Beratungshilfe

1. Das Wichtigste in Kürze

Im außergerichtlichen Bereich (z.B. in einem sozialrechtlichen Widerspruchsverfahren) erhalten Betroffene Beratungshilfe, wenn sie anwaltliche Hilfe benötigen, aber sich diese nicht leisten können. Das bedeutet, dass die Betroffenen für die außergerichtliche Beratung und Vertretung durch einen selbstgewählten Rechtsanwalt nur höchstens 15 € pro Angelegenheit bezahlen müssen.

In Bremen und Hamburg gibt es stattdessen öffentliche Rechtsberatung in besonderen Beratungsstellen. In Berlin gibt es diese zusätzlich zur Beratungshilfe in Rechtsanwaltskanzleien.

2. Umfang

2.1. Außergerichtlicher Bereich

Beratungshilfe wird nur außerhalb von Gerichtsverfahren gewährt.

Beispiele:

  • Im Sozialrecht und im Verwaltungsrecht gehört auch das Widerspruchsverfahren zum außergerichtlichen Bereich.
  • Außergerichtlich ist die Beratung zu den Erfolgsaussichten einer Klage, bevor diese eingelegt wird.
  • Außergerichtlich sind Verhandlungen, die einem Gerichtsverfahren vorbeugen sollen.

In einem Gerichtsverfahren (ab Einreichung einer Klage oder eines Antrags an ein Gericht) gibt es stattdessen die Prozesskostenhilfe.

2.2. Abgrenzung zur allgemeinen Lebenshilfe

Beratungshilfe wird nur in rechtlichen Angelegenheiten gewährt und nicht für sog. allgemeine Lebenshilfe.

Rechtlich ist eine Angelegenheit, wenn:

  • Rechtsberatung im Vordergrund steht
    und/oder
  • es um komplexe juristische Rechtsfragen geht.

Allgemeine Lebenshilfe liegt vor, wenn tatsächliche Hilfe im Vordergrund steht z.B.:

  • Lesehilfe
  • Hilfe bei Sprachbarrieren
  • Hilfe bei Verständigungsproblemen
  • Hilfe beim Ausfüllen von Anträgen
  • Hilfe beim Zusammenstellen von Unterlagen, die für Sozialleistungsanträge eingereicht werden müssen

In der Praxis fällt es oft schwer zu entscheiden, ob noch allgemeine Lebenshilfe vorliegt oder schon eine rechtliche Angelegenheit. Die für die Entscheidung zuständigen Rechtspfleger gehen im Zweifel meistens von allgemeiner Lebenshilfe aus, um Kosten zu sparen. Oft lohnt es sich dann, gegen eine so begründete Ablehnung vorzugehen.

Abzugrenzen ist die Beratungshilfe von Leistungen durch die Rechtliche Betreuung:

Beratungshilfe Rechtliche Betreuung
Für finanziell Bedürftige Für Menschen, die sich wegen Krankheit und/oder Behinderung nicht mehr vollständig um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern können
Rechtsberatung und Vertretung im außergerichtlichen Bereich Vertretung in Angelegenheiten, die Menschen ohne Krankheit und/oder Behinderung gewöhnlich ohne anwaltliche Hilfe selbst erledigen (allgemeine Lebenshilfe)

2.3. Beratung

Die Beratungshilfe umfasst die vollständige notwendige anwaltliche Beratung außerhalb eines Gerichtsverfahrens für eine bestimmte konkrete rechtliche Angelegenheit. Die Betroffenen haben nicht nur Anspruch auf ein Erstgespräch, sondern auf so viel Beratung wie nötig ist.

Die Beratung wird in allen rechtlichen Angelegenheiten gewährt. Es kommt also nicht darauf an, um welches Rechtsgebiet (z.B. Steuerrecht, Strafrecht, Sozialrecht, Verwaltungsrecht, Zivilrecht usw.) es geht.

2.4. Vertretung

Unter folgenden zusätzlichen Voraussetzungen ist von der Beratungshilfe neben der Beratung auch die außergerichtliche anwaltliche Vertretung umfasst:

  • Wegen dem Umfang, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Rechtsangelegenheit ist es nicht möglich, nach der Beratung die Rechte selbst wahrzunehmen,
    und
  • es handelt sich nicht um eine Angelegenheit des Strafrechts oder des Ordnungswidrigkeitenrechts.

