Wer als Betroffener mit einer Entscheidung eines Sozialversicherungsträgers nicht einverstanden ist, kann dagegen Widerspruch einlegen und klagen, denn viele Bescheide der Träger (z.B. Krankenkasse, Rentenversicherung, Berufsgenossenschaft, Agentur für Arbeit und Versorgungsamt) haben weitreichende finanzielle Folgen. Dabei ist die Verfahrensreihenfolge zu beachten: Widerspruch, Klage, Berufung und Revision. Grundsätzlich fallen keine Gerichtsgebühren an. Bei Bewilligung von Beratungshilfe und Prozesskostenhilfe kann ein Rechtsbeistand kostenfrei hinzugezogen werden.
Widerspruch kann ein Betroffener kostenfrei einlegen, wenn er mit der Entscheidung einer Behörde nicht einverstanden ist. Üblicherweise enthält jeder Verwaltungsakt einer Behörde eine sog. Rechtsbehelfsbelehrung, aus der hervorgeht, in welcher Form und Frist, sowie bei welcher Behörde der Widerspruch einzulegen ist. Die Behörde überprüft dann selbst noch einmal ihre Entscheidung auf Fehler und gibt dem Widerspruch oft statt. Wird der Widerspruch ganz oder teilweise abgelehnt, so erlässt die Behörde einen sog. Widerspruchsbescheid. Gegen den Widerspruchsbescheid ist eine Klage möglich. Vor einer Klage muss grundsätzlich erst Widerspruch eingelegt werden (Vorverfahren), weil erst nach einem erfolglosen Widerspruch eine Klage zulässig ist. Durch das Widerspruchsverfahren werden die Gerichte entlastet.
Nähere Informationen über das Widerspruchsverfahren sowie einen Musterwiderspruch gibt es unter Widerspruch.
Das Sozialgericht bildet die 1. Instanz der Sozialgerichtsbarkeit. Eine Klage kann schriftlich oder zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle des zuständigen Sozialgerichts eingelegt werden. Wer unsicher ist, wie eine Klage geschrieben werden soll, sollte die Rechtsantragsstelle aufsuchen und bekommt dort Unterstützung.
Im Sozialrecht fallen für Versicherte, Menschen mit Behinderungen und Sozialleistungsberechtigte keine Gerichtskosten an. Allerdings können Anwaltskosten anfallen, die nur bei einer gewonnenen Klage von der Behörde erstattet werden müssen. Es besteht bei einer Klage kein Anwaltszwang, d.h. der Prozess kann auch komplett kostenfrei ohne einen Rechtsanwalt geführt werden.
Wer anwaltliche Hilfe benötigt, aber sie sich nicht leisten kann, kann beim Sozialgericht formlos schriftlich oder zur Niederschrift bei der Rechtsantragsstelle einen Antrag auf Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts stellen. Hierzu erhalten die Antragsteller dann beim Sozialgericht ein Formular oder das Sozialgericht schickt es per Post. Manche Gerichte bieten es auch zum Download im Internet an.
Bei Klagen im Sozialrecht fordert das Sozialgericht oft medizinische Unterlagen ein und fordert dafür ei ne Schweigepflichtsentbindung und eine Auflistung der behandelnden Kliniken und Ärzte. Manchmal holt es auch medizinische Gutachten ein. Betroffene bekommen dann einen Termin mit einem Sachverständigen, der das Gutachten daraufhin erstellt.
Die Klage endet oft mit einem Urteil oder einem Beschluss des zuständigen Sozialgerichts. Häufig wird auch ein Vergleich geschlossen. Das ist eine Einigung zwischen dem Kläger und der beklagten Behörde, die eine Gerichtsentscheidung überflüssig macht. Gegen ein Urteil kann Berufung vor dem jeweiligen Landessozialgericht eingelegt werden, gegen Beschlüsse des Gerichts heißt das Rechtsmittel Beschwerde.
