Der Begriff Sterbehilfe wird zwar viel verwendet, doch in der öffentlichen Diskussion vermischen sich die Begrifflichkeiten häufig. Nachfolgend eine kurze Begriffsklärung.
Die passive Sterbehilfe ist rechtlich gebilligt. Sie beschreibt in der Palliativmedizin die Form des begleitenden Sterbenlassens.
Ist passive Sterbehilfe in einer Patientenverfügung gewünscht, bedeutet dies, dass lebensverlängernde Maßnahmen unterlassen bzw. abgebrochen werden. Passive Sterbehilfe heißt nicht "Nichtstun": Es werden weiterhin lindernde (= palliative) Maßnahmen durchgeführt, z.B. Schmerzlinderung und umfassende Pflege.
Leitsatz des Urteils des Bundesgerichtshofs (XII ZB 2/03 vom 17.3.2003):
"Ist der Patient einwilligungsunfähig und hat sein Grundleiden einen irreversiblen tödlichen Verlauf angenommen, so müssen lebenserhaltende oder -verlängernde Maßnahmen unterbleiben, wenn dies seinem zuvor - etwa in Form einer Patientenverfügung - geäußerten Willen entspricht. Aus Gründen der Menschenwürde und des Selbstbestimmungsrechts ist der Wille des Patienten zu respektieren."
Mit einem weiteren Grundsatzurteil vom 25.6.2010 hat der Bundesgerichtshof das Selbstbestimmungsrecht von Patienten gestärkt (Az. 2 StR 454/09):
Danach "kommt es nicht darauf an, ob der Abbruch lebensverlängernder Maßnahmen durch aktive Handlungen erfolgt, wie beispielsweise durch das Entfernen eines Ernährungsschlauchs. Die Einwilligung eines Patienten rechtfertige nicht nur den Behandlungsabbruch durch bloßes Unterlassen, sondern auch durch aktives Tun, das der Beendigung oder Verhinderung einer vom Patienten nicht oder nicht mehr gewollten Behandlung dient." Entscheidend sei allein der Wille des Patienten. Hierbei zählten nicht nur schriftliche Patientenverfügungen, sondern auch mündlich geäußerte Wünsche und damit der mutmaßliche Wille des Patienten.
Ärzte dürfen diesem Urteil zufolge auch dann lebensverlängernde Maßnahmen abbrechen, wenn der unmittelbare Sterbevorgang noch nicht begonnen hat.
Auch die indirekte Sterbehilfe ist rechtlich erlaubt, wenn sie im Sinne der Inkaufnahme des vorzeitigen Todes erfolgt. Sie wird auch als "Therapie am Lebensende" bezeichnet, die Bundesärztekammer lehnt den Begriff "indirekte Sterbehilfe" mittlerweile sogar ab.
Beispiel: Der Patient erhält im Sterbevorgang schmerzlindernde Medikamente mit dem ausschließlichen Ziel der Schmerzlinderung - und nicht mit der Absicht der Lebensverkürzung. Die Lebensverkürzung wird dann als Nebenwirkung der Schmerzlinderung lediglich billigend in Kauf genommen.
Aktive/Direkte Sterbehilfe ist in Deutschland als tatsächlicher Eingriff zur Lebensbeendigung verboten und darf vom Arzt auch dann nicht durchgeführt werden, wenn sie in der Patientenverfügung als Wunsch formuliert ist.
Aktive/Direkte Sterbehilfe liegt dann vor, wenn z.B. eine Überdosis Morphium in dem Bewusstsein verabreicht wird, dass der Patient dadurch unmittelbar stirbt.
Aktive/Direkte Sterbehilfe ist unter Strafe gestellt: z.B. als "Totschlag" (§ 212 StGB) oder als "Tötung auf Verlangen" des Patienten (§ 216 StGB).
Beim Suizid (Selbsttötung) nimmt der Patient die entscheidende aktive Tötungshandlung vor, indem er z.B. selbst Medikamente mit tödlicher Wirkung einnimmt. Beihilfe (assistierter Suizid) bedeutet, dass eine andere Person diese Mittel besorgt und/oder sie so zubereitet, dass der Patient sie aufnehmen kann.
Die Beihilfe zum Suizid wurde im Dezember 2015 rechtlich präziser geregelt (§ 217 StGB):
Seit dem 26.2.2020 ist die Beihilfe zur Selbsttötung nicht nur für Angehörige und nahestehende Personen, sondern auch für Dritte wie z.B. Sterbehilfevereine oder Ärzte straffrei, da § 217 StGB für nichtig erklärt wurde. Nach der neuen Rechtssprechung umfasst das allgemeine Persönlichkeitsrecht auch das Recht auf selbstbestimmtes Sterben, weshalb nun die Assistenz von Dritten bei der Selbsttötung in Anspruch genommen werden kann - auch wenn sie die Assistenz wiederholt leisten. Es werden weitere Regelungen vom Bundestag zur Beihilfe zum Suizid erwartet, z.B. in Form einer Warte- oder Beratungspflicht.
Informationen und Begründung zum Urteil unter www.bundesverfassungsgericht.de > Suchbegriff: "12/2020".