Pflegeantrag

1. Das Wichtigste in Kürze

Pflegeanträge sind bei der zuständigen Pflegekasse zu stellen. Nach Antragseingang beauftragt die Pflegekasse eine Begutachtung entweder vor Ort, telefonisch oder per Videotelefonie. Dabei wird geprüft, ob eine Pflegebedürftigkeit vorliegt. Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens wird der Grad der Selbstständigkeit in 6 Lebensbereichen (sog. Modulen) sowie in den Bereichen Haushaltsführung und außerhäusliche Aktivitäten ermittelt. Auf dieser Grundlage erfolgt die Einstufung in einen von 5 Pflegegraden. Erst mit Feststellung eines Pflegegrads besteht Anspruch auf Leistungen der Pflegekasse.

2. Wie wird ein Pflegeantrag gestellt?

Pflegeleistungen werden von der pflegebedürftigen Person, ggf. mit Hilfe der Angehörigen, bei der Pflegekasse beantragt. Alternativ kann auch eine bevollmächtigte Person oder die vom Betreuungsgericht bestellte rechtliche Betreuung den Antrag stellen.

Voraussetzung ist, dass die Vorversicherungszeit erfüllt ist und die Pflegekasse die Pflegebedürftigkeit feststellt.

Zwischen Antragstellung und Genehmigung können mehrere Wochen vergehen. Wird in dieser Zeit bereits ein Pflegedienst benötigt, muss dieser zunächst selbst bezahlt werden. Nach Genehmigung übernimmt die Pflegekasse die Kosten in der Regel rückwirkend ab dem Datum der Antragstellung (siehe unten unter Beginn der Leistung) und bis zur Höhe der genehmigten Leistungen. Deshalb ist es wichtig, alle Belege aufzubewahren. Sollten nicht genügend finanzielle Mittel vorhanden sein, um die Pflegekosten vorzufinanzieren oder die späteren Zuzahlungen zu leisten, kann unter bestimmten Voraussetzungen Hilfe zur Pflege beim Sozialamt beantragt werden.

2.1. Praxistipp

  • Einen kostenlosen Musterantrag zum Ausdrucken und Ausfüllen per Hand können Sie hier downloaden: muster-antrag-pflege.pdf.
  • Einen kostenlosen Musterantrag zum online-Ausfüllen können Sie hier downloaden: muster-antrag-pflege-ausfuellbar.pdf. Er funktioniert unter Windows 10 mit dem Acrobat Reader oder mit dem Browser Firefox. Bei anderen Betriebssystemen, Programmen oder Apps kann es zu Fehlern kommen. Nutzen Sie in dem Fall den Musterantrag zum Ausdrucken und Ausfüllen per Hand.
  • Sie können Ihre Pflegekasse anrufen und sich ein Antragsformular per Post zusenden lassen.
  • Viele Pflegekassen bieten Formulare zum Ausdrucken oder digitale Formulare an, die direkt über deren Webseiten ausgefüllt und eingereicht werden können.

Nach dem Antrag erhalten Sie innerhalb einer bestimmten Frist (siehe unten) einen Termin für die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (MD). Meist findet dieser Termin zu Hause statt. Es gibt aber auch andere Arten der Begutachtung, z.B. nach Aktenlage. Pflegebedürftige sollten sich auf den Termin gut vorbereiten.

3. Bearbeitungsfrist der Pflegekasse und Begutachtungsfristen

Über einen Antrag zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit muss die Pflegekasse innerhalb von höchstens 25 Arbeitstagen (d.h. Werktage, Montag bis Freitag) entscheiden.

Je nach Situation gelten kürzere Fristen für die Begutachtung:

Sie betragen

  • 10 Arbeitstage, wenn sich die pflegebedürftige Person zu Hause befindet und die Pflegeperson Pflegezeit oder Familienpflegezeit beantragt hat.
  • 5 Arbeitstage,
    • bei Aufenthalt in einem Krankenhaus oder einer stationären Reha-Einrichtung, wenn die schnelle Begutachtung notwendig ist, damit die versicherte Person nach dem Aufenthalt weiterversorgt werden kann.
    • wenn die Pflegeperson Pflegezeit oder Familienpflegezeit beantragt hat.
    • bei Aufenthalt in einem Hospiz
    • oder bei spezialisierter ambulanter Palliativversorgung (SAPV).

Die Frist kann durch regionale Vereinbarungen verkürzt werden (§ 18 Abs. 3 SGB XI).

Nach Eingang des Gutachtens muss die Pflegekasse dann unverzüglich, d.h. so schnell wie möglich entscheiden.

3.1. Entschädigung bei Fristüberschreitung

Werden diese Fristen nicht eingehalten, muss die Pflegekasse für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung 70 € an die pflegebedürftige Person zahlen.
Ausnahme: Dies gilt nicht, wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat oder die pflegebedürftige Person bereits vollstationär gepflegt wird und mindestens den Pflegegrad 2 hat.

