Erwerbsminderungsrente

1. Das Wichtigste in Kürze

Eine Erwerbsminderungsrente (umgangssprachlich oft noch wie früher Erwerbsunfähigkeitsrente oder EU-Rente genannt) soll dabei helfen, den Lebensunterhalt zu sichern. Wer weniger als 3 Stunden täglich arbeiten kann, erhält eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Wer mindestens 3 Stunden, aber nicht mehr als 6 Stunden, arbeiten kann, bekommt eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung.

Eine Berufsunfähigkeit genügt in den meisten Fällen nicht für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. Vielmehr muss die Fähigkeit, irgendeine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben, eingeschränkt sein. Die Erwerbsminderungsrente ist oft befristet. kann aber verlängert werden. Erwerbsminderungsrente muss beantragt werden.

2. Voraussetzungen und Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung

2.1. Reha vor Rente

Eine Rente wegen teilweiser oder voller Erwerbsminderung kommt erst in Betracht, wenn die Erwerbsfähigkeit weder durch medizinische Reha noch durch Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (berufliche Reha) wiederhergestellt werden kann. Der Rentenversicherungsträger lehnt deshalb viele Anträge auf Erwerbsminderungsrente ab und verweist auf vorrangige Leistungen zur Rehabilitation und Teilhabe. Auch wer schon eine Erwerbsminderungsrente bezieht, kann noch zur Reha verpflichtet werden, wenn diese Aussicht auf Erfolg hat.

2.2. Medizinische Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung

Für eine Erwerbsminderungsrente muss die Erwerbsfähigkeit eingeschränkt sein, also die Fähigkeit einer bezahlten Arbeit nachzugehen. Es wird unterschieden zwischen teilweise und voll erwerbsgemindert:

  • Teilweise erwerbsgemindert ist, wer aus gesundheitlichen Gründen auf nicht absehbare Zeit eine berufliche Tätigkeit von mindestens 3 aber weniger als 6 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann.
  • Voll erwerbsgemindert ist, wer aus gesundheitlichen Gründen auf nicht absehbare Zeit eine berufliche Tätigkeit von weniger als 3 Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann.

Näheres unter Erwerbsminderung.

Eine "nicht absehbare Zeit" liegt vor, wenn zu erwarten ist, dass die Leistungseinschränkungen noch mindestens 6 Monate lang vorliegen werden. Es kommt dabei auf einen Blick in die Zukunft an, nicht darauf, wie lange die Leistungseinschränkungen bisher schon bestanden haben.

Die Arbeitsfähigkeit wird anhand ärztlicher Unterlagen beurteilt und ggf. wird ein Gutachten angefordert.

2.3. Erwerbsminderung ist mehr als Berufsunfähigkeit

Wichtig ist dabei, dass es um irgendeine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt geht. Berufsunfähigkeit allein führt nur im Ausnahmefall zu einer Rente wegen Erwerbsminderung, siehe unten im Abschnitt "Teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit". Es kommt darauf an, für wie viele Stunden am Tag noch körperlich leichte und geistig einfache Tätigkeiten möglich sind.

2.4. Arbeitsmarktrente

Es kann auch eine sog. Arbeitsmarktrente gewährt werden. Arbeitsmarktrente ist eine Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen verschlossenem Arbeitsmarkt, obwohl ein Mensch über 3 und unter 6 Stunden in Teilzeit arbeiten könnte. Sie ist nicht direkt im Gesetz geregelt, sondern die Rechtsprechung der Sozialgerichte hat sie entwickelt.

Nach einer Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 1967 gilt der Arbeitsmarkt als praktisch verschlossen, wenn weder der Rentenversicherungsträger noch das zuständige Arbeitsamt (heute die Agentur für Arbeit bzw. das Jobcenter) innerhalb eines Jahres seit Stellung des Rentenantrags einen für die betroffene Person in Betracht kommenden Arbeitsplatz anbieten kann.

2.5. Qualitative Erwerbsminderung

Bei einer Leistungsfähigkeit ab 6 Stunden gibt es keine Arbeitsmarktrente. Wer mehr als 6 Stunden unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, aber wegen gesundheitlichen Einschränkungen keine Arbeit findet, bekommt keine Erwerbsminderungsrente.