2.5. Beratungshilfe im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht

Im Strafrecht und im Ordnungswidrigkeitenrecht (z.B. wenn Betroffenen Sozialleistungsbetrug vorgeworfen wird oder wenn ein Bußgeld wegen fahrlässiger Falschangaben bei einem Antrag auf Sozialleistungen verhängt wird) ist über die Beratungshilfe nur sehr allgemeine Beratung möglich, z.B. darüber, wie Strafverfahren grundsätzlich ablaufen oder dazu, wann Vorstrafen aus dem Bundeszentralregister gestrichen werden.

Nicht möglich sind hier:

  • Akteneinsicht
  • Einzelfallbezogene Rechtsberatung
  • Strafverteidigung

2.6. Praxistipp

Pflichtverteidigung ist keine Möglichkeit für Bedürftige, an kostenlose Akteneinsicht, einzelfallbezogene Rechtsberatung und Verteidigung im Strafverfahren zu kommen. Bei der Pflichtverteidigung legt der Staat lediglich die Kosten für die Verteidigung zunächst aus, wenn das Gesetz vorschreibt, dass der Beschuldigte einen Verteidiger haben muss. Außer bei einem Freispruch und wenn das besonders bestimmt wird, müssen Pflichtverteidigte die Anwaltskosten trotz finanzieller Bedürftigkeit erstatten.

3. Voraussetzungen

Die Beratungshilfe setzt voraus:

  • Die rechtsuchende Person kann das Geld für die anwaltliche Hilfe nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen
    und
  • hat keine andere Möglichkeit die nötige Hilfe zu bekommen, die ihr zuzumuten ist (im Sozialrecht z.B. über einen Sozialverband),
    und
  • es erscheint nicht mutwillig, dass die Beratungshilfe in Anspruch genommen wird.

Die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse müssen in einem Formular angegeben werden und es müssen Belege eingereicht werden (z.B. Mietvertrag, Kontoauszüge der letzten 3 Monate, Gehaltsbescheinigungen, Sozialleistungsbescheide).

Zu den anderen Möglichkeiten, die Hilfe zu bekommen, gehört es auch, wenn eine Rechtsschutzversicherung besteht, welche die Kosten übernehmen kann.

Wann es mutwillig erscheint, dass die Beratungshilfe in Anspruch genommen wird, ist auch gesetzlich geregelt:

  • Wer Beratungshilfe beantragt, wird mit einer rechtsuchenden Person verglichen, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen keine Beratungshilfe bekommen kann. Würde diese Person "bei verständiger Würdigung aller Umstände" keine anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen, so gilt es als mutwillig, Beratungshilfe zu beanspruchen.
  • Bei der Beurteilung der Mutwilligkeit müssen die Kenntnisse und Fähigkeiten der Rechtsuchenden sowie ihre besondere wirtschaftliche Lage berücksichtigt werden.

In der Praxis werden Anträge auf Beratungshilfe in manchen Fällen wegen angeblicher Mutwilligkeit rechtswidrig abgelehnt.

Beispiel:

Einem Sozialhilfeempfänger wird die Beratungshilfe abgelehnt, weil die Vergleichsperson mit mehr Geld sich wegen 300 € noch keinen Anwalt nehmen würde. Für den Sozialhilfeempfänger sind 300 € aber sehr viel, da er sich ohne sie z.B. für mehr als einen Monat kein Essen kaufen könnte.

Dann lohnt es sich oft, dagegen vorzugehen.

3.1. Praxistipp

Immer wieder kommt es vor, dass die Beratungshilfe für einen Widerspruch im Sozialrecht abgelehnt wird. Die Rechtsuchenden werden auf die Beratung durch die Behörde, gegen die sich der Widerspruch richtet, als andere Hilfsmöglichkeit verwiesen. Das ist allerdings verfassungswidrig. In diesem Fall sollten Betroffene gegen die Ablehnung vorgehen und dabei auf folgende Gerichtsentscheidung hinweisen: Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 11. Mai 2009 zum Aktenzeichen: 1 BvR 1517/08. Die Entscheidung kann abgerufen werden unter Bundesverfassungsgericht.de > Entscheidungen > Suchbegriff im Feld Aktenzeichen: 1 BvR 1517/08.

