Aufsuchende Familientherapie

1. Das Wichtigste in Kürze

Aufsuchende Familientherapie (AFT) gehört zu den Hilfen zur Erziehung, die von den Jugendämtern gewährt werden. Direkt im Haushalt der Familie führen dabei zwei Therapeuten gemeinsam eine systemische Familientherapie durch. Sie dient dazu, auch die Familien noch zu erreichen, die mit den sonst üblichen Angeboten nicht (mehr) angesprochen werden können und kann verhindern, dass ein Kind oder ein Jugendlicher aus seiner Familie herausgenommen werden muss.

2. Ziele der AFT

Die AFT ist ein Versuch, Hoffnungslosigkeit und Resignation zu beenden, den Blick hin zu Ressourcen zu bewegen und Möglichkeiten zum Handeln zu eröffnen.

  • Jugendämter bewilligen AFT oft um zu vermeiden, dass sie ein Kind oder einen Jugendlichen aus einer Familie herausnehmen müssen und z.B. in einer Pflegefamilie, Wohngruppe oder einem Heim unterbringen müssen, wenn andere Hilfen bereits gescheitert sind oder die Familie mit diesen nicht erreicht werden kann.
  • Nützlich kann sie auch sein, wenn ein Familienmitglied krankheitsbedingt nicht oder nur schwer auswärtige Therapieangebote wahrnehmen kann.
  • Sog. Multiproblemfamilien gehören zur Zielgruppe der AFT. Gemeint sind damit Familien in denen Hoffnungslosigkeit und Resignation herrschen, in denen Eltern Kindern zu wenig Orientierung geben und sie nicht ausreichend zu angemessenem Verhalten anhalten sowie keine positive Perspektive für ihre Kinder sehen.

3. Qualitätskriterien der DGSF (Deutsche Gesellschaft für Systemische Therapie)

  • Aufsuchend
    Die Therapie findet direkt im Zuhause der Familie statt und bezieht das Lebensumfeld der Familie mit ein. Dadurch soll der Familie ein Gefühl von Sicherheit gegeben werden und es können auch Familien erreicht werden, die keine Therapien außerhalb wahrnehmen können oder wollen.
  • Co-Therapie
    Es arbeiten immer zwei Therapeuten gemeinsam, damit diese sich während der Therapie austauschen können. Sie sprechen während der Therapie aus, was ihnen durch den Kopf geht, damit die Familien deren Gedankengänge nachvollziehen können. Dadurch, dass die Therapeuten immer zu zweit kommen wird vermieden, dass Therapeuten ihre Sicht von Außen verlieren und sich in die Familie hineinziehen lassen (sog. Sogwirkung).
    Damit das gelingt ist AFT nur in Teams mit mehr als 2 Therapeuten möglich, damit immer eine Vertretung gesichert ist und nie nur eine Person in den Haushalt gehen muss.
  • Dauer der AFT
    Aufsuchende Familientherapie dauert zwischen 26 und 52 Wochen. Hierdurch soll vermieden werden, dass eine Familie sich an die Therapie gewöhnt. Außerdem soll gefördert werden, dass die Familienmitglieder eigenverantwortlich handeln und ihre Ressourcen nutzen.
  • Zeitbudgets
    AFT findet in 26 Therapiesitzungen statt, wobei eine Einheit 5,5 Zeitstunden pro Woche und Fachkraft umfasst, inklusive der Vor- und Nachbereitung, Supervision usw. Die Zeiten für An- und Abfahrt sind nicht enthalten.
  • Qualifikation
    Erforderlich ist ein psychosozialer Hochschulabschluss/Fachhochschulabschluss und eine mindestens 3-jährige von der DGSF zertifizierte Weiterbildung im Bereich der systemischen Familientherapie.
  • Supervision
    Eine regelmäßige Supervision im Umfang von mindestens 5 % der Gesamtzeit gehört unbedingt dazu.
  • Vergütung
    Die Vergütung muss ein wirtschaftliches Arbeiten der Therapeuten ermöglichen. (Die Jugendämter übernehmen die Kosten.)
  • Dokumentation und Evaluation
    Eine Dokumentation des Prozesses und eine fachgerechte Bewertung (Evaluation) der Ergebnisse gehören unbedingt dazu.

Nachzulesen sind die Qualitätskriterien unter www.dgsf.org > Zertifizierung > Weitere Qualitätskriterien (AFT).

4. Systemische Familientherapie

Sicht auf Probleme:
Sie werden statt als Eigenschaften einer Personen als Ausdruck dessen gesehen, wie die Beteiligten im System Familie miteinander in Beziehung stehen und wie sie mit einander kommunizieren.

Keine Krankheitsdiagnosen:
Symptome werden als Hinweise auf Störungen im System gedeutet. Es werden keine Krankheitsdiagnosen gestellt und bestehende Diagnosen bestimmen nicht die Therapie.

Einbeziehung des gesamten Systems:
Nicht nur die Familie, sondern auch das Lebensumfeld werden betrachtet, z.B. die Nachbarschaft, die Schule oder der Betrieb in dem ein Familienmitglied arbeitet. Das kann die Wahrnehmung und die Handlungsmöglichkeiten der Familienmitglieder erweitern und stärken und damit Hilfe zur Selbsthilfe sein.


Mehr dazu unter: www.dgsf.org > Wissen > Was heißt systemisch?.

5. Wer hilft weiter?

Aufsuchende Familientherapie kann beim Allgemeinen Sozialdienst (ASD) der Jugendämter beantragt werden. Dort gibt es auch weitere Informationen dazu.

6. Verwandte Links

Jugendamt

Erziehungshilfe

Eltern in der Krise

Leistungen für Eltern, Kinder und Jugendliche

 

Rechtsgrundlagen: § 27 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII

Letzte Bearbeitung: 05.02.2024

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