Tod und Trauer > Kinder

1. Das Wichtigste in Kürze

Oft scheuen sich Erwachsene davor, Kinder in familiäre Trauer- oder Todessituationen mit einzubeziehen. Dabei ist es wichtig, dass Kinder in solchen Fällen Gelegenheit bekommen, über Tod und Trauer in ihrem Umfeld zu sprechen, um die erlebten Veränderungen verarbeiten zu können. Wenn Kinder nach Tod und Trauer fragen, sollte man möglichst altersgerecht, konkret und offen antworten.

2. Eltern sind auch Betroffene

Erwachsene wollen Kinder oft schonen. Doch Kinder erleben den Tod zunächst als nichts Erschreckendes. Sie sind neugierig und fragen nach allem. Die wohl am schwersten zu beantwortenden Kinderfragen sind die nach dem Tod. Eigene Unsicherheiten und Ängste können offene Gespräche mit den Kindern erschweren.

Bei Todesfällen erleben Kinder die Erwachsenen: Bestürzung, Weinen, Apathie, Aggression, Arbeitswut, Hilflosigkeit, ... Sie spüren die Unsicherheit und reagieren darauf: Jedes Kind auf seine Art. Besonders wenn die Eltern des Kindes selbst stark vom Todesfall betroffen sind, sollte das Umfeld mit darauf achten, ob die Eltern noch die Kraft haben, auch ihre Kinder zu begleiten.

Kinder sollte man immer einbeziehen, nicht ausgrenzen. Erwachsene sollten nicht versuchen, ihre Gefühle vor Kindern zu verbergen, sondern versuchen, sie in Worte zu fassen und zu erklären.

3. Todesverständnis nach Altersgruppen

Kinder können den Tod mit allen Konsequenzen erst mit zunehmendem Alter erfassen. Im Gespräch ist es deshalb wichtig, sich auf das zu beschränken, was sie begreifen können. Das unterscheidet sich bei Kindern gleichen Alters sehr stark, weshalb auch Experten bewusst auf konkrete Altersangaben verzichten.

  • Kleinkinder
    empfinden bereits Verluste, können aber Sterben und Tod noch nicht einordnen. Wichtig ist Zuwendung bei geäußerten Verlustgefühlen.
    Im weiteren Entwicklungsverlauf nehmen Kinder Tod und Verlust bewusster wahr. Daraus können Trennungsängste entstehen, die von den Eltern ernst genommen werden sollten. Zuwendung und Gespräche können diese Ängste lindern.
  • Kindergartenkinder
    können Tod und Trauer zunehmend begreifen. Sie bringen Erwachsene leicht mit direkten und unbefangenen Fragen aus der Fassung.
    Im Verlauf der weiteren Entwicklung beginnen Kinder darüber nachzudenken, was nach dem Tod ist.
  • Grundschulkinder
    haben teilweise schon sehr klare Vorstellungen von Tod und Trauer.
    Beim nächsten Entwicklungsschritt begreifen Kinder, dass der Tod auch sie treffen kann und dass er unumkehrbar ist. Sie fragen nach dem Sterben und dem Tod.
  • Nach der Grundschule
    nähert sich die Bedeutung des Todes für Kinder den Erwachsenen an.
  • Mit dem Teenageralter
    können religiöse, spirituelle und philosophische Überlegungen an Bedeutung gewinnen.
  • Jugendliche
    verdrängen zum Teil den Gedanken an den Tod und haben teilweise Schwierigkeiten, ihre emotionale Betroffenheit zu zeigen. Nicht selten gehen Jugendliche der häuslichen Trauerstimmung aus dem Weg und suchen Normalität bei Gleichaltrigen.

4. Umgang mit Kinderfragen

Kinder zeigen, was sie begreifen und wie viel sie wissen wollen. Es kann eine Herausforderung für trauernde Eltern sein, die Fragen ihrer Kinder zu beantworten. Fragen der Kinder sollten möglichst offen beantwortet werden, aber es sollte nicht mehr erklärt werden, als das Kind wissen will.

