Bürgergeld

1. Das Wichtigste in Kürze

Das Bürgergeld ersetzt seit 1.1.2023 das Arbeitslosengeld II und Sozialgeld der Grundsicherung für Arbeitsuchende (umgangssprachlich Hartz IV). Die Bildungsmöglichkeiten wurden verbessert und es wird weniger Einkommen und Vermögen angerechnet. Es gibt eine 1-jährige Karenzzeit, in der kein Umzug in eine günstigere Wohnung nötig ist und einiges Vermögen behalten werden darf. Die Sanktionen heißen jetzt Leistungsminderungen und sind von Beginn an in verfassungsgemäßer Höhe von höchsten 30 % des sog. Regelsatzes möglich. Die Regelsätze sind gestiegen, z.B. für Alleinstehende aktuell auf 563 € im Monat.

Hinweise:

  • Die Jobcenter dürfen übergangsweise das Bürgergeld noch Arbeitslosengeld II und Sozialgeld nennen, da die Umstellung aller Formulare und Textbausteine einige Zeit in Anspruch nimmt.
  • Für Bewilligungszeiträume mit Beginn ab 1.7.2023 muss das Jobcenter Sie auf das vorrangige Wohngeld verweisen, wenn Sie damit Ihre Hilfebedürftigkeit vermeiden können. Für Bewilligungszeiträume, die den 31.12.2022 einschließen oder in der Zeit vom 1.1.2023 bis 30.6.2023 begonnen haben, darf es das aber nicht, wegen der Übergangsregelung des § 85 SGB II.

2. Voraussetzungen des Bürgergelds

Um Bürgergeld zu erhalten, müssen unter anderem folgende Voraussetzungen erfüllt werden:

  • Alter: 15 Jahre bis Erreichen der Altersgrenze der Regelaltersrente. Für Menschen, die nach dem 31.12.1946 geboren sind, wird die Altersgrenze monatlich stufenweise auf 67 Jahre angehoben.
  • Erwerbsfähigkeit, d.h. mindestens 3 Stunden täglich arbeiten zu können. Näheres unter Erwerbsminderung.
  • Hilfebedürftigkeit, d.h. der Lebensunterhalt kann weder aus eigenem Einkommen und Vermögen noch durch Unterstützung Dritter oder aus vorrangigen Sozialleistungen bestritten werden.
  • Gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland.
  • Erreichbarkeit für das Jobcenter, insbesondere für Termine und Vermittlung in Arbeit oder Maßnahmen.

Näheres zu den Voraussetzungen unter Grundsicherung für Arbeitsuchende.

3. Umfang und Höhe des Bürgergelds

Das Bürgergeld soll das Existenzminimum für ein Leben in Würde decken. Die Höhe wird berechnet, indem die Bedarfe addiert werden und das anrechenbare Einkommen und Vermögen davon abgezogen wird.

Folgende Bedarfe werden anerkannt:

  • Pauschalierte Regelbedarfe (= Pauschale für den Lebensbedarf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts), Näheres unter Regelsätze
  • Kosten der Unterkunft und Heizung (KDU)
  • Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung
  • Bedarf für Bildung und Teilhabe von Kindern und Jugendlichen (BuT), Näheres unter Teilhabe- und Bildungspaket
  • Mehrbedarfe in besonderen Lebenssituationen, z.B. für Alleinerziehende oder bei kostenaufwändiger Ernährung
  • Einmalige Bedarfe, z.B. für die Erstausstattung nach der Geburt eines Kindes oder bei Bezug der ersten Wohnung

Näheres unter Bürgergeld > Umfang und Höhe.

4. Anrechnung von Einkommen und Vermögen

Bei Bezug von Bürgergeld neben einer Erwerbstätigkeit wird das monatliche Einkommen vom Bürgergeld abgezogen. Einkommen aus Erwerbstätigkeit wird allerdings nicht komplett angerechnet:

  • Bei einer unselbstständigen Tätigkeit wird nur das Nettoeinkommen angerechnet.
  • Bei einer Selbstständigkeit wird der Gewinn abzüglich notwendiger Ausgaben für die Sozialversicherung angerechnet.
  • Außerdem wird ein bestimmter Freibetrag nicht angerechnet. Der Freibetrag richtet sich nach der Höhe des Bruttoverdienstes und beträgt im Normalfall 100 € Grundfreibetrag plus 20 % des Bruttoeinkommens zwischen 100 € und 520 € plus 30 % des Einkommens zwischen 520 € und 1.000 € plus 10 % des Einkommens zwischen 1.000 € und 1.200 € bzw. mit Kind 1.500 €.
  • Besondere Freibeträge gibt es seit 1.7.2023 für Jobs neben Schule, Ausbildung und Studium sowie für Ehrenamtliche.

