für ein psychisch gefährdetes Kind gilt das umso mehr. Für den jungen Erwachsenen ist die Loslösung aus dem Elternhaus ein großer Schritt, der mit einem Therapeuten sorgfältig geplant werden sollte. Denn der Umbruch kann sowohl positiv als auch negativ wirken. Stützend kann hier der Umzug in eine der oben aufgeführten betreuten Wohnformen wirken.

Für Jugendliche und unter Umständen auch junge Volljährige mit Psychosen gibt es Leistungen der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche für die das Jugendamt vor Ort zuständig ist. So besteht bei Bedarf Anspruch auf Beratung zur Vorbereitung eines Auszugs und auf verschiedene Leistungen des betreuten Wohnens, z.B. in heilpädagogischen Wohngruppen.

4. Verwandte Links

Ratgeber Psychosen

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Letzte Bearbeitung: 14.07.2021

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