Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen

1. Das Wichtigste in Kürze

Bei Kindern und Jugendlichen und unter zusätzlichen Voraussetzungen auch bei jungen Volljährigen mit seelischen Behinderungen, sind die Jugendämter für die Eingliederungshilfe zuständig (§ 35a SGB VIII, deshalb auch 35a-Hilfe genannt). Eine seelische Behinderung liegt vor, wenn psychische Störungen oder Verhaltensstörungen dazu führen, dass ein junger Mensch in seiner Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Beispielsweise können Angststörungen, Depressionen, Psychosen, Autismus, ADHS oder Essstörungen dazu führen, dass die Betroffenen die Schule nicht ohne Hilfe besuchen können, mit den Eltern nicht zurecht kommen oder ihren Freizeitbeschäftigungen nicht nachkommen können. Es besteht dann ein Rechtsanspruch auf vielfältige ambulante wie auch stationäre Hilfen von der Schulbegleitung oder Freizeitassistenz bis hin zur Unterbringung in einer heilpädagogischen Einrichtung.

Hier geht es um Eingliederungshilfe vom Jugendamt. Meistens sind aber für die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung nicht die Jugendämter, sondern die Träger der Eingliederungshilfe zuständig. Eine genaue Abgrenzung finden Sie unten.

2. Voraussetzungen der Eingliederungshilfe vom Jugendamt

Die Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII, sog. 35a-Hilfe, erhalten Kinder, Jugendliche und junge Volljährige unter folgenden drei Voraussetzungen:

  • Abweichung der seelischen Gesundheit von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand
  • mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als 6 Monate
  • dadurch verursachte Beeinträchtigung oder drohende Beeinträchtigung der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft

Die Abweichung der seelischen Gesundheit und ihre voraussichtliche Dauer muss mit einer fachlichen Stellungnahme (siehe unten) nachgewiesen werden. Die Beeinträchtigung oder drohende Beeinträchtigung der Teilhabe muss das Jugendamt selbst feststellen.

Auf die Leistungen besteht bis zum 21. Geburtstag ein Rechtsanspruch, das heißt, wenn die Voraussetzungen vorliegen, muss die Leistung auch bewilligt werden. Geschieht das nicht, kann der Anspruch eingeklagt werden.

Für junge Volljährige bis zum 21. Geburtstag müssen allerdings zusätzlich die Voraussetzungen der Hilfe für junge Volljährige vorliegen. Liegen diese nicht oder nicht mehr vor, ist statt des Jugendamts der Träger der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX zuständig. Seit Juni 2021 hat das Jugendamt die Pflicht, für einen nahtlosen Übergang bei diesem Zuständigkeitswechsel zu sorgen.

Vom 21. bis zum 27. Geburtstag soll in begründeten Einzelfällen das Jugendamt die Leistungen weiterfinanzieren.

Näheres unter Hilfe für junge Volljährige.

2.1. Abweichung der seelischen Gesundheit

Abweichungen der seelischen Gesundheit sind z.B.:

  • Autismus-Spektrum-Störungen (inklusive Asperger-Syndrom)
  • ADHS
  • Teilleistungsstörungen (Lagasthenie, Dyskalkulie)
  • Essstörungen
  • Angststörungen (Phobien, Zwänge, Trennungsangst, Schulangst usw.)
  • Depressionen und Manien
  • Psychosen (insbesondere Schizophrenie)
  • Persönlichkeitsstörungen
  • Suchterkrankungen (insbesondere Alkoholabhängigkeit, Drogenabhängigkeit)

Teilleistungsstörungen sind zwar aus medizinischer Sicht Abweichungen der seelischen Gesundheit (Fachausdruck ist "umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten"), aber aus rechtlicher Sicht sind es eher "geistige Beeinträchtigungen". Damit die Eingliederungshilfe gewährt wird, muss deshalb zu der reinen Teilleistungsstörung noch eine sog. sekundäre Neurotisierung dazu kommen. Sekundäre Neurotisierung bedeutet, dass es durch die Teilleistungsstörung zu seelischen Problemen gekommen ist, für die eine eigene medizinische Diagnose gestellt werden kann. Beispiele für sekundäre Neurotisierung sind eine über das normale Maß hinausgehende Schulangst, andere Angststörungen, Anpassungsstörungen und Depressionen.

