Bürgergeld > Erreichbarkeit

1. Das Wichtigste in Kürze

Beim Bürgergeld gelten seit 1.7.2023 statt der vorherigen Regeln zur Ortsabwesenheit weniger strenge Regeln zur Erreichbarkeit im sog. näheren Bereich. Wer diese aber nicht einhält, bekommt weiterhin überhaupt keine Leistungen vom Jobcenter, auch nicht für die Wohnung (Kosten der Unterkunft) und die Kranken- und Pflegeversicherung.

2. Regelung zur Erreichbarkeit

Seit 1.7.2023 müssen erwerbsfähige Leistungsberechtigte in der Regel für das Jobcenter erreichbar sein, um Anspruch auf Bürgergeld zu haben, das heißt, die Erreichbarkeit ist eine sog. Leistungsvoraussetzung. Wer nicht erreichbar ist, bekommt überhaupt kein Bürgergeld, also nicht nur keinen Regelsatz, sondern auch keine Kosten der Unterkunft und Heizung und keine Kranken- und Pflegeversicherung. Bis 30.6.2023 führte stattdessen der Aufenthalt außerhalb des sog. zeit- und ortsnahen Bereichs ohne Zustimmung des zuständigen Jobcenters zu einem Leistungsausschluss.

3. Voraussetzungen der Erreichbarkeit

Erreichbarkeit setzt voraus:

  • Aufenthalt im sog. näheren Bereich: Möglichkeit, das zuständige Jobcenter, einen möglichen Arbeitgeber oder den Ort einer Maßnahme im Landkreis oder der Stadt, für die das Jobcenter zuständig ist, aufzusuchen
    • in für den Vermittlungsprozess angemessener Zeit
      und
    • ohne unzumutbaren Aufwand
      und
    • auf eigene Kosten, z.B. darf ein Zugticket nicht zu teuer für die betroffene Person sein,
      und
    • bei Aufenthalt im Ausland: nur im grenznahen Bereich
      und
  • Möglichkeit, an jedem Werktag (auch Samstag) Mitteilungen und Aufforderungen des Jobcenters zur Kenntnis zu nehmen (Beispiel: Es reicht, wenn ein Nachbar an jedem Werktag zuverlässig den Briefkasten leert und Fotos der Briefe per E-Mail schickt)

4. Ausnahmen von der Pflicht zur Erreichbarkeit

  1. Vorherige Zustimmung des Jobcenters zur Abwesenheit
    und
  • wichtiger Grund für die Abwesenheit, insbesondere:
    • medizinische Maßnahme zur Vorsorge oder Rehabilitation z.B. eine stationäre Kur
    • kirchliche oder gewerkschaftliche Veranstaltung
    • Veranstaltung im öffentlichen Interesse
    • Abwesenheit um Arbeit oder eine Ausbildung zu finden, z.B. für ein Vorstellungsgespräch
    • Ehrenamt, durch das die Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit nicht wesentlich beeinträchtigt wird,
      oder
  • für in der Regel höchstens 3 Wochen im Kalenderjahr, wenn keine wesentliche Beeinträchtigung der Eingliederung in Ausbildung oder Arbeit durch die Abwesenheit entsteht,
    oder
  • für in der Regel höchstens 3 Wochen im Kalenderjahr für Nicht-Erwerbstätige, die auch nicht arbeitslos sind (z.B. während der Elternzeit oder bei Schulbesuch von Minderjährigen)
  1. Abwesenheit wegen der Erwerbstätigkeit (z.B. Arbeit an einem entfernten Ort, Dienstreisen)

Die hier genannten wichtigen Gründe stehen im Gesetz, aber das sind nur Beispiele. Auch andere Gründe können als wichtig anerkannt werden.

Wer dem Jobcenter das Verlassen des näheren Bereichs nicht mitteilt – außer wenn es wegen der Erwerbstätigkeit ist – und trotzdem weiter Leistungen bezieht, macht sich in der Regel wegen Sozialleistungsbetrugs strafbar.

5. Erreichbarkeitsverordnung

Seit 7.8.2023 gilt die Erreichbarkeitsverordnung. Sie ergänzt das Gesetz und klärt, was dort nicht genau geregelt ist.

