Die Hauptformen von Essstörungen sind Magersucht, Bulimie und Binge-Eating-Störung, aber mindestens genauso häufig und gefährlich sind Mischformen (atypische Essstörungen) wie z.B. eine Magersucht ohne Untergewicht. Daneben gibt es seltenere Essstörungen wie z.B. Orthorexie, oder das Pica-Syndrom. Die Ursachen und Risikofaktoren sind vielfältig und umfassen z.B. gesellschaftliche und biologische Faktoren wie Stigmatisierung von Übergewichtigen, ADHS oder Autismus. Essstörungen werden mit Psychotherapie und ggf. ergänzenden Medikamenten behandelt. Besonders bei Magersucht ist oft eine stationäre Therapie und / oder eine Therapie in einer Tagesklinik nötig.
Bei der Magersucht (Anorexia nervosa oder Anorexie) schränken Betroffene die Nahrungsaufnahme stark ein und nehmen immer weiter ab. Ihre Körperwahrnehmung ist verzerrt (sog. Körperschemastörung).
Viele Betroffene machen außerdem extrem viel Sport, verwenden Appetitzügler und / oder Abführmittel oder bringen sich absichtlich zum Erbrechen.
Die Diagnose Magersucht wird erst ab einem Körpergewicht mindestens 15 % unter dem für Geschlecht, Größe und Alter zu erwartenden Gewicht (bei Erwachsenen BMI 17,5) gestellt, aber Betroffene sollten sich bereits Hilfe suchen, wenn sich ihre Gedanken nur noch ums Essen drehen und die Angst vor bestimmten Nahrungsmitteln und einer Gewichtszunahme das Leben stark beeinflussen.
Magersucht tritt häufig bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf, kann aber auch im mittleren oder hohen Erwachsenenalter als sog. Spätanorexie auftreten oder schon bei Kindern vor der Pubertät.
Durch den Gewichtsverlust und die Mangelernährung kann es zu schwerwiegenden körperlichen Schäden bis hin zum Tod kommen.
Bei der Bulimie (Bulimia nervosa oder Ess-Brech-Sucht) kommt es zu regelmäßigen Essanfällen, bei denen oft extreme Nahrungsmengen verzehrt werden, die gesunde Menschen sich schwer vorstellen können. Menschen mit Bulimie ergreifen Maßnahmen, um einer Gewichtszunahme durch die Essanfälle entgegenzuwirken, und versuchen meist, außerhalb der Essanfälle durch ein stark kontrolliertes Essverhalten abzunehmen.
Unterschieden werden:
Die Bulimie hat neben den seelischen Konsequenzen (Depressionen, Selbsthass, soziale Isolation usw.) auch körperliche Folgen wie z.B.: Elektrolytentgleisung durch Erbrechen, Abführmittelmissbrauch und Fehlernährung, Vergrößerung der Speicheldrüsen (sog. Hamsterbacken), durch die Magensäure bedingte Zahnschmelzdefekte, Verdauungsprobleme, Verhornungsmale an den Handrücken durch das selbst herbeigeführte Erbrechen, Kreislaufprobleme und Herzrhythmusstörungen.
Die Binge-Eating-Störung (BES oder BED = Binge Eating Disorder) äußert sich durch wiederholte Essanfälle wie bei der Bulimie. Betroffene ergreifen aber keine Gegenmaßnahmen (z.B. Erbrechen, Abführmittelmissbrauch, exzessiver Sport oder Fasten), um eine Gewichtszunahme zu verhindern. In der Folge sind viele übergewichtig oder adipös (BMI > 30), was körperliche Folgeerkrankungen nach sich ziehen kann.
Atypische Essstörungen sind genauso gefährlich wie Anorexie, Bulimie oder die Binge-Eating-Störung. Doch es sind nicht alle Diagnose-Kriterien einer dieser 3 klassischen Diagnosen erfüllt.
Atypische Essstörungen sind schwer zu erkennen, aber ihre Behandlung ist genauso wichtig. Während z.B. starkes Untergewicht bei einer medizinischen Untersuchung schnell auffällt, bleiben Symptome einer atypischen Magersucht mit Normalgewicht eher unsichtbar.
In den letzten Jahren beschäftigt sich die Medizin viel mehr mit den atypischen Essstörungen. Sie sind wahrscheinlich sogar häufiger als die Essstörungen, die einer klassischen Diagnose entsprechen.
Sonstige Essstörungen sind z.B. die Orthorexie, bei der ein Zwang vorliegt, gesund zu essen oder bestimmte Nahrungsmittel zu vermeiden, und das Pica-Syndrom, bei dem eigentlich nicht essbare Dinge wie z.B. Erde oder Papier gegessen werden.
Besonders gefährlich sind Essstörungen, wenn sie im Zusammenhang mit Diabetes auftreten. Gleichzeitig kommen Essstörungen bei Diabetes häufiger vor als bei Menschen ohne Diabetes. Das unregelmäßige Essverhalten macht eine gute Einstellung des Blutzuckerspiegels oft unmöglich, was schwere Folgen haben kann. Leicht kann es zu Stoffwechselentgleisungen wie schwerer Unterzuckerung oder einem diabetischen Koma kommen.