Es gibt einen Vermögensfreibetrag von 15.000 € pro Person. Darüber hinaus werden einige Vermögensbestandteile wie z.B. angemessenes Wohneigentum, ein angemessenes Auto und bestimmte Geldanlagen zur Altersvorsorge nicht angerechnet. Im ersten Jahr des Leistungsbezugs bleiben statt der 15.000 € pro Person bis zu 40.000 € für eine Einzelperson und bis zu 15.000 für jede weitere Person einer Bedarfsgemeinschaft anrechnungsfrei.

Näheres unter Bürgergeld > Einkommen und Vermögen.

5. Kooperationsplan und Leistungsminderungen

Kooperationspläne ersetzen die Eingliederungsvereinbarungen aus Hartz-IV-Zeiten.

Leistungsminderungen ersetzen seit 1.1.2023 die früheren Sanktionen.

  • Leistungsminderungen in Höhe von 10 % des jeweiligen Regelsatzes für einen Monat sind möglich, wenn ein Termin versäumt wurde.
  • Außerdem sind bereits ab Beginn des Leistungsbezugs Minderungen von bis zu 30 % des Regelsatzes möglich, wenn einer schriftlichen Aufforderung zu bestimmten Pflichten, wie z.B. dem Nachweis von Bewerbungen oder der Teilnahme an einer Maßnahme, nicht nachgekommen wurde. Die Minderungshöhe erhöht sich von zunächst 10 % des Regelsatzes beim 1. Verstoß auf 20 % beim 2. und 30 % bei allen weiteren Verstößen.
  • Zur selben Zeit dürfen die Leistungsminderungen nie 30 % des Regelsatzes übersteigen.

Leistungsminderungen sind nicht bei Verstößen gegen Vereinbarungen im Kooperationsplan möglich, sondern nur bei Verstößen gegen schriftliche Aufforderungen des Jobcenters (= Verwaltungsakte).

Näheres unter Bürgergeld > Kooperationsplan und Leistungsminderungen.

6. Versagung wegen fehlender Mitwirkung

Neben den Leistungsminderungen gibt es auch die Möglichkeit, dass das Jobcenter das Bürgergeld wegen fehlender Mitwirkung komplett oder teilweise versagt, z.B. wenn Kontoauszüge nicht rechtzeitig eingereicht werden. Näheres unter Fehlende Mitwirkung.

7. Leistungskürzung wegen Arbeitsverweigerung

Geplant, aber verfassungsrechtlich umstritten, ist die Möglichkeit für die Jobcenter, den Regelsatz für bis zu 2 Monate komplett zu streichen, solange eine konkret verfügbare Arbeit verweigert wird. Die Kosten der Unterkunft sind von der geplanten Kürzung nicht betroffen. Das Gesetzgebungsverfahren läuft. Näheres unter Fehlende Mitwirkung.

8. Karenzzeit

Das 1. Jahr des Bürgergeldbezugs ist die sog. Karenzzeit:

  • In dieser Zeit müssen Bürgergeldbeziehende nicht in eine günstigere und oft kleinere Wohnung ziehen. Die tatsächlichen Kosten der Unterkunft werden anerkannt, nicht nur die angemessenen Kosten der Unterkunft, Näheres unter Kosten der Unterkunft > Angemessenheit. Angemessene Heizkosten für die tatsächliche Wohnungsgröße werden als Bedarf berücksichtigt.
  • Vermögen muss immer angegeben werden, aber wird nur angerechnet, wenn es erheblich ist. Erheblich bedeutet über 40.000 € für eine Einzelperson zuzüglich weiterer 15.000 € für jede weitere Person einer Bedarfsgemeinschaft.

Näheres unter Bürgergeld > Karenzzeit.

9. Weiterbildung und Qualifizierung

Mit der Einführung des Bürgergelds wurde der sog. Vermittlungsvorrang abgeschafft, um mehr Weiterbildung und Qualifizierung zu ermöglichen. Der Vermittlungsvorrang bei „Hartz IV“ bedeutete, dass eine Arbeitsaufnahme Bildungsmaßnahmen vorging. Eine Erwerbstätigkeit wird jetzt nicht mehr vorrangig vor einer Ausbildung gefördert, sondern gleichrangig. Wenn für die dauerhafte Eingliederung eine andere Leistung notwendig ist, kann diese vorrangig vor der direkten Vermittlung in Arbeit oder Ausbildung geleistet werden.