4. Antrag

4.1. Berechtigungsschein für die Beratungshilfe

Um die Beratungshilfe zu bekommen, können Betroffene einen Antrag auf einen Berechtigungsschein für die Beratungshilfe bei der Rechtsantragsstelle des Amtsgerichts stellen. Damit können sie dann in einer Anwaltskanzlei ihren Anspruch auf Beratungshilfe nachweisen und der Anwalt kann damit seine Gebühr abrechnen. Auch wenn es um ein sozialrechtliches Verfahren geht, kann der Berechtigungsschein für die Beratungshilfe nicht beim Sozialgericht beantragt werden, sondern immer nur beim Amtsgericht. Beim Amtsgericht müssen Einkommens- und Vermögensnachweise vorgelegt werden. Außerdem muss nachgewiesen werden, dass anwaltliche Hilfe nötig ist.

Der zuständige Rechtspfleger entscheidet, ob die Voraussetzungen der Beratungshilfe vorliegen und ob der Berechtigungsschein erteilt wird.

4.2. Nachträglicher Antrag auf Beratungshilfe

Wer ohne Berechtigungsschein für die Beratungshilfe zum Anwalt geht, kann die Beratungshilfe nur noch nachträglich beantragen. Wird diese dann abgelehnt, müssen entweder die Rechtsuchenden die Anwaltskosten selbst tragen, oder der Anwalt bekommt keine Vergütung. Was eintritt, hängt vom Verhalten des Anwalts ab:

  • Versichert der Anwalt, dass ein Anspruch auf Beratungshilfe besteht, und wird der Anwaltsvertrag auf dieser Basis geschlossen, so darf er keine Rechnung mehr stellen und trägt selbst das Risiko einer Ablehnung.
  • Teilt er jedoch vor Beginn seiner Tätigkeit mit, dass die Beratungshilfe abgelehnt werden könnte, mit der Folge, dass der Mandant die Kosten selbst übernehmen muss, so trägt der Mandant die Kosten.

4.2.1. Praxistipps

  • Sie sollten möglichst die Rechtsantragsstelle nicht allein aufsuchen, sondern sich Unterstützung mitnehmen. Denn oft wird die Beratungshilfe auf Grund von Missverständnissen abgelehnt. Behördenbegleitung bieten manche Sozialberatungsstellen von Kirchen oder Vereinen, es kann aber auch schon helfen, einen Freund oder Bekannten oder ein Familienmitglied mitzunehmen.
  • Bringen Sie möglichst alle nötigen Unterlagen für die Beantragung bereits mit. Es ist individuell, welche Unterlagen erforderlich sind, aber die folgenden gehören in der Regel dazu:
    • Kontoauszüge der letzten 3 Monate
    • Gehaltsbescheinigungen der letzten 3 Monate
    • Mietvertrag
    • alle Sozialleistungsbescheide
    • Nachweise zu Ihrem Rechtsproblem (z.B. Ablehnungsbescheid, gegen den Sie vorgehen wollen, Schriftverkehr etc.)
  • Die Beratungshilfe kann mündlich oder schriftlich beantragt werden. Es ist ratsam, die Beratungshilfe zunächst mündlich zu beantragen und wenn dies scheitert, unbedingt auf schriftliche Ablehnung zu bestehen. Will der Rechtspfleger nicht schriftlich ablehnen, weil Sie den Antrag mündlich gestellt haben, bitten Sie darum, den Antrag doch noch schriftlich stellen zu dürfen. Weisen Sie darauf hin, dass Sie gegen die Ablehnung Erinnerung (siehe unten) einlegen möchten.
  • Bei der nachträglichen Beratungshilfe ist das Risiko so hoch, die Kosten selbst tragen zu müssen, dass Sie das nur tun sollten, wenn es gar nicht anders geht. Wenn es möglich ist, suchen Sie die Rechtsantragstelle persönlich zu den Öffnungszeiten auf. In vielen Fällen kann der Berechtigungsschein dann sofort mitgenommen werden.
  • Anwälte sind grundsätzlich verpflichtet, ein Beratungshilfemandat zu übernehmen, obwohl sie damit oft nicht nur keinen Gewinn machen, sondern sogar auf einigen mit dem Mandat verbundenen Kosten sitzen bleiben. Ablehnen dürfen Sie ein Beratungshilfemandat trotz Berechtigungsschein aber, wenn sie zeitlich oder fachlich überfordert wären. Sollten Sie keine Kanzlei finden, die ihr Beratungshilfemandat annimmt, können Sie Hilfe bei der jeweils zuständigen Rechtsanwaltskammer bekommen. Die Kontaktdaten der örtlichen Rechtsanwaltskammern finden Sie bei der Bundesrechtsanwaltskammer zum Download unter www.brak.de/die-brak/regionale-kammern/.
  • Anwaltskanzleien sind nicht verpflichtet dazu, für Sie Beratungshilfe zu beantragen und der Aufwand lohnt sich für die Kanzleien nicht. Das bedeutet, dass Sie den Antrag in der Regel selbst stellen müssen.