Aber viele Menschen haben sog. qualitative Einschränkungen (= Einschränkungen in Bezug auf die Art der noch möglichen Tätigkeit), so dass sie zwar 6 Stunden oder mehr arbeiten können, aber nicht unter den Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts.

Eine Rente wegen rein qualitativer Erwerbsminderung gibt es in folgenden 2 Fällen:

  1. Schwere spezifische Leistungseinschränkungen: Eine einzige Behinderung macht sehr viele Tätigkeiten unmöglich, z.B. Blindheit oder Einarmigkeit.
  2. Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen: Mehrere Behinderungen treffen zusammen, z.B. geistige und körperliche, und machen zusammen sehr viele Tätigkeiten unmöglich. Hierzu zählen auch zusammentreffende gewöhnliche Leistungseinschränkungen mit insgesamt ungewöhnlichen Auswirkungen.

Als gewöhnliche Leistungseinschränkung zählt alles, womit noch körperlich leichte Arbeit möglich ist, z.B.:

  • Hitze, Kälte, Nässe und Zugluft und starke Temperaturschwankungen müssen vermieden werden.
  • Arbeiten ist nur im Sitzen möglich.

Als ungewöhnliche Leistungseinschränkungen zählen z.B.:

  • Notwendigkeit häufiger Pausen
  • Unfähigkeit einen Arbeitsplatz aufzusuchen

Der Rentenversicherungsträger muss in diesen Fällen eine konkrete sog. Vergleichstätigkeit nennen, die noch ausgeführt werden kann, wenn er die Rente wegen Erwerbsminderung ablehnen will. Vergleichstätigkeit kann irgendeine denkbare Beispieltätigkeit sein, die trotz der gesundheitlichen Einschränkungen noch möglich ist. Mit der Ausbildung oder den beruflichen Erfahrungen der versicherten Person braucht sie nichts zu tun haben.

Der Rentenversicherungsträger muss im Zweifel nachweisen, dass es diese Vergleichstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tatsächlich noch gibt und dass die versicherte Person die dafür nötige Qualifikation hat oder sie innerhalb von 3 Monaten erlangen kann.

2.6. Versicherungsrechtliche Voraussetzungen

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente erfüllt, wer

  • vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens 5 Jahre in der Rentenversicherung versichert war (= allgemeine Wartezeit)
    und
  • in den letzten 5 Jahren vor der Erwerbsminderung mindestens 3 Jahre Pflichtbeiträge eingezahlt hat.

2.6.1. Praxistipp

Die Deutsche Rentenversicherung informiert über Ausnahmeregelungen im Zusammenhang mit allgemeiner Wartezeit und Zahlung von Pflichtbeiträgen unter www.deutsche-rentenversicherung.de > Rente > Allgemeine Informationen zur Rente > Rentenarten & Leistungen > Erwerbsminderungsrenten. Hier finden Sie auch Informationen, was genau als Wartezeit angerechnet werden kann, z.B. Zeiten der Kindererziehung, aus einem Minijob, während der Pflege eines Angehörigen oder aus einem Versorgungsausgleich bei Scheidung.

2.6.2. Erwerbsminderungsrente für Menschen mit Behinderungen

Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung hat auch, wer die 5 Jahre allgemeine Wartezeit nicht erfüllt, aber 20 Jahre ununterbrochen voll erwerbsgemindert war (z.B. Beschäftigte in einer Werkstatt für behinderte Menschen, die seit Geburt bzw. Kindheit an einer Behinderung leiden).

Voll erwerbsgemindert ist auch, wer nicht unter den üblichen Bedingungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein kann, sondern

2.6.3. Teilweise Erwerbsminderungsrente bei Berufsunfähigkeit

Versicherte, die vor dem 2.1.1961 geboren sind und in ihrem bisherigen Beruf oder einer sog. zumutbaren Verweisungstätigkeit nur noch weniger als 6 Stunden arbeiten können, bekommen eine teilweise Erwerbsminderungsrente, auch wenn sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt 6 und mehr Stunden arbeiten könnten (§ 240 SGB VI). Hierbei wird auch von Berufsschutz gesprochen.