Umschreibende, verharmlosende Bezeichnungen des Todes sollte man meiden. Sie nähren nur Hoffnungen, die zwangsläufig zu Enttäuschungen führen. Der Tod ist endgültig.

Wenn Kinder ausweichende Antworten bekommen, spüren sie, dass ihre Fragen nicht erwünscht sind und fragen nicht weiter. Kinder brauchen die Sicherheit, dass ihre Fragen ehrlich beantwortet werden. Erwachsene sollten bei entsprechenden Fragen ("Kommt Oma jetzt in den Himmel?") einfach zugeben, dass sie nicht alles wissen. Oder, wenn sie im Glauben verwurzelt sind: Dass sie etwas sicher glauben, es aber keine Beweise gibt.

Kinderfragen hängen stark von deren Alter ab. Aber eines lässt sich grundsätzlich sagen: Kinder, auch Teenager, fragen meist nach konkreten Dingen. Was passiert bei der Beerdigung? Wo ist der Opa jetzt?

Generell sollte man vom Verstorbenen sprechen, wenn das Kind danach fragt. Es ist auch normal, wenn Kinder den Verstorbenen in ihr Spiel mit einbeziehen.

Eltern sollten dem Kind vermitteln, dass es mit all seinen Fragen kommen kann, und Gelegenheiten nutzen, mit ihm über das Sterben, den Tod und das Erlebte zu sprechen. Dafür sollten sich die Eltern bewusst Zeit nehmen.

4.1. Typische Fragen und mögliche Antworten

  • Warum macht man den Toten die Augen zu?
    Die offenen Augen würden austrocknen und das Gesicht entstellen. Außerdem ist es für uns Lebende sehr schwer, den gebrochenen Blick eines Toten auszuhalten.
  • Warum werden Tote gewaschen, sind sie schmutzig?
    Sterben ist anstrengend, die letzten Kräfte schwinden. Deshalb schwitzen die Menschen, sie verlieren Speichel und Tränenflüssigkeit und wenn am Ende die Muskeln erschlaffen, können sich Darm und Blase entleeren. Deshalb waschen wir die Toten.
  • Mama musst du auch sterben?
    Kinder sollten wissen, dass alle Menschen sterben. Man sollte ihnen aber, gerade bei Verlusten im engen Umfeld, die Sicherheit geben, dass das normalerweise sehr weit weg ist und dass man für das Kind da ist. "Du brauchst keine Angst zu haben, ich bin für Dich da."
  • Warum trägt man bei der Trauerfeier schwarze Kleider?
    Schwarz ist ein Zeichen für die Trauer. Sie zeigt, dass alle traurig sind und das hilft auch, wenn man weiß, man ist nicht allein.
  • Wo ist die Oma jetzt?
    Ich habe die Oma in meinem Herzen und erinnere mich gerne an Sie. Und wie ist das bei Dir?

4.2. Was man nicht sagen sollte

Im Umgang mit dem Tod haben sich Formulierungen eingeschlichen, die den Tod verharmlosen. Hier einige häufig formulierte Erklärungsversuche und warum man sie vermeiden sollte.

  • Die Oma schläft.
    Das befriedigt Kinder zunächst. Aber wenn die Oma auch nach Tagen nicht mehr aufwacht, bekommen Kinder womöglich Angst vor dem ins Bett gehen und Schlafstörungen.
  • Der Opa kann nicht mehr zu uns kommen.
    Wenn das Kind keine weitere Erklärung bekommt, sucht es die Schuld für das Wegbleiben des Opas vielleicht bei sich und zermürbt sich mit Selbstvorwürfen.
  • Mama und Papa haben einen wichtigen Termin. Das ist nichts für Dich.
    Kinder spüren, dass etwas Einschneidendes passiert (ist), und erleben, dass sie ausgeschlossen werden. Das ist ein großer Vertrauensbruch und kann zum Rückzug des Kindes führen.