5. Öffentliche Rechtsberatung

In Bremen und Hamburg gibt es keine Beratungshilfe in Rechtsanwaltskanzleien. Statt dessen gibt es öffentliche Stellen für eine Rechtsberatung. Dort arbeiten Rechtsanwälte gegen Aufwandsentschädigung. Eine freie Anwaltswahl ist in diesen Bundesländern im Rahmen der Beratungshilfe nicht möglich.

In Berlin besteht Wahlrecht zwischen öffentlicher Rechtsberatung und Beratungshilfe in einer selbstgewählten Anwaltskanzlei.

5.1. Bremen

Die öffentliche Rechtsberatung bietet die Arbeitnehmerkammer Bremen (Informationen, Kontaktdaten und Öffnungszeiten unter www.arbeitnehmerkammer.de > Über uns > Beratungsangebot > Öffentliche Rechtsberatung) an.

5.2. Hamburg

In Hamburg gibt es nur die Öffentliche Rechtsauskunft (ÖRA). Im Internet ist sie zu finden unter www.hamburg.de/oera/.

6. Erinnerung gegen die Ablehnung der Beratungshilfe

Wird die Beratungshilfe vom zuständigen Rechtspfleger des Amtsgerichts abgelehnt, so muss die rechtsuchende Person das nicht hinnehmen. Dagegen ist nämlich ein Rechtsmittel möglich. Es heißt Erinnerung. Die Erinnerung muss schriftlich eingereicht werden und begründet werden. Dann entscheidet darüber ein Richter.

Lehnt dieser Richter dann die Beratungshilfe erneut ab, kann dagegen nur noch eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingelegt werden. Es hatten schon viele solche Verfassungsbeschwerden Erfolg. Für eine Verfassungsbeschwerde kann Prozesskostenhilfe gewährt werden.

6.1. Praxistipps

  • Bei der Ablehnung der Beratungshilfe muss auf die Möglichkeit der Erinnerung hingewiesen werden. Doch in der Praxis passiert das oft nur, wenn die Ablehnung schriftlich erfolgt. Oftmals wird auch eine mündliche Ablehnung als "keine Ablehnung" sondern nur als "Hinweis, dass ein Antrag keinen Sinn ergibt" bezeichnet, weshalb auch keine Erinnerung dagegen möglich sei. Oder ein faktisch ablehnendes Schreiben wird nur als "Hinweis dazu, was vor einer Entscheidung noch versucht werden muss" bezeichnet.
  • Immer wenn Ihnen die Beratungshilfe ohne Hinweis auf die Möglichkeit der Erinnerung abgelehnt wird, bestehen Sie daher auf eine schriftliche Ablehnung, gegen die Sie dann vorgehen können.
  • Die Erinnerung können Sie wie folgt formulieren: "Hiermit lege ich Erinnerung ein gegen die Ablehnung der Beratungshilfe vom (Datum) unter dem Aktenzeichen xxx. Begründung: xxx Datum, Unterschrift".
  • Lassen Sie sich den Eingang der Erinnerung schriftlich bestätigen.

7. Wer hilft weiter?

  • Die Rechtsantragsstellen der Amtsgerichte
  • Rechtsanwaltskanzleien
  • In Bremen, Hamburg und Berlin die öffentliche Rechtsberatung

8. Verwandte Links

Prozesskostenhilfe und Verfahrenskostenhilfe

Widerspruch im Sozialrecht

 

Gesetzesquellen: BerHG

Letzte Bearbeitung: 29.10.2021

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