Welche Tätigkeiten als zumutbare Verweisungstätigkeiten gelten, ist individuell unterschiedlich. Ein leichter beruflicher Abstieg gilt z.B. als zumutbar, ein stärkerer nicht. Hierfür hat die Rechtssprechung ein Stufenschema mit Qualifikationsstufen entwickelt und erkennt in der Regel eine Tätigkeit nur dann als zumutbar an, wenn sie sich auf der gleichen Qualifikationsstufe oder höchstens eine Stufe darunter befindet.

  • 1. Stufe: ungelernte Berufe
  • 2. Stufe: Berufe mit bis zu 2- jähriger Ausbildung
  • 3. Stufe: Berufe mit über 2- jähriger Ausbildung
  • 4. Stufe: Berufe, die einen Fachschulabschluss oder zusätzliche Qualifikationen oder Erfahrung voraussetzen, z.B. Facharbeiter mit Vorgesetztenfunktion gegenüber anderen Facharbeitern, Spezialfacharbeiter oder Meister
  • 5. Stufe: Berufe, die einen Fachhochschulabschluss oder eine mindestens gleichwertige Berufsausbildung voraussetzen
  • 6. Stufe: Hochqualifizierte Berufe, für die in der Regel ein Hochschulstudium oder eine vergleichbare Qualifikation nötig ist

Wer den ursprünglichen Beruf freiwillig aufgegeben und dann etwas anderes gearbeitet hat, genießt keinen Berufsschutz mehr. Wer erfolgreich eine staatlich finanzierte oder bezuschusste Umschulung absolviert hat, kann immer auf den Umschulungsberuf verwiesen werden, auch wenn der sich auf einer viel niedrigeren Stufe befindet als der frühere Beruf.

2.7. Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung

Die Erwerbsminderungsrente muss beantragt werden.

Das Formularpaket für den Antrag kann telefonisch angefordert oder unter www.deutsche-rentenversicherung.de > Rente > Allgemeine Informationen zur Rente > Rentenarten & Leistungen > Erwerbsminderungsrente heruntergeladen werden. Die Rentenversicherung bietet Beratungstermine an, um ggf. offene Fragen zu beantworten und Hilfe bei der Antragstellung zu geben.

2.8. Rente wegen Arbeitsunfall/ Berufskrankheit

Bei Erwerbsminderung aufgrund eines Arbeitsunfalls (dazu gehören auch Wegeunfälle) oder einer Berufskrankheit ist die Unfallversicherung zuständig, Näheres unter Verletztenrente Unfallrente.

2.9. Praxistipps: Erwerbsminderungsrente durchsetzen

  • Erwerbsminderungsrenten werden immer wieder zu Unrecht abgelehnt. Dagegen können Sie mit einem kostenlosen Widerspruch vorgehen und, wenn dieser abgelehnt wird, mit einer ebenfalls kostenlosen Klage.
  • Wenn Sie anwaltliche Hilfe benötigen, sich aber die Anwaltskosten nicht leisten können, können Sie Beratungshilfe für Ihren Widerspruch und Prozesskostenhilfe für Ihre Klage beantragen.
  • Die Rentenversicherung muss Ihnen Ihre Anwaltskosten erstatten, wenn Sie den Streit um Ihre Erwerbsminderungsrente gewinnen.
  • Für den Widerspruch und die Klage besteht kein Anwaltszwang. Das bedeutet, dass Sie ohne anwaltliche Hilfe Widerspruch und Klage einlegen können. Das kann sinnvoll sein, wenn Sie keine Rechtsschutzversicherung und keinen Anspruch auf Beratungshilfe bzw. Prozesskostenhilfe haben und Ihnen das Kostenrisiko zu hoch ist.

3. Dauer der Rente wegen Erwerbsminderung

Die Erwerbsminderungsrente ist in der Regel befristet und wird für längstens 3 Jahre gewährt. Wer die Rente weiterhin braucht, muss einen Verlängerungsantrag stellen.

