Im Akutfall wird Tinnitus wie ein Hörsturz mit dem Ziel behandelt, dass die Symptome abklingen. Bei chronischem Tinnitus geht es darum, den Umgang mit den Geräuschen zu lernen und die Lebensqualität zu verbessern. Betroffene sollten zahlreiche beworbene Heilmittel und Heilmethoden kritisch begutachten, bevor sie Geld dafür ausgeben.
Von einem akuten Tinnitus spricht man in den ersten 3 Monaten. Ziel ist hier, das Ohrgeräusch zum Verschwinden zu bringen. Wichtig ist, den akuten Tinnitus möglichst schnell zu behandeln, um eine dauerhafte Schädigung zu vermeiden. Je früher behandelt wird, desto besser die Heilungschancen.
Wenn schon vor dem Tinnitus/Hörsturz Krankheiten vorliegen, die den Tinnitus verstärken können, z.B. Depressionen oder Schwerhörigkeit, muss unbedingt auch deren Therapie mit betrachtet werden.
Auch in der akuten Phase kann bereits Counseling angebracht sein, siehe unten.
Infusionen mit Blutverdünnern (Rheologika) werden von Fachmedizinern nicht mehr eingesetzt, weil es keinen Nachweis für ihre Wirksamkeit gibt, aber Nebenwirkungen bekannt sind. Auch die Wirksamkeit von antiviralen Behandlungen und Sauerstoffdruckbehandlungen sind nicht nachgewiesen.
Stationär, also im Krankenhaus, werden ein Hörsturz oder ein akuter Tinnitus nur noch in der Minderheit der Fälle behandelt. Gründe für eine stationäre Behandlung sind z.B.:
Vor jeder Behandlung sollten andere Ursachen, wie z.B. Ohrenschmalzpfröpfe oder Veränderungen des Mittelohres, ausgeschlossen werden.
Sollte eine organische Ursache des Tinnitus vorliegen und bekannt sein, wird versucht, diese Ursache zu beseitigen. Da die Behandlung aber schnellstmöglich einsetzen sollte, beginnt der Arzt oft mit einer Therapie und führt parallel dazu noch Untersuchungen durch.
Nach 3 Monaten gelten Ohrgeräusche als „chronisch“. Dann wird die Therapie darauf ausgerichtet, dass der Patient sich daran gewöhnt (Habituierung) und sich seine Lebensqualität erhöht. Bei der Mehrheit der Betroffenen gelingt diese Besserung, im besten Fall „vergisst“ der Patient die Geräusche. Am Anfang einer erfolgversprechenden Therapie steht immer die ganzheitliche Aufklärung und Beratung (Counseling), dann können weitere Behandlungsansätze erprobt werden.
Tinnitus-Counseling beginnt in der Regel mit einer Schilderung von Symptomen, Krankheitsvorstellungen und Belastungen. Angesprochen werden die Situationen, in denen der Tinnitus besonders belastet und in denen er als erträglich erlebt wird sowie mögliche Begleiterkrankungen (sog. Komorbiditäten).
Vorrangiges Ziel des Counseling ist die Gewöhnung an den Tinnitus, nicht die Beendigung. Betroffenen wird Fachwissen vermittelt, um die Erkrankung besser zu verstehen und zusätzlichen Stress durch falsche oder bedrohliche Vorstellungen zu vermeiden. Anschließend geht es um die individuelle Tinnitus-Bewältigung. Dabei werden die medizinischen Befunde und die Alltagserfahrungen des Patienten einbezogen.
Tinnitus-Counseling ist anspruchsvoll und sollte nur von Ärzten und Psychotherapeuten durchgeführt werden, die ausgewiesene Tinnitusspezialisten sind. Zum Counseling gehört auch die Kenntnis über und Beratung zu alternativen Therapien und neuesten Forschungserkenntnissen.
Wenn der Tinnitus mit Schwerhörigkeit (auch einseitiger) einhergeht, muss dies untersucht und ggf. therapiert werden (Hörgerät). Bei starker Schwerhörigkeit oder gar Ertaubung sind Cochlea Implantate eine wirksame Behandlung. Hierdurch kann neben dem Ausgleich des Hörverlustes auch eine gute Tinnitushabituation erreicht werden.
Vorhandene Hörgeräte müssen überprüft werden. Näheres zu Kosten unter Hörhilfen.
Der Deutsche Schwerhörigenbund bietet nach vorherigem Kontakt per Mail eine Hörberatung an, um weitere Therapiemöglichkeiten zu besprechen. Näheres unter www.schwerhoerigen-netz.de > Beratung > Hörberatung.
Wenn der Tinnitus auf Veränderungen der Halswirbelsäule reagiert, sollte sie untersucht und entsprechend therapiert werden, z.B. mit Physiotherapie, Osteopathie oder muskulärem Feedback.
