Psychosen > Rechtliche Aspekte

1. Das Wichtigste in Kürze

Psychotische Störungen können, insbesondere in akuten Phasen, zu tiefgreifenden Verhaltensänderungen, Wahrnehmungsstörungen und zu einer falschen Beurteilung von Sachverhalten weit außerhalb der gesellschaftlichen Norm führen. Die Geschäftsfähigkeit ist dann zum Teil nicht mehr gegeben. Betroffene können für solche Situationen vorsorgliche Verfügungen erlassen. Unter bestimmten Umständen sind auch freiheitsentziehende Maßnahmen notwendig.

2. Rechtliche Betreuung

Die rechtliche Betreuung (oft auch gesetzliche Betreuung genannt) ist eine Fürsorgeform, in deren Rahmen ein gerichtlich bestellter Betreuer die Angelegenheiten des Betroffenen regelt, wenn dieser selbst nicht mehr dazu in der Lage ist. Nur ein Teil der Patienten mit psychotischen Störungen braucht einen Betreuer zur Regelung persönlicher Angelegenheiten.

Die Betreuung wird (im Gegensatz zur früheren „Entmündigung“) zeitlich begrenzt und nur für die Aufgabenbereiche eingerichtet, für die sie erforderlich ist.
Näheres unter Betreuung.

2.1. Geschäftsfähigkeit

Geschäftsfähigkeit bedeutet, dass ein Mensch Rechtsgeschäfte vornehmen darf. Grundsätzlich sind alle Menschen geschäftsfähig. Ausnahmen sind im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt.

Geschäftsunfähig sind neben Kindern vor ihrem 7. Geburtstag auch Menschen mit Erkrankungen, die zu einer Störung der Geistestätigkeit führen, welche die freie Willensbestimmung ausschließt. Das gilt nicht, wenn diese Störung der Geistestätigkeit ihrer Natur nach vorübergehend ist. Das gilt unabhängig davon, ob die Person eine rechtliche Betreuung hat.

In der Akutphase einer Psychose sind Patienten in der Regel geschäftsunfähig. Die Geschäftsunfähigkeit ist allerdings nicht automatisch mit Erreichen eines bestimmten Krankheitsstadiums zu vermuten, sondern muss von einem Sachverständigen festgestellt werden.

Ob ein Patient noch geschäftsfähig ist, wird z.B. bei der Frage relevant, ob eine Vorsorgevollmacht in Kraft tritt und ein Bevollmächtigter anstelle des Patienten handeln und entscheiden kann.

2.2. Vorsorge

Durch eine Vorsorgevollmacht oder Betreuungsverfügung kann ein Betroffener im Vorfeld festlegen, wer ihn im Falle einer Geschäftsunfähigkeit vertreten soll:

  • In einer Vorsorgevollmacht legt der Verfasser fest, wen er für welche Aufgabenbereiche als Bevollmächtigten einsetzt, wenn er selbst entscheidungsunfähig ist. Liegt eine ausreichende Vorsorgevollmacht vor, darf kein Betreuer eingesetzt werden.
    Näheres unter Vorsorgevollmacht.
  • In einer Betreuungsverfügung legt der Verfügende fest, wer – oder wer auf keinen Fall – im Bedarfsfall als Betreuer eingesetzt werden soll und welche Wünsche der Betreuer zu beachten hat.
    Näheres unter Betreuungsverfügung.
  • In einer Patientenverfügung bestimmt der Patient, welche Behandlungen er in einer bestimmten Situation wünscht und welche unterlassen werden müssen.
    Näheres unter Patientenverfügung.

Betreuungsverfügung und/oder Vorsorgevollmacht sollten auf jeden Fall mit den gewünschten Betreuern/Bevollmächtigten abgesprochen werden.

2.3. Anregung einer Betreuung

Wenn offensichtlich wird, dass ein Mensch im Alltag nicht mehr zurechtkommt, dann kann jeder, dem das auffällt, z.B. Arzt, Apotheker, Nachbar, aber auch der Betroffene selbst eine Betreuung beim Betreuungsgericht anregen. Anzeichen dafür, dass jemand nicht mehr ohne Hilfe zurechtkommt, sind z.B. zunehmende Verwahrlosung der Wohnung und des äußeren Erscheinungsbildes, Ablehnung von ärztlicher Hilfe und Versorgung oder Auffälligkeiten bei finanziellen Geschäften.