Eine zeitlich befristete Erwerbsminderungsrente wird frühestens ab dem 7. Monat nach Eintritt der Erwerbsminderung gezahlt.

Unbefristet wird die Rente nur gewährt, wenn keine Verbesserung der Erwerbsminderung mehr absehbar ist; davon ist nach 9 Jahren auszugehen (§ 102 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Ist bereits bei Antragstellung eindeutig, dass es sich um eine unbefristete Erwerbsminderungsrente handelt, wird sie ab dem Monat nach dem Eintritt der Erwerbsminderung gezahlt.

Der Rentenantrag sollte innerhalb von 3 Kalendermonaten nach dem Monat eingereicht werden, in dem die Erwerbsminderung beginnt. Wird die Rente später beantragt, wird sie erst ab dem Antragsmonat gewährt, nicht mehr rückwirkend.

Mit Erreichen der Altersgrenze der Regelaltersrente wird die Erwerbsminderungsrente in eine Regelaltersrente umgewandelt.

3.1. Praxistipp: Rechtzeitiger Verlängerungsantrag

Sie sollten Ihren Verlängerungsantrag mindestens 4 Monate vor Ablauf der Befristung stellen, damit Sie lückenlos Ihre Erwerbsminderungsrente bekommen können.

4. Höhe der Rente wegen Erwerbsminderung

Die Höhe der Erwerbsminderungsrente wird individuell errechnet. Sie ist von mehreren Faktoren abhängig, z.B. Beitragszeiten, Beitragshöhe und Rentenartfaktor. Die monatliche Rentenhöhe (brutto) kann beim Rentenversicherungsträger erfragt werden. Die Höhe der vollen Erwerbsminderungsrente (brutto) kann auch der jährlichen Renteninformation entnommen werden, in der Regel sind dabei die Rentenabschläge berücksichtigt.

Hinweis: Alle Angaben hier gelten auch für die Berechnung und Höhe der Erziehungsrente.

4.1. Zurechnungszeit für eine ausreichende Rentenhöhe

Auch wer in jungen Jahren eine Erwerbsminderungsrente braucht, soll eine ausreichend hohe Rente haben. Darum bekommen diese Menschen eine sog. Zurechnungszeit, d.h.: Ihre Rente wird so hoch angesetzt, als hätten sie länger gearbeitet.

Wie lang die Zurechnungszeit ist, hängt davon ab, wann die Erwerbsgeminderten erstmals Rente wegen Erwerbsminderung bekommen haben (§ 253a SGB VI):

  • Vor 1.7.2014: Zurechnungszeit bis zum Alter von 60 Jahren
  • Ab 1.7.2014: Zurechnungszeit bis zum Alter von 62 Jahren
  • Ab 1.1.2018: Zurechnungszeit bis zum Alter von 62 Jahren und 3 Monaten
  • Ab 1.1.2019: Zurechnungszeit bis zum Alter von 65 Jahren und 8 Monaten
  • Ab 1.1.2020: Zurechnungszeit steigt pro Jahr um je 1 Monat bis 2027 und danach um je 2 Monate
    Unter www.gesetze-im-internet.de/sgb_6/__253a.html stehen in einer Tabelle die Zurechnungszeiten bei Erwerbsminderungsrente mit Beginn 2020 bis 2030.
  • Ab 1.1.2031: Zurechnungszeit bis zum Alter von 67 Jahren

4.2. Zuschläge bei Beginn der Erwerbsminderungsrente vor 2019

Wer in den Jahren 2001 bis 2018 erstmals Erwerbsminderungsrente bekommen hat, bekommt seit dem 1.7.2024 einen Zuschlag. Das soll die kurzen Zurechnungszeiten (siehe oben) für Menschen ausgleichen, die vor 2019 in die Erwerbsminderungsrente eingestiegen sind. Die Höhe des Zuschlags hängt davon ab, wann die Erwerbsminderungsrente begonnen hat:

  • Beginn 1.1.2001 bis 30.6.2014: 7,5 % Zuschlag
  • Beginn 1.7.2014 bis 31.12.2018: 4,5 % Zuschlag

Den Zuschlag gibt es sowohl für die Erwerbsminderungsrente als auch für eine Altersrente, die unmittelbar an die Erwerbsminderungsrente anschließt. Er gilt also auch für Menschen, die am 1.7.2024 keine Erwerbsminderungsrente mehr bekamen, sondern schon eine Altersrente, die unmittelbar an eine Erwerbsminderungsrente angeschlossen hat.

