Die Pflegebegutachtung wird von der Pflegekasse in Auftrag gegeben, um festzustellen, ob eine Person pflegebedürftig ist. Der Medizinische Dienst (MD) oder eine andere berechtigte Person erstellt ein Gutachten, um den Grad der Pflegebedürftigkeit feststellen zu können. Dazu wird in 6 Lebensbereichen (Module 1 bis 6) und in den Bereichen Haushaltsführung und außerhäusliche Aktivitäten (Module 7 bis 8) die benötigte Hilfe abgefragt bzw. die Beeinträchtigung der Selbständigkeit ermittelt. Es sind verschiedene Arten der Begutachtung möglich, die Regel ist der Hausbesuch. Damit bei der Begutachtung ein genaues Bild entsteht, sollten sich pflegebedürftige Personen gut vorbereiten. Eine Entscheidung über den Anspruch auf Leistungen der Pflegeversicherung soll spätestens innerhalb von 25 Arbeitstagen vorliegen. Kürzere Fristen von 5 bis 10 Arbeitstagen sind für besondere Fälle vorgesehen.
Wenn der medizinische Dienst (MD) den Besuch zur Begutachtung ankündigt, bereiten Sie sich auf den Termin vor:
Die Pflegekasse gibt beim Medizinischen Dienst (MD) oder bei einer anderen berechtigten unabhängigen Person ein Gutachten mit der Prüfung der Pflegebedürftigkeit in Auftrag. Bei Privatversicherten wird die Pflegebedürftigkeit durch den medizinischen Dienst der Privaten Krankenversicherung – MEDICPROOF – festgestellt, das Begutachtungssystem ist identisch. Beim Begutachtungstermin im Wohnumfeld der pflegebedürftigen Person erfasst der MD die Beeinträchtigung der Selbstständigkeit und der Fähigkeiten und hält diese im Gutachten fest. Weitere Arten der Begutachtung siehe unten.
Die Pflegekasse stuft die pflegebedürftige Person nach Erhalt des Gutachtens in einen Pflegegrad ein und sendet der antragstellenden Person den Leistungsbescheid zu. Der Bescheid enthält Angaben zum Pflegegrad und den daraus resultierenden Leistungen der Pflegekasse (Pflegegeld bzw. Pflegesachleistungen). Ist eine Verringerung des Hilfebedarfs nach Einschätzung des MD zu erwarten, kann der Bescheid auf bis zu 3 Jahre befristet werden.
Ist vorhersehbar, dass sich der Pflegegrad in absehbarer Zeit ändert, kann in angemessenen Abständen ein Wiederholungsgutachten durchgeführt werden. Der erneute Begutachtungstermin wird abhängig von der im Pflegeplan des Erstgutachtens genannten Prognose festgelegt. Bei Kindern ist ein Wiederholungsgutachten in der Regel nach 2 Jahren durchzuführen.
Soll nicht der MD, sondern eine andere unabhängige Person mit der Prüfung beauftragt werden, muss die Pflegekasse der antragstellenden Person mindestens 3 Personen, die begutachten können, zur Auswahl nennen. Dies gilt auch, wenn innerhalb von 4 Wochen ab Antragstellung keine Begutachtung erfolgt ist und die Pflegekasse diese Verzögerung zu vertreten hat. Die antragstellende Person muss der Pflegekasse ihre Entscheidung innerhalb einer Woche mitteilen.
Bei der Begutachtung wird der Grad der Selbstständigkeit durch Feststellung der Fähigkeiten in 6 verschiedenen Lebensbereichen (sog. Modulen) ermittelt. Dabei werden verschiedene Kriterien mit Punktwerten versehen, die je nach Modul unterschiedlich gewichtet werden. Die Gesamtbewertung ergibt die Einstufung in einen von 5 Pflegegraden.
Grundlage für die Einstufung in einen Pflegegrad durch die Pflegekasse sind die "Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit" nach dem SGB XI. Diese können beim Medizinischen Dienst Bund (MD-Bund) unter www.md-bund.de > Richtlinien/Publikationen > Richtlinien/Grundlagen für Begutachtungen und Qualitätsprüfungen > Pflegebedürftigkeit heruntergeladen oder als Broschüre bestellt werden.
Module | Beispiele |
1. Mobilität | Fortbewegung im Wohnbereich, Treppensteigen |
2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten | Örtliche und zeitliche Orientierung |
3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen | Abwehr pflegerischer Maßnahmen, Antriebslosigkeit |
4. Selbstversorgung | Waschen, Duschen, Baden, Ankleiden, Toilettengang |
5. Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen | Medikation, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibung sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Verbandwechsel und Wundversorgung, Arztbesuche |
6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte | Gestaltung Tagesablauf, Kontaktpflege |
Es gibt noch zwei weitere Bereiche (Modul 7: außerhäusliche Aktivitäten und Modul 8: Haushaltsführung), die zwar nicht in die Ermittlung des Pflegegrades mit einfließen, jedoch erhoben werden, um eine bessere Versorgungsplanung und eine individuelle Beratung zu ermöglichen. Sie dienen der Feststellung des Präventions- oder Rehabilitationsbedarfs. Zu diesem Bedarf kann im Gutachten eine Empfehlung ausgesprochen werden.