Wenn eine Teilleistungsstörung die Teilhabe in der Schule und in der Gemeinschaft mit Gleichaltrigen beeinträchtigt, liegt in aller Regel auch eine sekundäre Neurotisierung vor.

ADHS ist aus medizinischer Sicht klar eine Abweichung der seelischen Gesundheit und keine Teilleistungsstörung oder Intelligenzminderung. Trotzdem verlangen viele Jugendämter neben ADHS eine weitere Diagnose im Sinne einer sekundären Neurotisierung. Dieses Vorgehen ist rechtlich umstritten. Deshalb kann sich ein Widerspruch und ggf. eine Klage gegen eine Ablehnung wegen fehlender "sekundärer Neurotisierung" lohnen.

Bei Autismus können neben einer Abweichung der seelischen Gesundheit auch Schwierigkeiten mit dem Sprechen, Wahrnehmungsstörungen und/oder eine Intelligenzminderung vorliegen. Autismus gilt daher in manchen Fällen als reine seelische Behinderung und das Jugendamt ist für die Eingliederungshilfe zuständig. In anderen Fällen gilt er hingegen als sog. Mehrfachbehinderung (auch geistig bzw. körperliche Behinderung) und der Träger der Eingliederungshilfe ist zuständig. Näheres siehe unten unter "Abgrenzung zur Eingliederungshilfe nach dem SGB IX".

2.2. Fachliche Stellungnahme zur Abweichung des seelischen Gesundheitszustands

Die Abweichung des seelischen Gesundheitszustands wird von Fachkräften der folgenden Berufsgruppen festgestellt:

  1. Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie
  2. Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten
  3. Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen
  4. Ärzte oder psychologische Psychotherapeuten, die über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügen

Das Jugendamt muss deshalb, wenn Leistungen nach § 35a SGB VIII in Betracht kommen oder beantragt wurden, immer eine Stellungnahme einer solchen Fachkraft einholen. Oft tun sie das, indem sie die Eltern auffordern, die Stellungnahme zu besorgen.

Wenn Eltern die fachliche Stellungnahme einholen, müssen sie beachten:

  • Die Stellungnahme wird nur akzeptiert, wenn sie von einer der oben genannten Fachkräfte stammt.
  • In der Stellungnahme müssen alle festgestellten seelischen Abweichungen mit medizinischen Diagnosen nach der ICD-10 mit den dazugehörigen Diagnosecodes angegeben sein. Die ICD-10 ist das Diagnosehandbuch, das medizinische Fachkräfte auch für die Abrechnung mit den Krankenkassen verwenden.
  • Wenn nur eine Hauptdiagnose angegeben wird, kann es sein, dass das Jugendamt wegen angeblich fehlender sekundärer Neurotisierung den Antrag auf Eingliederungshilfe ablehnt, weshalb auch alle Nebendiagnosen aufgeführt sein müssen.
  • In der Stellungnahme sollte auch stehen, dass keine körperlichen oder geistigen Beeinträchtigungen die Eingliederungshilfe nötig machen, damit klar ist, dass das Jugendamt zuständig ist, besonders bei einer Autismus-Diagnose.
  • Die fachliche Stellungnahme soll eigentlich nur die medizinisch/psychologische Seite betreffen, während das Jugendamt die Teilhabebeeinträchtigung selbst feststellen muss. In der Praxis ist es aber sehr sinnvoll, wenn darin auch schon etwas zur Teilhabebeeinträchtigung steht. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Antrag auf Eingliederungshilfe bewilligt wird.

2.3. Teilhabebeeinträchtigung

Teilhabebeeinträchtigungen können in verschiedenen Lebensbereichen auftreten:

  • in der Familie
  • bei Sozialkontakten
  • im Kindergarten, in der Schule, in der Ausbildung oder im Beruf
  • in der Eigenverantwortlichkeit und Alltagsbewältigung
  • in der Freizeit

Für einen Anspruch auf Eingliederungshilfe reicht es aus, wenn in nur einem Lebensbereich die Teilhabe beeinträchtigt ist oder wenn die Beeinträchtigung droht. Beispiele: Ein Jugendlicher kommt in der Schule gut zurecht, kann aber nicht ohne Hilfe Freizeitbeschäftigungen nachgehen. Ein Kind erlebt Mobbing in der Schule, kommt aber sonst mit seiner seelischen Abweichung gut zurecht.