Für die Auszahlung und Berechnung der Zuschläge gilt eine Übergangsregelung, weil sonst die Umstellung für die Rentenversicherung nicht schnell genug möglich gewesen wäre:

  • Der Zuschlag wird bis November 2025 separat überwiesen und ist auf dem Konto als "einmalige Leistung" bezeichnet. Tatsächlich ist es aber eine monatlich wiederkehrende Leistung. Wer z.B. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bekommt, muss den Zuschlag als laufende Rentenerhöhung angeben, nicht als Einmalzahlung.
    Erst ab 1.12.2025 wird der Zuschlag dann direkt zusammen mit der Rente als Gesamtbetrag überwiesen.
  • Außerdem berechnet die Rentenversicherung den Zuschlag bis November 2025 vorläufig vereinfacht auf Grundlage der Netto-Rente im Juli 2024 und erst ab dem 1.12.2025 dann auf Grundlage der persönlichen Entgeltpunkte.

4.3. Rentenabschläge

Erwerbsminderungsrente ohne Abschläge gibt es erst ab einer bestimmten Altersgrenze. Wer schon früher Erwerbsminderungsrente bezieht, muss Abschläge in Höhe von 0,3 % pro Monat vor der Altersgrenze hinnehmen, höchstens aber in Höhe von 10,8 % (§ 77 SGB VI). Diese Rentenkürzung ist dauerhaft, d.h. sie bleibt auch beim Eintritt in eine Altersrente (Rente) bestehen und führt auch nach dem Tod der versicherten Person zu einer Kürzung der Hinterbliebenenrente.

Seit 2012 steigt die Altersgrenze für eine abschlagsfreie Rente von 63 auf 65 Jahre.

Vorgezogene Monate vor dem 63./65.* Geburtstag

Dauerhafte Kürzung der Rente um

1 Monat

0,3 %

2 Monate

0,6 %

3 Monate

0,9 %

4 Monate

1,2 %

...

...

33 Monate

9,9 %

34 Monate

10,2 %

35 Monate

10,5 %

36 Monate und mehr

10,8 %

4.4. Praxistipps

  • Wenn Ihre volle Erwerbsminderungsrente zu niedrig zum Leben ist, können Sie ergänzend Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung beantragen.
  • Ist Ihre teilweise Erwerbsminderungsrente zu niedrig zum Leben, können Sie diese mit Bürgergeld (früher: Arbeitslosengeld II, Hartz IV) aufstocken.
  • Wenn Sie dazu in der Lage sind, können Sie bei Erwerbminderungsrente auch Einiges hinzuverdienen, ohne dass die Rente gekürzt wird. Details siehe unten unter Einkommen.

4.5. Grundrente

Wer langjährig gearbeitet, Kinder erzogen und/oder Angehörige gepflegt hat, kann unter Umständen Anspruch auf einen Zuschlag zur eigenen Rente haben. Näheres dazu unter Grundrente.

Menschen mit einer Rente wegen Erwerbsminderung erreichen allerdings selten die lange Mindestversicherungszeit von 33–35 Jahren, die für den Bezug einer Grundrente Voraussetzung ist.

5. Erwerbsminderungsrente und Einkommen

5.1. Selbstständigkeit

Auch selbstständig Erwerbstätige können eine Erwerbsminderungsrente beanspruchen, wenn sie die versicherungsrechtlichen und medizinischen Voraussetzungen erfüllen. Auf Kosten der Gesundheit selbstständig tätig zu sein, ist rentenunschädlich. Wenn das Einkommen aber die sog. Hinzuverdienstgrenzen überschreitet, wird es teilweise auf die Rente angerechnet, Näheres unter Rente > Hinzuverdienst.