Sie enthält unter anderem folgende Regelungen:

  • Bürgergeldbeziehende dürfen sich in der Regel in einem Bereich aufhalten, von dem aus sie innerhalb von 2,5 Stunden das zuständige Jobcenter erreichen können.
  • Der grenznahe Bereich im Ausland ist das Gebiet, das höchstens 30 km von der deutschen Grenze entfernt ist.
  • Die Unterstützung von Angehörigen bei der Geburt eines Kindes oder bei der Pflege und der Tod eines Angehörigen gelten als wichtiger Grund für Nichterreichbarkeit, aber nur wenn es die Eingliederung in Arbeit nicht wesentlich beeinträchtigt.
  • Eine Erwerbstätigkeit, die ganz oder zum Teil mit fehlender Erreichbarkeit einhergeht, muss angemeldet werden und ist nur zustimmungsfrei, wenn das voraussichtliche Einkommen über der Minijobgrenze liegt.

Dabei gibt es folgende Probleme:

  • Dass Abwesenheit für eine Erwerbstätigkeit nur oberhalb der Minijobgrenze als wichtiger Grund gelten soll, kann vermutlich gar nicht in einer Verordnung geregelt werden, denn wenn eine Verordnung dem Gesetz widerspricht, gilt die Regelung im Gesetz, nicht die in der Verordnung. Im Gesetz steht aber, dass die Abwesenheit wegen einer Erwerbstätigkeit ohne Zustimmung des Jobcenters als wichtiger Grund für Nichterreichbarkeit gilt. Weil im Gesetz keinerlei Einschränkungen stehen, kann damit nur jede Erwerbstätigkeit gemeint sein.
  • Auch die Pflicht, eine fehlende Erreichbarkeit wegen Erwerbstätigkeit anmelden zu müssen, hat vermutlich keine Grundlage im Gesetz, sondern ist eine zusätzliche Einschränkung, die dem Gesetz widerspricht, wonach jede Erwerbstätigkeit ohne Zustimmung des Jobcenters als wichtiger Grund für fehlende Erreichbarkeit gilt.

Hier kann es sich deshalb vielleicht lohnen, wenn die Betroffenen sich gegen Entscheidungen auf Grundlage dieser Regeln in der Erreichbarkeitsverordnung mit Widerspruch und Klage vor dem Sozialgericht wehren. Die Sozialgerichte werden dann klären, welche Regeln in der Verordnung gültig sind, und welche dem Gesetz widersprechen und deshalb nicht gelten.

6. Praxistipps

  • Die Erreichbarkeitsverordnung können Sie unter www.bmas.de > Suchbegriff: Erreichbarkeitsverordnung downloaden.
  • Wenn Sie mit einer Entscheidung des Jobcenters nicht einverstanden sind können Sie kostenlos Widerspruch einlegen und ggf. beim Sozialgericht klagen. Näheres unter Widerspruch im Sozialrecht und Widerspruch Klage Berufung.
  • Auch wenn Sie aus wichtigem Grund nicht fürs Jobcenter erreichbar sein können, brauchen Sie die vorherige Zustimmung des Jobcenters, außer es ist wegen Ihrer Erwerbstätigkeit. Leider sind die Jobcenter aber nicht immer rechtzeitig erreichbar und reagieren nicht immer schnell genug. Dann kann Ihnen ein Eilverfahren beim Sozialgericht weiterhelfen.
  • Wenn Sie beweisen können, dass Sie alles Ihnen Mögliche getan haben, um die Zustimmung des Jobcenters rechtzeitig zu bekommen, aber das nicht geklappt hat, kann ausnahmsweise hinterher ein Gerichtsverfahren gegen eine Streichung Ihres Bürgergelds wegen fehlender Erreichbarkeit Erfolg haben.
  • Wenn Sie zeitweilig ohne Leistungen nach dem SGB II auskommen, z.B. wegen genügend Schonvermögen (Näheres unter Bürgergeld > Einkommen und Vermögen), können Sie sich für eine Reise vom Bezug des ALG II abmelden und nach der Reise erneut Leistungen nach dem SGB II beantragen.
  • Informationen zum Bürgergeld erhalten Sie beim Bürgertelefon des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Telefon: 030 221 911 003, Mo–Do 8–17 Uhr, Fr 8–12 Uhr.

7. Wer hilft weiter?

Die Jobcenter erläutern die Regeln.

Unabhängige Beratung bieten z.B. Erwerbslosenvereine und Sozialberatungen.

8. Verwandte Links

Bürgergeld

Bürgergeld > Kooperationsplan und Leistungsminderungen

Grundsicherung für Arbeitsuchende

Jobcenter

 

Rechtsgrundlagen: § 7b SGB II, Erreichbarkeitsverordnung

Letzte Bearbeitung: 22.08.2023

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