Im Rahmen des Betreuungsverfahrens verschafft sich der Betreuungsrichter in der Wohnung des Betroffenen oder in einer betreuten Wohnform einen persönlichen Eindruck von der Gesamtsituation und der Erforderlichkeit einer Betreuung. Dabei werden auch die Aufgabenkreise des künftigen Betreuers erläutert und bestimmt.

2.4. Voraussetzung

Das Betreuungsgericht bestellt einen Betreuer, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

  • Der Betroffene kann aufgrund seiner Erkrankung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst erledigen. Dies wird regelmäßig durch ein fachärztliches Gutachten festgestellt.
  • Die Betreuung ist erforderlich, d.h.: Es liegen Angelegenheiten vor, die geregelt werden müssen, und es gibt keinen Bevollmächtigten (Näheres unter Vorsorgevollmacht), der sie regeln kann.

2.5. Einwilligungsvorbehalt

Ob ein Mensch geschäftsfähig ist oder nicht ist unabhängig davon, ob eine rechtliche Betreuung besteht oder nicht (im Gegensatz zur früheren Entmündigung). Wenn es aber zur Abwendung einer erheblichen Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten erforderlich ist, kann das Betreuungsgericht anordnen, dass Erklärungen des Betreuten zu ihrer Wirksamkeit der Einwilligung des Betreuers bedürfen, um rechtswirksam zu werden. Es gibt jedoch Ausnahmen, die nicht mit einem Einwilligungsvorbehalt versehen werden können: Geringfügige Geschäfte des täglichen Lebens (z.B. Einkäufe von Lebensmitteln), Eheschließung, Erstellen eines Testaments sowie Anfechtung und Aufhebung eines Erbvertrags.
Näheres unter Betreuung.

2.5.1. Zustimmung des Betreuungsgerichts

Bei weitreichenden Eingriffen in die Persönlichkeitsrechte des Betreuten muss der Betreuer die Zustimmung des Betreuungsgerichts einholen. Dies ist z.B. bei gefährlichen ärztlichen Eingriffen oder freiheitsentziehenden Maßnahmen der Fall.

Ausführliche Informationen rund um die gesetzliche Betreuung finden Sie unter Betreuung.

2.5.2. Wer hilft weiter?

Zuständig für Betreuungssachen ist das Betreuungsgericht beim örtlich zuständigen Amtsgericht. Informationen und Aufklärung bieten auch die Betreuungsbehörden bei der örtlichen Kreis- bzw. Stadtverwaltung und Betreuungsvereine.

3. Freiheitsentziehende Maßnahmen

Als freiheitsentziehende Maßnahmen werden Maßnahmen bezeichnet, welche die Bewegungsfreiheit eines Menschen gegen dessen Willen einschränken. Alle nachfolgend aufgeführten Maßnahmen sind nur im Akutfall zum Schutz des Patienten und seiner Umgebung erlaubt. Auf längere Sicht muss immer eine richterliche Genehmigung durch das Betreuungsgericht eingeholt werden. Die Maßnahmen müssen vom Pflegepersonal täglich dokumentiert und auf ihre Notwendigkeit geprüft werden.

3.1. Unterbringung im Notfall

Die zwangsweise Einweisung zur medizinischen Behandlung in die geschlossene Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses wird als "Unterbringung" bezeichnet. Diese ist nur im Notfall zulässig, wenn der Patient sich selbst und/oder andere erheblich gefährdet. Oft ist ein Mensch in einer akuten Psychose nicht in der Lage zu erkennen, dass er sich selbst oder andere gefährdet. In solchen Fällen kann eine Unterbringung gegen seinen Willen notwendig werden. Anzeichen sind z.B. Verwahrlosung des Patienten in der eigenen Wohnung, Erkrankung oder Unterernährung in Verbindung mit der Ablehnung jeglicher Hilfe. Zudem können Patienten in Akutphasen durch Unfälle gefährdet sein, weil sie Gefahren falsch einschätzen oder sich für "allmächtig" bzw. "unverletzlich" halten.
Eine medizinische Behandlungsbedürftigkeit allein, die der Patient aufgrund seiner Erkrankung nicht einsehen kann, oder die Gefährdung seines Vermögens sind keine ausreichenden Gründe für eine Unterbringung.