7. Außerhäusliche Aktivitäten | Veranstaltungen besuchen, Besuch einer Tagespflege |
8. Haushaltsführung | Einkaufen, Reinigungsarbeiten, Behördengänge |
Unabhängig von der Feststellung des Pflegegrades können Maßnahmen zur Förderung oder zum Erhalt der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, der Prävention und der Rehabilitation (über die bisherige Versorgung hinaus) empfohlen werden, z.B.
Wenn Sie bei der Begutachtung zustimmen, leitet die Pflegekasse
Die Punktebewertung der einzelnen Kriterien der Module 1, 4 und 6 erfolgt anhand der Beurteilung der Selbstständigkeit. Diese ist wie folgt definiert:
Um die Pflegebedürftigkeit festzustellen, gibt es verschiedene Arten der Begutachtung. Versicherte können die Art des Gutachtens nicht auswählen. Die Auswahl unterliegt der fachlichen Einschätzung durch den MD und richtet sich nach bestimmten Voraussetzungen und persönlichen Umständen der pflegebedürftigen Person.
Die Begutachtung findet im häuslichen Umfeld der antragstellenden Person statt und ist die regelhafte Form der Begutachtung.
Ein Gutachten nach Aktenlage ist möglich, wenn eine persönliche Untersuchung der antragstellenden Person im Wohnbereich nicht möglich oder nicht zumutbar ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn die antragstellende Person im Krankenhaus liegt, verstorben ist oder wenn die Untersuchung aus medizinischen Gründen nicht möglich ist.
Darüber hinaus kann ein Gutachten ausnahmsweise nach Aktenlage auch bei Höherstufungs- oder Rückstufungsanträgen, Widerspruchsgutachten oder Wiederholungsbegutachtungen erstellt werden, wenn die Informationslage eindeutig ist. Dies bedeutet, dass alle Informationen vorliegen, die erforderlich sind, um die Kriterien der Module 1 bis 6 fachlich zu bewerten.
Eine Begutachtung nach strukturiertem Telefoninterview kann nur dann im ambulanten oder stationären Bereich durchgeführt werden, wenn es sich um eine Höherstufungs- oder Wiederholungsbegutachtung einer Person ab dem 14. Geburtstag handelt.
Die Begutachtung durch strukturiertes Telefoninterview ist ausgeschlossen, wenn
Eilbegutachtung innerhalb von 5 Arbeitstagen
Aufenthalt Rehaklinik: Stellen Versicherte, bei denen während eines Aufenthalts in einer (Reha-)Klinik eine Pflegebedürftigkeit offensichtlich wird, einen Antrag auf Pflegeleistungen, muss der MD unverzüglich eine Pflegebegutachtung durchführen.
Der MD führt die Begutachtung in der Regel nach Aktenlage durch (sog. Überleitungsgutachten) und leitet anschließend seine Empfehlung an die Pflegekasse weiter. Die Begutachtung muss innerhalb von 5 Arbeitstagen erfolgen und die Entscheidung soll zeitnah mitgeteilt werden. Dieses Verfahren soll einen schnellen und reibungslosen Übergang vom Krankenhaus oder der Reha-Einrichtung in eine Pflegeeinrichtung oder nach Hause sicherstellen.
Nach Entlassung aus der (Reha-)Klinik wird dieser vorläufige Pflegegrad durch den MD im Rahmen einer persönlichen Begutachtung überprüft.
Vorteil dieser Überleitungs-Vorgehensweise ist, dass die Zahlungen der Pflegekasse ab Antragstellung laufen, sodass auch die notwendigen Pflegeleistungen von Anfang an übernommen werden.
Palliative Situation: Wird eine betroffene Person von einem ambulanten Palliativteam betreut oder befindet sich in einem Hospiz, muss das auf dem Pflegeantrag vermerkt werden, damit die Begutachtung schneller stattfindet. Eine zeitnahe Begutachtung ist bei Menschen in einer palliativen Situation wichtig, da ihre Lebenserwartung begrenzt ist und sie gleichzeitig einen steigenden Pflegebedarf haben.
Begutachtung innerhalb von 10 Arbeitstagen
Antrag Pflegezeit/Familienpflegezeit: Wurde gegenüber dem Arbeitgeber der pflegenden Person die Inanspruchnahme von Pflegezeit oder Familienpflegezeit vereinbart, ist eine Begutachtung innerhalb von 10 Arbeitstagen nach Antragstellung durchzuführen.
Weitere Informationen zu den Begutachtungsfristen unter Pflegeantrag.
Ist die pflegebedürftige Person mit der Entscheidung der Pflegekasse über den Pflegegrad nicht einverstanden, kann sie innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen.
Pflegekassen und Pflegestützpunkte sowie das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit mit dem Schwerpunkt Pflegeversicherung, Telefon: 030 3406066-02, Mo–Mi 8–16 Uhr, Do 8–18 Uhr, Fr 8–12 Uhr.
Rechtsgrundlagen: §§ 15, 17, 18, 33 SGB XI