5. Kinder bei Sterben, Tod und Trauer einbeziehen

Grundsätzlich sollte man Kinder so weit als möglich einbeziehen. Eine Ausgrenzung im Umfeld eines Verlustes kann für Kinder schwer zu ertragen sein.

5.1. Sterbephase

Wenn Angehörige im Sterben liegen, sollte man die Kinder mitnehmen, wenn es geht auch mehrmals. Allerdings sollte das Kind nur dann mitkommen, wenn es will. Damit kann man das Kind schonend darauf vorbereiten, dass der Kranke nicht mehr lange leben wird.

Man sollte ihnen erklären, wie krank z.B. der Opa ist, warum er nicht mehr aufstehen kann, warum der Monitor piepst, warum der Schlauch in seine Adern führt. Die Alternative zum Einbeziehen ist oft ein Verheimlichen oder Verharmlosen: Dann werden Kinder vom Tod überrascht oder sie fühlen sich hintergangen. Das kann zusätzlich zur Trauer eine Belastung für die Familie werden.

Allerdings ist auch darauf zu achten, wie stark der Patient durch den Besuch belastet wird. Die Erfahrung zeigt, dass viele Patienten durch den Besuch von Kindern eher vom Leiden abgelenkt werden. Aber es gibt auch Sterbenskranke, die "nur noch Ruhe" wünschen.

5.2. Abschied

Kinder sollten die Gelegenheit bekommen, Abschied zu nehmen und altersgerecht in die Vorgänge einbezogen werden.

  • Aufbahrung
    Die offene Aufbahrung (Nach dem Tod > Abschied nehmen) zu Hause, im Leichenhaus oder beim Bestatter ist eine wichtige und später durch nichts zu ersetzende Gelegenheit, vom Toten Abschied zu nehmen – auch für Kinder. Sie dürfen den Toten berühren, wenn sie das wollen – so begreifen sie, was leblos/tot bedeutet. Die Angst vor Leichengift ist in den ersten Tagen vollkommen unbegründet.
  • Besuch des Seelsorgers/Trauerredners
    Zur Besprechung der Trauerfeier den Seelsorger oder Trauerredner zu sich nach Hause bitten. Das gibt diesen die Gelegenheit, die Familie in ihrem natürlichen Umfeld kennen zu lernen und sich darauf einzustellen. Und die Familie hat keinen zusätzlichen Stress mit der Suche nach Kinderbetreuern. Die Kinder können beim Gespräch dabei sein, dazukommen oder wieder weggehen – ganz so, wie sie es wollen.
  • Gottesdienst, Trauerfeier und Bestattung
    Kinder mitnehmen und ihnen (möglichst vorher) Schritt für Schritt erklären, was passieren wird. Das setzt natürlich voraus, dass auch die Erwachsenen das wissen. Bestatter und Seelsorger können hier alle Auskünfte geben. Wenn ein Kind nicht mit zur Bestattung will, sollte es ermuntert werden, z.B. einen Brief zu schreiben oder ein Bild zu malen, das dem Verstorbenen in den Sarg mitgegeben wird.
  • Verbrennung, Grab und Friedhof
    Darauf achten, dass keine beängstigenden Vorstellungen entstehen, die das Kind auf sich überträgt, z.B.: "eingesperrt im Sarg", "lebendig begraben", "allein im Dunkeln".

6. Kindertrauer

Kinder drücken ihre Trauer oft anders aus, als Erwachsene es erwarten:

  • Manche lachen, statt zu weinen, um sich vor dem Unfassbaren zu schützen.
  • Manche werden aggressiv, weil sie überfordert sind.
  • Manche sind besonders lieb, damit die Eltern nicht noch trauriger werden.
  • Manche entwickeln unter Umständen Fantasien, die beängstigender sind als die Realität.