Dadurch soll verhindert werden, dass Menschen nur für kurze Zeit Arbeit finden und dann schon bald wieder Bürgergeld beantragen müssen, weil sie diese wieder verlieren oder es sich von Anfang an nur um kurzfristige Jobs handelt. Die Menschen sollen dauerhaft ohne Bürgergeld ihren Lebensunterhalt verdienen können. Dafür sollen sie die Abschlüsse erwerben können, die sie brauchen, um künftig da zu arbeiten, wo Fachkräfte gebraucht werden.

9.1. Weiterbildungsprämie und Weiterbildungsgeld

Weiterbildungsprämien gibt es für die Teilnahme an einer von der Agentur für Arbeit geförderten beruflichen Weiterbildung unter folgenden Voraussetzungen:

  • Die Weiterbildung führt zu einem Abschluss in einem Ausbildungsberuf.
  • Sie dauert mindestens 2 Jahre.

Höhe der Weiterbildungsprämien:

  • Für die bestandene Zwischenprüfung: 1.000 €
  • Für die bestandene Abschlussprüfung: 1.500 €.

Arbeitslose und Menschen, die mit Bürgergeld aufstocken und eine solche Weiterbildung machen, haben seit 1.7.2023 Anspruch auf monatlich 150 € Weiterbildungsgeld.

9.2. Bürgergeldbonus

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten seit 1.7.2023 für die Teilnahme an bestimmten Bildungs- und Berufsvorbereitungsmaßnahmen und Maßnahmen für „schwer erreichbare“ Jugendliche einen Bürgergeldbonus in Höhe von 75 € monatlich. Näheres unter Grundsicherung für Arbeitsuchende.

9.3. Teilhabechancengesetz

Das zunächst befristete Teilhabechancengesetz, das Lohnkostenzuschüsse und Coaching für Langzeitarbeitslose bietet, gilt jetzt dauerhaft.

9.4. Coaching

Die Jobcenter können seit 1.7.2023 begleitendes Coaching und aufsuchende Sozialarbeit anbieten, um Langzeitarbeitslose bei der Arbeitsaufnahme zu unterstützen. Näheres unter Grundsicherung für Arbeitsuchende.

10. Praxistipps

  • Spezielle Informationen zum Bürgergeld erhalten Sie beim Bürgertelefon des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales. Telefon: 030 221 911 003, Mo–Do 8–17 Uhr, Fr 8–12 Uhr.
  • Der Erwerbslosen- und Sozialhilfeverein Tacheles e.V. bietet praxisrelevante Informationen zum Bürgergeld und eine Adressdatenbank, z.B. zum Auffinden von Beratungsstellen, Erwerbslosen- und Sozialhilfevereinen und Stellen, die Ämterbegleitung anbieten, unter www.tacheles-sozialhilfe.de > Informationen.
  • Das Bürgergeld müssen Sie beim örtlich zuständigen Jobcenter beantragen. Der Antrag wirkt rückwirkend bis zum Ersten des Monats, in dem Sie den Antrag stellen. Antragsformulare gibt es beim Jobcenter, auch für Besonderheiten wie z.B. Mehrbedarfe.
  • Über die Online-Services der Jobcenter können Sie unter anderem einen Online-Antrag auf Bürgergeld stellen, Unterlagen online einreichen und Termine beim Jobcenter vereinbaren. Dafür müssen Sie sich beim Jobcenter oder über die Online-Funktion Ihres Personalausweises registrieren und zunächst Ihre Freischaltung abwarten.
  • Die Leistungen werden in der Regel für 12 Monate bewilligt, außer wenn über den Antrag nur vorläufig entschieden wurde. Wenn Sie länger hilfebedürftig sind, müssen Sie einen Weiterbewilligungsantrag stellen.
  • Wenn Sie Bürgergeld beziehen, werden Sie auf Antrag vom Rundfunkbeitrag befreit und erhalten ggf. eine Telefongebührenermäßigung.
  • Ihre Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts dürfen nicht gepfändet werden. Näheres zum automatischen Pfändungsschutz auf Ihrem Konto unter Basiskonto Pfändungsschutzkonto.

11. Wer hilft weiter?

Für Anträge und Informationen sind die örtlichen Jobcenter zuständig.

12. Verwandte Links

Bürgergeld > Umfang und Höhe

Bürgergeld > Kooperationsplan und Leistungsminderungen

Bürgergeld > Karenzzeit

Bürgergeld > Einkommen und Vermögen

Bürgergeld > Erreichbarkeit

Grundsicherung für Arbeitsuchende

Regelsätze

Bürgergeld > Kosten der Unterkunft

Kosten der Unterkunft

Kosten der Unterkunft > Angemessenheit

Mehrbedarfszuschläge

Teilhabe- und Bildungspaket

Jobcenter

 

Rechtsgrundlagen: SGB II

Letzte Bearbeitung: 11.01.2024

{}Bürgergeld{/}{}{/}