Ob und inwiefern die Teilhabe beeinträchtigt ist, wird im Hilfeplanverfahren festgestellt. Näheres unter Jugendamt und Teilhabeplanverfahren.

2.4. Drohende Teilhabebeeinträchtigung

Eine drohende Teilhabebeeinträchtigung setzt voraus, dass

  • nach fachlicher Erkenntnis
  • mit hoher Wahrscheinlichkeit
  • zu erwarten ist, dass die Teilhabe ohne Hilfe beeinträchtigt sein wird.

In der Praxis kommt diese "fachliche Erkenntnis" meistens aus der Stellungnahme, die auch die Abweichung des seelischen Gesundheitszustands feststellt. Während die Abweichung des seelischen Gesundheitszustands nur von den oben aufgezählten Fachkräften festgestellt werden kann, gilt das hier aber nicht. Hier darf also auch die Einschätzung anderer Fachkräfte herangezogen werden, z.B. die einer Lehrkraft, ein allgemeinmedizinisches Gutachten, die Stellungnahme einer Kita oder der Bericht einer Frühförderstelle.

3. Aufgabe und Ziel der Eingliederungshilfe vom Jugendamt

Aufgabe der Eingliederungshilfe ist:

  • eine individuelle Lebensführung, die der Würde des Menschen entspricht zu ermöglichen,
  • volle, wirksame und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu fördern,
  • Betroffene zu befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können.

Ziel der Eingliederungshilfe ist die Inklusion in der Gesellschaft. Die individuellen Ziele der Eingliederungshilfe werden vom Jugendamt mit dem Betroffenen und seinen Bezugspersonen erarbeitet und im Hilfeplan festgeschrieben.

4. Abgrenzung zur Eingliederungshilfe nach dem SGB IX

Die Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen nach dem SGB VIII wird durch das Jugendamt erbracht, wenn eine seelische Behinderung vorliegt.

Hat das Kind oder der Jugendliche eine körperliche oder geistige Behinderung, sind die Träger der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach dem SGB IX zuständig.

Bei Mehrfachbehinderungen ist die Zuständigkeit folgendermaßen geregelt:

  • Braucht der Betroffene die konkrete Hilfe allein wegen der seelischen Behinderung, ist das Jugendamt (§ 35a SGB VIII) zuständig.
  • Braucht der Betroffene die konkrete Hilfe auch wegen der körperlichen oder geistigen Behinderung, ist der Träger der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX zuständig.

Beispiel: Ein Kind hat eine Teilhabebeeinträchtigung wegen ADHS (seelische Behinderung) und wegen Epilepsie (körperliche Behinderung)

Situation A

Situation B

Sowohl wegen ADHS als auch wegen einer Epilepsie besteht ein Anspruch auf Eingliederungshilfe in Form von Schulbegleitung.

Nur das ADHS begründet einen Anspruch auf Eingliederungshilfe in Form von Schulbegleitung, die Epilepsie nicht. Es treten nur Anfälle auf, die keine Schulbegleitung erforderlich machen.

Folge: Träger der Eingliederungshilfe nach dem SGB IX ist zuständig.

Folge: Jugendamt ist zuständig.

 

Streitigkeiten über die Zuständigkeit, müssen die Kostenträger im Rahmen einer Kostenerstattung klären, Näheres siehe Rehabilitation > Zuständigkeit unter "Zuständigkeitsklärung".

4.1. Geplante Änderung der Zuständigkeit

Das Kinder- und Jugendstärkungsgesetz (KJSG) sieht vor, dass die Jugendämter ab 2028 immer für die Eingliederungshilfe zuständig werden, auch, wenn die jungen Menschen eine körperliche und/oder geistige Behinderung haben. Allerdings ist der Anspruch auf Eingliederungshilfe vom Jugendamt bei körperlichen und geistigen Behinderungen im KJSG noch nicht geregelt. Dafür ist ein Bundesgesetz geplant, das bis Ende 2026 erlassen werden soll.

