Wer durch Essstörungen wie z.B. Magersucht (Anorexie), Bulimie oder Binge-Eating unter Einschränkungen im Alltag leidet, kann diese Einschränkungen als Behinderung anerkennen lassen, um Zugang zu bestimmten Hilfen und Nachteilsausgleichen zu bekommen. Hierzu ist ein Antrag auf Feststellung des Grads der Behinderung (GdB) nötig. Ob ein GdB anerkannt wird und wie hoch der GdB ausfällt, ist bei Essstörungen sehr unterschiedlich. Es hängt von den individuellen psychischen und körperlichen Auswirkungen und deren Folgen auf den Alltag ab. Ab einem GdB von 50 liegt eine anerkannte Schwerbehinderung vor und ein Schwerbehindertenausweis kann ausgestellt werden.
Unterstützung und Hilfen für Menschen mit Behinderungen sind hauptsächlich im SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen – geregelt. Nachfolgend Links zu den allgemeinen Regelungen:
Da Essstörungen zu den seelischen Störungen gehören, kann bei Kindern, Jugendlichen und jungen Volljährigen ein Anspruch auf Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen bestehen oder bei Erwachsenen auf Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung, auch wenn (noch) kein GdB festgestellt wurde. Mehr zu finanziellen Leistungen und Sachleistungen bei Essstörungen unter Essstörungen > Finanzielle Hilfen.
Eine Tabelle mit den GdB-abhängigen Nachteilsausgleichen zum kostenlosen Download unter nachteilsausgleiche-gdb.pdf.
Ab einem GdB von 50 liegt eine Schwerbehinderung vor und ein Schwerbehindertenausweis kann ausgestellt werden, mit dem verschiedene Vergünstigungen in Anspruch genommen werden können, Näheres unter Schwerbehindertenausweis.
Die Diagnose einer Essstörung allein ist noch keine Behinderung. Eine Behinderung ist es erst, wenn eine sog. Teilhabebeeinträchtigung dazu kommt. Teilhabe bedeutet gleichberechtigt und selbstbestimmt am Alltagsleben in allen Bereichen teilnehmen zu können, z.B. die Schule besuchen zu können, eine Ausbildung absolvieren zu können, berufstätig sein zu können, selbstbestimmt wohnen zu können und soziale Kontakte haben zu können. Näheres unter Behinderung.
Das Versorgungsamt (je nach Bundesland kann es auch anders heißen, z.B. „Amt für soziale Angelegenheiten”) stellt den GdB mit Hilfe der sog. Versorgungsmedizinischen Grundsätze fest. Diese enthalten Anhaltswerte über die Höhe des GdB bei verschiedenen Krankheiten, Beeinträchtigungen und psychischen Störungen, Näheres unter Grad der Behinderung.
Direkt zu Essstörungen steht aber nichts in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen. Wie immer, wenn eine Diagnose nicht direkt in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen erwähnt ist, wendet das Amt die Angaben zu Krankheiten, Beeinträchtigungen oder Störungen an, die dort aufgeführt sind und ähnliche Auswirkungen haben.
Ob Betroffene wegen Essstörungen einen GdB bekommen und wie hoch er ist, hängt vom Einzelfall ab. Die Auswirkungen von Essstörungen betreffen sowohl die Psyche als auch den Körper, so dass in der Regel nebeneinander sowohl Angaben zu psychischen Störungen als auch zu körperlichen Gesundheitsstörungen herangezogen werden müssen, um die Behinderung durch eine Essstörung richtig erfassen zu können.
Das Amt ermittelt deswegen zuerst für jede Folge der Essstörung einen Einzel-GdB. Die Einzel-GdBs werden nicht zusammengezählt, sondern es zählt zunächst nur der Bereich mit dem höchsten GdB. Danach erhöht das Amt den Gesamt-GdB nur, wenn durch die weiteren Symptome die Beeinträchtigung insgesamt höher ist, als nur durch das Symptom mit den größten Auswirkungen. Der Gesamt-GdB gibt nämlich an, wie sehr ein Mensch insgesamt durch alle Krankheiten und Normabweichungen in seiner gesellschaftlichen Teilhabe eingeschränkt ist.
Für die psychischen Auswirkungen zählen die Ausführungen in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen im Abschnitt zu den "Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen".
Das Amt orientiert sich an der Einteilung in folgender Tabelle:
Stärke der Behinderung | GdB |
Leichtere Störungen | 0–20 |
Stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit:
|
30–40 |
Schwere Störungen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten:
|
50–70 |
Schwere Störungen mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten:
|
80–100 |
Bei Essstörungen liegen häufig weitere psychische Störungen vor, z.B. Depressionen, Zwänge, Persönlichkeitsstörungen, Angststörungen oder PTBS (Posttraumatische Belastungsstörung). Für sie wird in der Regel kein zusätzlicher Einzel-GdB ermittelt, weil diese Störungen auch zu den "Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen" zählen. Sie werden bei der GdB-Feststellung meist gemeinsam bewertet, auch wenn verschiedene Diagnosen nebeneinander bestehen.
Auch neurologische Besonderheiten wie z.B. ADHS oder Autismus kommen bei Menschen mit Essstörungen häufiger vor. Dafür sollte das Amt einen eigenen Einzel-GdB ermitteln, weil dazu extra etwas in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen steht.
Essstörungen können unterschiedliche körperliche Auswirkungen haben, für die das Amt jeweils ein Einzel-GdB ermitteln sollte.
Beispiele:
Die Versorgungsmedizin-Verordnung mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen als Anlage zu § 2 finden Sie in ständig aktualisierter Form unter www.gesetze-im-internet.de/versmedv/index.html oder als übersichtliche Broschüre mit einer erläuternden Einleitung zum PDF-Download beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter www.bmas.de > Suchbegriff: "K710".