Achtung: In manchen Fällen des Sozialrechts ist das Sozialgericht nicht zuständig, sondern das Verwaltungsgericht. Das ist z.B. beim BAföG und bei Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe der Fall. Welches Gericht für eine Klage zuständig ist, steht auf dem Widerspruchsbescheid in der Rechtsbehelfsbelehrung.
Das Landessozialgericht ist die 2. Instanz der Sozialgerichtsbarkeit. Wenn ein Betroffener mit einem Sozialgerichtsurteil der 1. Instanz nicht einverstanden ist, kann er Berufung vor dem Landessozialgericht einlegen. Form und Frist stehen in der Rechtsmittelbelehrung des Urteils. Bei einer Berufung besteht ebenfalls kein Anwaltszwang. Es gelten die gleichen Regeln zu den Kosten wie bei einer Klage.
Die Berufung endet mit einem Urteil oder Beschluss des zuständigen Landessozialgerichts. Auch die 2. Instanz kann mit einem Vergleich enden. Gegen ein Berufungsurteil kann Revision vor dem Bundessozialgericht eingelegt werden.
Ist die 1. Instanz das Verwaltungsgericht, so ist die 2. Instanz das Landesverwaltungsgericht.
Sollte das Berufungsurteil eines Landessozialgerichts nicht im Interesse des Betroffenen sein, kann er Revision vor dem Bundessozialgericht in Kassel einlegen. Das Bundessozialgericht bildet die 3. und letzte Instanz. Auch hier stehen Form und Frist in der Rechtsmittelbelehrung.
Es besteht Anwaltszwang, d.h. der Prozess muss durch einen Rechtsanwalt oder Verbandsvertreter geführt werden. Die Revision endet mit einem abschließenden Urteil oder Beschluss des Bundessozialgerichts, wogegen kein weiteres Rechtsmittel eingelegt werden kann. Auch in der letzten Instanz ist noch ein Vergleich möglich.
Verletzt ein Urteil der letzten Instanz Grundrechte, kommt noch eine Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht in Betracht. Im Sozialrecht kann man z.B. dann eine Verfassungsbeschwerde einlegen, wenn das Recht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum verletzt wird.
Ist die 2. Instanz das Landesverwaltungsgericht, so ist die 3. Instanz das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig.
Im außergerichtlichen Bereich, also auch im Widerspruchsverfahren, erhalten Betroffene Beratungshilfe, wenn sie anwaltliche Hilfe benötigen, aber sich diese nicht leisten können.
Auch wenn es um ein sozialrechtliches Verfahren geht, kann der Berechtigungsschein für die Beratungshilfe nicht beim Sozialgericht beantragt werden, sondern immer nur beim Amtsgericht.
Ausnahmen:
Näheres unter Beratungshilfe.
Wer vor Gericht anwaltliche Hilfe benötigt, aber sie nicht bezahlen kann, kann dafür Prozesskostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts beantragen. Der Antrag ist beim zuständigen Sozialgericht bzw. Verwaltungsgericht schriftlich oder zur Niederschrift in der Rechtsantragsstelle zu stellen.
Die gewährte Prozesskostenhilfe muss, falls die Voraussetzungen der Gewährung wegfallen, innerhalb von 4 Jahren ganz oder teilweise zurückgezahlt werden. Veränderungen der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse müssen Betroffene deshalb in dieser Zeit von sich aus dem Gericht anzeigen, das die Prozesskostenhilfe bewilligt hat.
Die oben genannten Verfahren müssen in der dafür vorgesehenen Frist eingeleitet werden. Wird eine Frist ohne Verschulden versäumt, kann ein Antrag auf Wiedereinsetzung gestellt werden. Das gilt z.B. wenn Menschen wegen eines unerwarteten Krankenhausaufenthalts ihre Post nicht öffnen konnten. Es gelten in der Regel die folgenden Fristen:
Gesetzesquelle: Sozialgerichtsgesetz (SGG)