6.1. Umgang mit dem Gefühl Trauer

  • Kindern die Chance geben zu lernen, wie man trauert.
    Eltern sollten ihre Trauer zeigen und nichts überspielen. So geben sie ihren Kindern die Möglichkeit, Trauer bei anderen und die eigene Trauer zu erleben.
  • Dabei Zuwendung, Körperkontakt, Geborgenheit geben.
    So können Kinder auch erleben, dass die Gemeinsamkeit tröstet. Darauf achten, dass verschiedene Trauerreaktionen (Erstreaktionen auf den Tod naher Angehöriger) respektiert werden.
  • Dem Kind Gelegenheit geben, mit seinen Gefühlen umzugehen, es ermutigen, Gefühle zu zeigen.
    Eltern sollten sich Zeit nehmen, wenn das Kind weint oder Angst hat. Sie sollten mit ihm über die Gefühle sprechen und ihm Gelegenheit geben, seine Gefühle auszudrücken.
    Kinder schonen ihre Eltern oft, weil sie nicht wollen, dass diese noch trauriger werden. Sie weinen heimlich oder meiden die traurige Stimmung zu Hause.
  • Spielen, malen, basteln, werken.
    Kinder zum Malen, Werken, Basteln ermuntern. Manches Kind spricht nicht, aber es malt plötzlich ganz andere Bilder. Nachfragen, was die Bilder bedeuten. Auf die Interpretationen der Kinder hören, nicht selbst interpretieren. Ein Kind nicht von selbst gewählten Motiven wie Sarg, Kreuz, Kirche etc. abbringen, sondern dem Kind seine Zeit lassen.
    Bei Spielen, insbesondere Rollenspielen, kann es passieren, dass plötzlich der Verstorbene zu Besuch kommt oder die Kinder spielen Sterben und Beerdigung. Das ist unproblematisch und ihre (sehr heilsame) Art, mit dem Erlebten umzugehen.
  • Antwort geben auf möglicherweise bestehende Schuldgefühle.
    Viele Kinder glauben, dass sie irgendwie mit Schuld sind am Tod eines Angehörigen. Auf entsprechende Andeutungen achten und diese gegebenenfalls ausräumen.

6.2. Da sein

  • Dem Kind die Sicherheit geben, dass die Eltern noch lange für ihr Kind da sind.
    Der Verlust einer geliebten Person weckt in Kindern die Angst, auch andere könnten plötzlich sterben. Gegen diese Angst hilft die Zusicherung der Eltern, dass sie noch lange leben werden – aber auch, dass alle Menschen irgendwann sterben müssen.
  • Kinder sollten wissen: Auch Kinder können sterben.
    Aber Eltern sollten dabei ganz deutlich sagen, dass das sehr selten passiert: Nur bei sehr schweren Krankheiten oder bei Unfällen zum Beispiel.
  • Geduldig sein, Zeit lassen.
    Vor allem bei älteren Kindern und Jugendlichen kann es sein, dass sie die traurige Atmosphäre zu Hause meiden. Dass sie sich keinerlei Reaktion anmerken lassen. Eltern sollten dann Offenheit signalisieren, aber nicht drängen. Diese Balance ist schwer zu halten.
  • Sicherheit und Normalität vermitteln.
    Das Leben geht weiter. Kinder wollen leben. Wichtig und vor allem richtig ist, was der Familie hilft, weiterzuleben. Wenn z.B. der alljährliche Sommerurlaub ansteht, ist es allein die Entscheidung der Familie, ob sie gerade jetzt den Tapetenwechsel braucht oder ob sie den Urlaub absagt, weil er zu viel zusätzliche Unruhe bringt.

7. Wer hilft weiter?

  • Ehe- und Familienseelsorger, Ehe- und Familienberatungsstellen anderer Träger, Einrichtungen der Sterbebegleitung, Selbsthilfegruppen.
  • Weitere Anlaufstellen auch unter Eltern in der Krise.

8. Verwandte Links

Trauer

Kinder krebskranker Eltern

Letzte Bearbeitung: 19.11.2021

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