Manche Menschen mit Diabetes zeigen nicht nur das typische Verhalten von Bulimie, Magersucht, Binge-Eating oder Mischformen dieser Essstörungen: Um abzunehmen, reduzieren sie bewusst ihre Insulindosis oder lassen das Insulin weg und riskieren dadurch schwere Folgeschäden und Stoffwechselentgleisungen, die lebensgefährlich sein können. Das Verhalten heißt Insulin-Purging.
Näheres zu Stoffwechselentgleisungen und Folgeschäden unter Diabetes > Symptome - Behandlung - Hilfen.
Alle Essstörungen betreffen häufiger Mädchen und Frauen als Jungen und Männer. Am stärksten ist der Unterschied bei der Magersucht und am schwächsten bei der Binge-Eating-Störung. Bei Jungen und Männern werden Essstörungen deshalb oft später oder gar nicht erkannt, besonders bei Magersucht und Bulimie. Denn sie entsprechen nicht der üblichen Vorstellung von einer essgestörten Person.
Essstörungen haben vielfältige Ursachen. Der Charakter der betroffenen Person, das Verhalten der Eltern, gesellschaftliche Einflüsse (z.B. Schönheitsideale, Stigmatisierung und Diskriminierung von übergewichtigen Menschen) und körperlich-biologische Faktoren (z.B. hormonell und / oder genetisch) wirken meist zusammen. Beispiele für körperlich-biologische Risikofaktoren sind ADHS, Diabetes, Autismus, Übergewicht vor der Essstörung und Essanfälle nach strengen Diäten.
Es gibt eine im Internet organisierte Bewegung unter den Selbstbezeichnungen "Pro Ana" und "Pro Mia". Das Bundesinstitut für Öffentliche Gesundheit bietet dazu einen warnenden Flyer zum Download unter www.bzga-essstoerungen.de > Weiter Informationen > Materialien > Flyer: Wer ist Ana? Verherrlichung von Essstörungen im Internet. Demnach verharmlosen und verherrlichen entsprechende Internetangebote Magersucht (Anorexie) und Bulimie, stellen sie als Lifestyle dar, sind gefährlich und fördern Essstörungen.
In der Wissenschaft werden diese Seiten allerdings differenzierter beurteilt: Diese Internet-Angebote sind einerseits gefährlich, weil sie oft einen negativen Einfluss auf das Essverhalten nehmen, können andererseits aber auch soziale Unterstützung bieten, Betroffene aus ihrer Isolation holen und psychisch stabilisieren.
Links zu Texten mit einer differenzierten Sicht auf Pro Ana und Pro Mia:
Essstörungen werden vor allem mit Psychotherapie behandelt.
Menschen mit einer Essstörung sollten nach einer ggf. nötigen stationären Therapie eine ambulante Psychotherapie machen. Manchmal reicht eine ausschließlich ambulante Psychotherapie aus. Das geht aber bei Magersucht deutlich seltener als bei Bulimie oder Binge-Eating. Die Krankenkasse übernimmt die Kosten einer notwendigen Psychotherapie mit einem anerkannten Psychotherapieverfahren. Die Suche nach einem ambulanten Therapieplatz ist oft schwierig und es gibt lange Wartezeiten. Wenn lange keine Therapie bei einer Kassenpraxis möglich ist, muss die Krankenkasse aber die Behandlung in einer Privatpraxis übernehmen. Näheres unter Psychotherapie.
Eine (teil-)stationäre Therapie sollte durchgeführt werden, wenn die Essstörung mit einer hohen körperlichen Gefährdung einhergeht, wenn eine ambulante Therapie nicht ausreicht oder wenn der psychische Zustand oder die soziale Situation der Person mit der Essstörung es erfordern. Oft sind auch mehrere stationäre Aufenthalte nötig (sog. Intervallbehandlung).
Nach einer stationären Therapie ist der Übergang von einer Klinik in den Alltag häufig sehr schwierig und führt nicht selten zu Rückfällen. Hier kann eine teilstationäre Therapie in einer Tagesklinik sinnvoll sein. Tageskliniken bieten tagsüber eine ähnlich intensive Unterstützung wie in einer stationären Klinik, aber wer dort behandelt wird, kehrt abends und am Wochenende ins gewohnte Umfeld zurück. So können Menschen mit einer Essstörung sich nach und nach an den Alltag außerhalb einer Klinik herantasten. Eine teilstationäre Therapie ist auch ohne vorherigen Klinikaufenthalt möglich. Allerdings gibt es nicht überall Tageskliniken, so dass diese Option nicht allen Menschen mit Essstörungen offen steht.
Essstörungen können nicht rein medikamentös behandelt werden, aber Medikamente können die Psychotherapie ergänzen.
Beispiele:
Das Therapienetz Essstörung bietet umfangreiche Informationen für Betroffene, Angehörige und pädagogisches Personal.
Telefon: 089 720 13678-0 (Mo–Do 8–18 Uhr, Fr 8–16 Uhr)
Fax: 089 720 13678-11
E-Mail: beratung@tness.de
www.tness.de
Essstörungen BZgA (Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung) informiert und berät online, vor Ort sowie telefonisch unter der Nummer 0221 892031 (Mo–Do 10–22 Uhr, Fr–So 10–18 Uhr)
E-Mail: essstoerung@bzga.de
www.bzga-essstoerungen.de