Der Rentenversicherungsträger überprüft dann allerdings ggf. erneut, ob die Feststellungen zur Erwerbsminderung wirklich zutreffen.

5.2. Hinzuverdienst

Die volle Erwerbsminderungsrente wird ungekürzt ausgezahlt, wenn die jährliche Hinzuverdienstgrenze von 18.558,75 € (2024) eingehalten wird. Von einem höheren Hinzuverdienst werden 40 % auf die Rente angerechnet. Jede Erwerbstätigkeit muss dem Rentenversicherungsträger gemeldet werden. Näheres unter Rente > Hinzuverdienst.

Zu beachten ist, dass eine Arbeit von 3 oder mehr Stunden täglich den Anspruch auf volle Erwerbsminderungsrente gefährdet.

Bei der teilweisen Erwerbsminderungsrente gibt es eine Hinzuverdienstgrenze von mindestens 37.117,50 €. Individuell kann die Hinzuverdienstgrenze aber auch höher liegen. Die individuelle Hinzuverdienstgrenze wird beim Rentenversicherungsträger oder z.B. bei einem Rentenberater (Rentenversicherung) berechnet.

5.3. Arbeitserprobung

Seit 1.1.2024 können Bezieher einer Erwerbsminderungsrente durch die sog. Arbeitserprobung testen, ob sie wieder (mehr) arbeiten können. Während eines Zeitraums von in der Regel 6 Monaten können sie eine bestehende Arbeit ausweiten oder eine neue Arbeit aufnehmen, ohne dadurch ihren Rentenanspruch zu gefährden. Ausführliche Informationen bietet die Deutsche Rentenversicherung in der Broschüre "Arbeitserprobung: Aus der Erwerbsminderungsrente zurück in den Beruf" unter www.deutsche-rentenversicherung.de > Über uns & Presse > Broschüren > Alle Broschüren zum Thema "Rente".

6. Praxistipps

  • Wenn Sie voll erwerbsgemindert sind und eine außergewöhnliche erhebliche Gehbehinderung (Merkzeichen G oder Merkzeichen aG) haben, können Sie ggf. einen Mehrbedarfszuschlag von 17 % des Regelsatzes der Sozialhilfe erhalten (§ 30 Abs. 1 SGB XII). Er wird Ihnen bei Bedarf im Rahmen der aufstockenden Grundsicherung bei Erwerbsminderung gewährt.
    Wenn Ihre Rente wegen Erwerbsminderung so hoch ist, dass Sie eigentlich keine Grundsicherung mehr bekommen würden, kann es sein, dass sie allein durch diesen Zuschlag doch Anspruch auf Grundsicherung haben.
  • Vor dem 1. Januar 2009 abgeschlossene Bausparbeträge von Menschen mit voller Erwerbsminderung und deren nicht dauernd getrennt lebenden Ehepartnern können unter Umständen vorzeitig ausgezahlt werden, ohne dass Prämienansprüche verfallen (§ 2 Abs. 3 WoPG 1996).
  • Weitere Informationen und kostenlose Broschüren zur Erwerbsminderungsrente bietet die Deutsche Rentenversicherung unter www.deutsche-rentenversicherung.de > Rente > Allgemeine Informationen zur Rente > Rentenarten & Leistungen > Erwerbsminderungsrenten.
  • Unter bestimmten Voraussetzungen erhalten Menschen mit voller Erwerbsminderung einen Freibetrag bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer (§ 13 Abs. 1 Nr. 6 ErbStG).

7. Wer hilft weiter?

  • Der zuständige Rentenversicherungsträger
  • Beratungsstellen vor Ort, die von den Rentenversicherungsträgern vermittelt werden können

8. Verwandte Links

Rente > Rentenarten

Erwerbsminderung

Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung

Altersrente für schwerbehinderte Menschen

Rentenversicherung

Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit

Rente > Kindererziehungszeiten

Teilzeitarbeit

 

Rechtsgrundlagen: §§ 43, 240 SGB VI

Letzte Bearbeitung: 15.10.2024

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