Wenn das Kauen oder andere Kieferbewegungen den Tinnitus beeinflussen, sollte dies untersucht und ggf. vom Kieferorthopäden therapiert werden.
Entgegen vielen Hoffnungen gibt es bis heute keinen Nachweis, dass ein Medikament oder Nahrungsergänzungsmittel chronische Ohrgeräusche reduziert. Auch für Ginkgo Biloba, für Betahistin oder eine Kortisonbehandlung ist bei chronischem Tinnitus keine Wirksamkeit nachgewiesen.
Helfen können Medikamente nur dann, wenn sie Zusatzerkrankungen beeinflussen, z.B. Antidepressiva bei Depression.
Die Habituation geht wie die Tinnitus-Retraining-Therapie (siehe unten) davon aus, dass die Geräusch-Fehlmeldungen gelernt sind und es also auch möglich ist, diesen Lernprozess wieder rückgängig zu machen, so dass die Betroffenen die Geräusche weniger wahrnehmen: Mit Hilfe von kognitiver Therapie wird gelernt, das Geräusch weniger wichtig zu nehmen. Diese „kognitive Desensibilisierung“ kann die Geräusche erträglicher machen oder zum völligen Ignorieren führen. Ein anerkanntes Verfahren ist hier die tinnitusspezifische, kognitive verhaltensmedizinische Therapie (KVT), die auch in Studien eine hohe Wirksamkeit nachweisen konnte.
Mittlerweile recht bekannt ist die Tinnitus-Retraining-Therapie. TRT wird von einem Therapeutenteam durchgeführt: HNO-Arzt, Psychotherapeut und Hörgeräteakustiker. Die Therapie hat folgende Bausteine:
TRT ist in der Regel keine Kassenleistung, allerdings gilt der Masker als Hilfsmittel und die Verhaltenstherapie als Psychotherapie und beides wird von der Krankenkasse übernommen. Dies sollte vor Beginn der Therapie mit der Krankenkasse geklärt werden.
Bei vielen Tinnituspatienten verstärken sich die Ohrgeräusche bei Lärm und/oder Stress. Dann ist es sinnvoll, Entspannungsverfahren oder Körpertherapien wie z.B. Autogenes Training, Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Tai Chi, Yoga oder Feldenkrais zu erlernen, um den Stress zu reduzieren.
Schlaf- und Konzentrationsstörungen sind für viele Betroffene vor allem am Anfang und bei dekompensiertem Tinnitus ein belastendes Problem. Auch hier können Entspannungstechniken helfen. Tipps für Gewohnheiten, die einen gesunden Schlaf fördern, unter Schlafhygiene.
Bei dekompensiertem, chronischem Tinnitus kann eine Psychotherapie helfen, die Belastungen zu reduzieren. Das wurde auch in Studien nachgewiesen. Die Kosten werden in der Regel von der Krankenkasse übernommen, Näheres unter Psychotherapie.
Wenn die gesamte Lebenssituation des Patienten stark betroffen ist, kann die Psychotherapie auch stationär erfolgen. Ziele der Therapie sind die Reduzierung des Leidensdrucks sowie die berufliche und/oder soziale Wiedereingliederung. Im besten Fall wird der Tinnitus kompensiert.
Eine Verhaltenstherapie zum Umgang mit Tinnitus kann auch mit Hilfe von Gesundheitsanwendungen (DiGA) bzw. Gesundheits-Apps unterstützt werden. Eine ärztliche Verordnung ist für ausgewählte und zertifizierte Anwendungen möglich. Auf Anfrage können Krankenkassen, unabhängig von Verordnungen, die Kosten für Gesundheits-Apps und Webanwendungen übernehmen. Näheres unter Digitale Gesundheitsanwendungen.
Wenn ein Tinnitus stationär behandelt werden soll, ist es ratsam, sich um eine entsprechend spezialisierte Klinik zu bemühen, weil diese das gesamte Spektrum einer ganzheitlichen Tinnitustherapie abdeckt. Je nach Zusatzbelastungen sollte man darauf achten, ob z.B. Psychotherapeuten, Internisten, Orthopäden, Sporttherapeuten usw. in der Klinik verfügbar sind. Behandlungen in einer Tinnitus-Klinik gelten entweder als Krankenhausbehandlung oder als stationäre medizinische Reha (siehe unten).
Tinnituskliniken lassen sich im Internet bei verschiedenen Klinik-Suchportalen oder durch Selbsthilfegruppen finden.
Bei nicht kompensiertem Tinnitus (anhaltende Ohrgeräusche plus Begleiterkrankungen, die stark belasten) können auch medizinische Reha-Leistungen Teil des Behandlungskonzepts sein. Die nachfolgenden Links führen zu den sozialrechtlichen Bestimmungen rund um medizinische Reha, die bei Tinnitus und verwandten Erkrankungen infrage kommen können.