Psychosen > Umgang mit Psychosen

1. Das Wichtigste in Kürze

Psychosen treten nur phasenweise und in sehr unterschiedlichen Formen auf. Im Umgang mit betroffenen Menschen sind wichtig: Offenheit, gegenseitige Anerkennung, Achtsamkeit, Akzeptanz, das Bemühen um Einbeziehung sowie gemeinsame Unternehmungen.

2. Besonderheiten im Krankheitsbild

Im Umgang mit Menschen mit psychotischen Störungen sind grundsätzlich akute Phasen von Zeiten der Remission zu unterscheiden.

In der Akutphase sind zum Teil stationäre Aufenthalte erforderlich.

In der Remissionsphase helfen häufig vertraute Bezugspersonen und ein geregelter Tagesablauf – allerdings ist es sehr schwierig dabei allgemein gültige Aussagen zu treffen, da die Bedürfnisse der Menschen sehr unterschiedlich sind und auch bei den einzelnen Personen je nach Befindlichkeit stark schwanken können.

3. Achtsamkeit für sich und andere

Menschen mit einer Psychose sind verletzlicher und dünnhäutiger als gesunde Menschen. Durch eine ständige Rücksichtnahme seitens der Angehörigen können diese aber bald ihrerseits überfordert sein. Leitlinien des Umgangs miteinander sollten eine weitestgehende Offenheit und gegenseitige Anerkennung der Bedürfnisse und Sichtweisen sein. Die besondere Schutzbedürftigkeit des Patienten darf keine Selbstaufgabe der Angehörigen zur Folge haben. Als auf Dauer hilfreicher hat sich das Bemühen um Verständnis und das Hineinversetzen in die Welt des Betroffenen erwiesen.

4. Hilfen im Dialog

Fragt man psychoseerfahrene Menschen, was sie in akuten Krisen brauchen, oder im Nachhinein, was zur Genesung beigetragen hat, so sind scheinbar unbedeutende Dinge wichtig:

  • Authentische, selbstverständliche, also das "normale" Selbstverständnis fördernde Erlebnisse
  • Erfahrungen von Normalität
  • Zeit, Ruhe, Geduld
  • Rückzugsraum, "Spielraum"
  • Gewohnheiten und Eigenarten, die den "Eigen-Sinn" fördern (Träume, Tagebücher, Naturerlebnisse usw.)
  • Angehörige und Freunde, die zu einem halten
  • Menschen, die einfach nur „da“ sind

("Hilfen im Dialog" ist zitiert aus: "Es ist normal, verschieden zu sein! (Blaue Broschüre). Verständnis und Behandlung von Psychosen." Erstellt im Dialog von Psychose-Erfahrenen, Angehörigen und Therapeuten/Wissenschaftlern in der AG der Psychoseseminare (Hrsg.). Direkter Download der Broschüre unter www.dgsp-ev.de > Veröffentlichungen > Broschüren > »Es ist normal, verschieden zu sein!« - Blaue Broschüre von Irre Menschlich e.V.)

5. Die Situation akzeptieren

Wichtig ist für den Betroffenen und die Angehörigen, die psychotische Störung zu erkennen und diese Situation zu akzeptieren – wobei mit Akzeptieren kein Resignieren gemeint ist. Viel produktiver ist ein "spielerischer" Umgang mit den verzerrten Wahrnehmungen bzw. Äußerungen. Mit "spielerisch" ist gemeint: sehen und hören, offen und neugierig sein, näher betrachten oder sich auch wieder zurückziehen, Erfahrungen sammeln mit dem Ungewohnten und ihm auf diese Weise seine Fremdheit und seinen Schrecken nehmen, dabei aber nie die oft existenziell allumfassende Dimension der Erkrankung verharmlosen. Schuldzuweisungen sollen vermieden werden.

Die große Hürde auf dem Weg zur Akzeptanz ist, dass psychische Erkrankungen mit vielen falschen Vorurteilen belegt sind – in der Regel sowohl bei den Betroffenen und ihren Angehörigen als auch im Umfeld. "Unberechenbar, gefährlich, träge, dumm, unheilbar" – in dieser Bandbreite bewegt sich das allgemeine Bild. "Gespaltene Persönlichkeiten", "genetische Veranlagung" und "das Elternhaus" sind weitere Bausteine der Vorurteile, die die Betroffenen in eine Schublade stecken, aus der sie nur schwer herausfinden. Angesichts dieser Vorurteile ist es nur allzu verständlich, dass viele Betroffene und Angehörige lange um eine Akzeptanz ringen müssen – mit sich und mit dem Umfeld.

Inzwischen gibt es an vielen Orten trialogische Informations- und Aufklärungsprojekte unter Beteiligung von Experten, Psychose-Erfahrenen und Angehörigen, die diesen Fehleinschätzungen entgegenwirken. Näheres unter Psychosen > Behandlung.

6. In die Familie einbeziehen

Auch ein Mensch mit psychotischen Störungen sollte weiterhin und ganz bewusst in Familienangelegenheiten einbezogen werden. Er sollte seine Meinung zu Themen äußern, die für ihn von Belang sind. Angehörige sind oft versucht, dem Betroffenen alles abzunehmen. Dies kann jedoch die Minussymptomatik (z.B. Antriebslosigkeit, wenig Selbstvertrauen, Angst, Passivität) verstärken. Ziel muss sein, trotz der Psychose eine weitgehende Selbstständigkeit zu erhalten oder wiederzuerlangen.

7. Aktivitäten unterstützen

Psychose-Erkrankten fehlen häufig Antrieb und Energie. Dies kann entweder in der Negativsymptomatik (verminderte Aufmerksamkeit, Sprachverarmung, Gemütsverflachung, Interessenschwund und anderes) begründet sein oder als Nebenwirkung der Psychopharmaka auftreten. Hilfreich für den Patienten ist, wenn er ermutigt und unterstützt wird, so viel zu tun, wie ihm möglich ist.

Dabei sollten kleine, allmähliche Schritte anvisiert werden, damit Erfolgserlebnisse möglich sind. Wichtige Bereiche, in denen Betroffene solche Unterstützung brauchen, sind Hygiene, Körperpflege und kleinere Aufgaben im Haushalt.

8. Gemeinsame Unternehmungen

Manche Betroffene empfinden es als angenehm, mit einem Angehörigen eher nonverbalen Aktivitäten nachzugehen, z.B. einen Spaziergang zu unternehmen, gemeinsam fernzusehen oder zu lesen. Auch wird es von Betroffenen als hilfreich angesehen, wenn sie ihre Gefühle und Gedanken durch kreatives Gestalten ausdrücken können, z.B. durch Schreiben, Malen, Musizieren oder Töpfern. Ehrliche und positive Rückmeldungen sind dabei sehr wichtig, ein falsches Lob kann die unbedingt notwendige Vertrauensbasis schnell und auf lange Zeit zerstören.

9. Praxistipp

Eine informative Broschüre zum Umgang mit Psychosen bietet MHFA Ersthelfer unter www.mhfa-ersthelfer.de>was-ist-mhfa>guidelines>Richtlinien zum Umgang mit Psychose.

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Letzte Bearbeitung: 01.03.2024

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