4.1.1. Verfahrenslotsen

Vorbereitend werden für die Zeit vom 1.1.2024 bis zum 31.12.2027 sog. Verfahrenslotsen eingeführt. Diese sollen die Jugendämter darauf vorbereiten, ab 2028 die Eingliederungshilfe auch für junge Menschen mit körperlichen und geistigen Behinderungen zu erbringen. Die wichtigste Aufgabe der Verfahrenslotsen ist es jedoch, Kinder und Jugendliche mit (drohender) Behinderung und deren Familien zu unterstützen und zu begleiten, egal ob es eine körperliche, geistige oder seelische Behinderung ist. Verfahrenslotsen sind unabhängig und helfen den jungen Menschen mit Behinderungen dabei, ihr Recht auf Eingliederungshilfe durchzusetzen.

Zu den Aufgaben der Verfahrenslotsen zählen u.a.:

  • Informationen zur Verfügung stellen, z.B. auf Veranstaltungen, Flyern, Homepages und in den sozialen Medien
  • Beratung anbieten, z.B. in Familien- und Jugendzentren oder per Videosprechstunde
  • Unterstützung und Begleitung, z.B. um den Bedarf eines jungen Menschen mit Behinderung festzustellen, oder bei Anträgen und der Formulierung von Widersprüchen
  • Vermittlung von Ansprechpersonen

Nähere Informationen zu den Verfahrenslotsen bietet das Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht e.V. (DIJuF) unter https://dijuf.de > Handlungsfelder > Inklusives SGB VIII > Verfahrenslotse.

Es ist geplant, dass es die Verfahrenslotsen auch noch nach 2027 geben soll, aber das ist noch nicht gesetzlich geregelt.

5. Formen der Eingliederungshilfe

Für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen bietet die Kinder- und Jugendhilfe sehr vielfältige Hilfeformen:

Anspruch besteht auf alle Hilfen, die geeignet und notwendig sind, um die Ziele der Eingliederungshilfe zu erreichen. Welche konkreten Leistungen einem jungen Menschen zustehen, wird in einem pädagogischen Prozess in Zusammenarbeit mit allen Beteiligten und mehreren Fachkräften ausgehandelt und dann festgelegt. Über die Eingliederungshilfe können auch ungewöhnliche und neuartige Hilfen gewährt werden, wenn nur diese den Bedarf decken können.

Beispiele

  • Frühförderung von Kindern mit Behinderungen, soweit nicht von der Krankenkasse finanziert
  • heilpädagogische Kindertagesstätten
  • Schulbegleitung (Inklusionsassistenz)
  • Finanzierung privater Schulen und Internate oder von Einzelunterricht, wenn anderweitig keine Beschulung möglich ist
  • Freizeitassistenz
  • Alltagsassistenz
  • Assistenz bei der Ausbildung und beim Berufseinstieg
  • Sozialtraining
  • betreutes Wohnen
  • Unterbringung in einer Pflegefamilie (Vollzeitpflege)
  • Heimunterbringung
  • Beratung
  • Coaching

6. Kosten

Die ambulanten Hilfen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII sind für die Betroffenen und ihre Familien kostenfrei.

Bei stationären und teilstationären Leistungen müssen die Eltern und der junge Mensch abhängig von Einkommen und Vermögen einen Kostenbeitrag leisten. Hierzu fordert das Jugendamt dann eine Erklärung zur wirtschaftlichen Situation in einem Formular.

7. Antrag

Die Leistungen der Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII können beim Allgemeinen Sozialdienst (ASD) des Jugendamts vor Ort beantragt werden. Hierzu ist es sinnvoll, zunächst dort anzurufen und einen persönlichen Termin zu vereinbaren. Bei guter Zusammenarbeit mit dem Jugendamt legt der Sachbearbeiter des ASD den Eltern alle nötigen Unterlagen vor und hilft bei der Antragstellung. Oft finden die Familien beim ASD eine offene und freundliche Atmosphäre vor.