Sehen Ärzte, Angehörige oder Nachbarn Anzeichen für eine Selbst- oder Fremdgefährdung, sollten sie sich an den Betreuer des Betroffenen oder den Sozialpsychiatrischen Dienst wenden. Im Notfall sind Polizei, Ordnungs- oder Gesundheitsamt weitere Ansprechpartner, in manchen Städten gibt es auch psychiatrische Krisendienste. Durch das Einschalten kompetenter Stellen und deren Intervention kann eine Unterbringung oft vermieden werden, denn immer mehr Therapeuten bemühen sich darum, sich in die Lage der Patienten zu versetzen und so auf sie einzuwirken, dass sie sich freiwillig in stationäre Behandlung begeben. Bei einer Unterbringung gegen Widerstand besteht immer auch die Gefahr einer Traumatisierung.

Das Verfahren zur zwangsweisen Unterbringung von psychisch kranken Menschen ist in jedem Bundesland unterschiedlich geregelt. In jedem Fall ist für eine solche Unterbringung das Betreuungsgericht zuständig.

3.2. Mechanische Maßnahmen

Weitere freiheitsentziehende Maßnahmen sind mechanische Maßnahmen, z.B. Fixiergurte, Bettgitter oder andere Methoden, die einem Menschen die Möglichkeit nehmen, das Bett, den Stuhl oder den Raum zu verlassen. Sie werden bei psychotischen Störungen nur sehr selten eingesetzt.

3.3. Sedierende Medikamente

Auch sedierende (ruhigstellende) Medikamente zählen zu den freiheitsentziehenden Maßnahmen. Sedierende Medikamente bewirken eine Verlangsamung auf körperlicher und geistiger Ebene und können bis zu Apathie und Dauerschläfrigkeit führen. Der Arzt darf solche Psychopharmaka nur zum Zweck der Heilung oder Linderung bei Krankheitszuständen (z.B. akute Angstzustände, Wahnvorstellungen) oder in Notfällen verordnen.

Werden sedierende Medikamente jedoch dauerhaft über Wochen zum Zweck der Ruhigstellung verordnet, ist dies eine freiheitsentziehende Maßnahme, die in die Persönlichkeitsrechte des Patienten eingreift. Eine solche Medikamentengabe muss vom Betreuungsgericht genehmigt werden.

Meist kann die Gefahr bereits durch die Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung abgewendet werden. Eine zusätzliche Zwangsbehandlung mit Psychopharmaka ist rechtlich problematisch und nur in seltenen Fällen vor dem Betreuungsgericht zu rechtfertigen.

3.4. Rechte bei freiheitsentziehenden Maßnahmen

Betroffene von freiheitsentziehenden Maßnahmen können einen Rechtsanwalt kontaktieren und mandatieren, um sich dagegen zu wehren. Auch wenn ein Mensch nicht mehr geschäftsfähig ist, bleibt er im Betreuungsverfahren verfahrensfähig. Er darf Anträge formulieren und Rechtsmittel gegen richterliche Beschlüsse einlegen.

Im Betreuungsverfahren bekommt die betroffene Person einen Verfahrenspfleger. Der Verfahrenspfleger vertritt vor dem Betreuungsgericht die Interessen des Betroffenen. Er hat die objektiven Interessen des Betroffenen wahrzunehmen und ist nicht an Weisungen des Betroffenen gebunden. Das heißt, dass der Verfahrenspfleger für den Betreuten z.B. nicht die Aufhebung einer Unterbringung beantragen muss, wenn die Unterbringung objektiv erforderlich ist, aber der Mensch das krankheitsbedingt nicht einsehen kann.

Auch wenn ein Verfahrenspfleger bestellt wurde, können Betroffene noch selbst ihre Rechte vertreten und z.B. eigene Anträge ans Gericht stellen. Betroffene müssen sich also nicht damit abfinden, wenn sie mit der Arbeit des Verfahrenspflegers nicht einverstanden sind.

Die Bestellung eines Verfahrenspflegers soll unterbleiben oder aufgehoben werden, wenn die Interessen des Betroffenen von einem Rechtsanwalt oder einem anderen geeigneten Verfahrensbevollmächtigten vertreten werden (§ 317 Abs.4 FamFG). Suchen sich Betroffene also selbst einen Rechtsanwalt im Betreuungsverfahren darf nur ausnahmsweise trotzdem ein Verfahrenspfleger bestellt werden. Betroffene dürfen sich also grundsätzlich aussuchen, wer sie vor dem Betreuungsgericht vertritt.

3.5. Wer hilft weiter?

Bei Fragen und Unsicherheiten hilft das Betreuungsgericht.
Betroffene können sich an Rechtsanwälte mit Tätigkeit im Betreuungsrecht wenden.

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Letzte Bearbeitung: 20.06.2023

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