Bei Problemen ist es hingegen ratsam, einen formlosen schriftlichen Antrag auf Leistungen nach § 35a SGB VIII zu stellen. Diesem Antrag sollten dann medizinische und psychologische Gutachten oder Befundberichte beigelegt werden, welche die Abweichung der seelischen Gesundheit klar belegen. Wichtig ist, dass diese von Fachkräften stammen, die die Abweichung der seelischen Gesundheit feststellen dürfen (siehe die Liste oben). Günstig wirkt es sich aus, wenn solche Fachkräfte bestimmte Hilfen empfehlen oder sogar für erforderlich erklären.

Ein schriftlicher Antrag sollte möglichst persönlich in der Behörde abgegeben werden. Hilfreich ist es, zur Antragsabgabe eine Kopie des Antrags mitzubringen und sich auf der Kopie den Eingang bestätigen zu lassen.

Volljährige müssen die Leistungen selbst beantragen. Bis zum 15. Geburtstag müssen die Sorgeberechtigten den Antrag für ihr Kind stellen. Zwischen dem 15. und 18. Geburtstag können sowohl die Sorgeberechtigten als auch der junge Mensch selbst den Antrag stellen.

8. Weitere Leistungen des Jugendamts für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen

8.1. Unterhaltsleistungen

Das Jugendamt ist für die Unterhaltsleistungen (Unterhaltsleistungen Jugendamt) zuständig, wenn dem jungen Menschen Hilfe außerhalb des Elternhauses gewährt wird (§ 39 Abs. 1 SGB VIII), nicht bei ambulanten Eingliederungshilfen.

8.2. Taschengeld

Ein Taschengeld (Barbetrag) steht dem jungen Menschen bei vollstationären Eingliederungshilfen persönlich zur Verfügung (§ 39 Abs. 2 SGB VIII). Taschengeld gibt es nicht bei ambulanten Eingliederungshilfen. Die Höhe setzen die Landesbehörden fest.

8.3. Krankenhilfe

Krankenhilfe (§ 40 SGB VIII) wird geleistet, wenn für den jungen Menschen kein Krankenversicherungsschutz besteht (in der Regel über die Familienversicherung abgedeckt). Krankenhilfe wird nur bei Heimerziehung und Vollzeitpflege gewährt, nicht bei ambulanten oder teilstationären Eingliederungshilfen.

Der Leistungsumfang entspricht der Gesundheitshilfe des Sozialamts.

9. Praxistipp

Wenn die Aushandlung mit dem Jugendamt scheitert und der Bedarf eines jungen Menschen nicht, nicht ausreichend oder nicht rechtzeitig gedeckt wird, kann ein Widerspruch gegen einen ablehnenden Bescheid und ggf. eine Klage oder ein Antrag auf einstweilige Anordnung (gerichtliches Eilverfahren) an das Verwaltungsgericht vor Ort Erfolg versprechen. Obwohl es sich um Sozialrecht handelt ist, ausnahmsweise nicht das Sozialgericht zuständig.

In Eilfällen können Eltern sich die Leistung auch selbst beschaffen, also z.B. selbst eine Schulbegleitung einstellen. Wegen hoher formaler Anforderungen sollte hierfür möglichst schon vorab anwaltliche Hilfe in Anspruch genommen werden, und wenn das nicht möglich ist unabhängige Teilhabeberatung.

10. Wer hilft weiter?

Individuelle Auskünfte erteilt das Jugendamt durch den Allgemeinen Sozialdienst (ASD).

Vorab und während des gesamten Hilfeplanverfahrens sowie auch danach kann kostenfrei unabhängige Teilhabeberatung in Anspruch genommen werden. Sie hilft auch dann weiter, wenn es Schwierigkeiten mit dem Jugendamt gibt.

11. Verwandte Links

Kinder- und Jugendhilfe

Sozialpädiatrische nichtärztliche Leistungen

Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen

Leistungen zur sozialen Teilhabe

 

Rechtsgrundlagen: §§ 35a, 39, 40 SGB VIII - Kapitel 6 des Teils 1 SGB IX - § 90 SGB IX - Kapitel 3 bis 6 des Teils 2 SGB IX

Letzte Bearbeitung: 19.01.2024

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