4. Leistungsbescheid und Leistungsbeginn der Pflegekasse

Sobald die Pflegekasse das Gutachten erhalten hat, stuft sie die pflegebedürftige Person in einen Pflegegrad ein und sendet der antragstellenden Person einen Leistungsbescheid zu. Dieser enthält Angaben zum Pflegegrad und den daraus resultierenden Leistungen der Pflegekasse (Pflegegeld bzw. Pflegesachleistungen). Ist absehbar, dass sich der Pflegegrad in naher Zukunft ändern könnte, kann in angemessenen Abständen ein Wiederholungsgutachten erfolgen. Der erneute Begutachtungstermin richtet sich nach der im Pflegeplan des Erstgutachtens genannten Prognose. Bei pflegebedürftigen Kindern wird ein Wiederholungsgutachten in der Regel nach 2 Jahren durchgeführt.
Zusätzlich beinhaltet das Schreiben Empfehlungen zur Prävention und Rehabilitation. Sofern die pflegebedürftige Person zustimmt, leitet die Pflegekasse diese Empfehlungen an den zuständigen Rehabilitationsträger weiter. Dies löst ein Antragsverfahren auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation aus.

Der Beginn der Leistungen der Pflegekasse hängt vom Datum der Antragstellung und vom Beginn der Pflegebedürftigkeit ab. Die Pflegekasse leistet

  • ab dem Datum der Antragstellung, wenn die Pflegebedürftigkeit an diesem Tag seit weniger als einem Monat besteht.
  • ab dem Ersten des Monats der Antragstellung, wenn die Pflegebedürftigkeit am Tag der Antragstellung schon länger als einen Monat besteht.
  • ab dem tatsächlichen Eintritt der Pflegebedürftigkeit, wenn der Antrag bereits gestellt wird, bevor die Pflegebedürftigkeit eingetreten ist.

5. Widerspruch gegen Einstufung

Ist die pflegebedürftige Person mit der Entscheidung der Pflegekasse über den Pflegegrad nicht einverstanden, kann sie innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids Widerspruch einlegen.

Da die Pflegebegutachtung nur eine Momentaufnahme darstellt, kann es sein, dass die tatsächliche Pflegesituation falsch eingeschätzt wird. Als Grundlage für den Widerspruch sollte unbedingt das Gutachten bei der Pflegekasse angefordert werden, sofern es dem Feststellungs- bzw. Ablehnungsbescheid nicht bereits beiliegt. Das Gutachten sollte dann sorgfältig mit den eigenen Pflegeerfahrungen verglichen werden. War die pflegebedürftige Person beispielsweise am Tag der Begutachtung ungewöhnlich fit oder bemühte sich, einen besonders guten Eindruck zu machen, kann dies zu einer Fehleinschätzung geführt haben. Ebenso ist es möglich, dass die begutachtende Person einen Umstand übersehen oder nicht genügend berücksichtigt hat.

Folgende Hinweise sollten bei einem Widerspruch beachtet werden:

  • Das Gutachten des MD sorgfältig durchlesen und Abweichungen von eigenen Beobachtungen und Aufzeichnungen notieren. Hilfreich ist dabei auch der Ratgeber Pflege-Check – Vorbereitung auf den Begutachtungstermin (als PDF-Datei kostenlos erhältlich).
  • Spätestens ab Zugang der Ablehnung sollte ein Tagebuch geführt und jede Beobachtung und Hilfestellung festgehalten werden.
  • Sämtliche Unterlagen sammeln, die den Grad der Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Person belegen (z.B. Arztbriefe, Operationsberichte, Atteste, Entlassungsberichte). Neue Dokumente, die nach der Begutachtung entstanden sind, sollten zeitnah angefordert und dem Widerspruch beigefügt werden.

5.1. Praxistipps

  • Allgemeine Informationen über einen Widerspruch im Sozialrecht, Hinweise dazu, wie ein Widerspruch eingelegt werden kann sowie einen Musterwiderspruch unter Widerspruch im Sozialrecht.
  • Ein Formular für einen fristwahrenden Widerspruch gegen die Ablehnung eines Pflegegrads oder die Einstufung in einen zu niedrigen Pflegegrad zum Ausdrucken und Ausfüllen können Sie unter muster-widerspruch-pflege.pdf downloaden.
  • Es kann hilfreich sein, vorab einen Termin bei einer Pflegeberatung zu vereinbaren. Diese kann ggf. beim Widerspruchs-Prozess Unterstützung leisten.
  • Nach der Ablehnung eines Widerspruchs bleibt als Rechtsbehelf noch eine Klage beim Sozialgericht.
  • Widerspruch und Klage sind kostenfrei. Wer anwaltliche Hilfe für den Widerspruch benötigt, sich die Anwaltskosten aber nicht leisten kann, kann Beratungshilfe für den Widerspruch und Prozesskostenhilfe für die Klage beantragen.

6. Antrag auf Höherstufung – Wiederholungsgutachten

Ein Wiederholungsgutachten ist erforderlich, wenn sich die Pflegesituation einer Person wesentlich verändert hat oder ein Widerspruch gegen eine Entscheidung der Pflegekasse eingelegt wurde. Die Wiederholungsbegutachtung muss beantragt werden (siehe oben) und kann als Hausbesuch, Telefoninterview oder Videotelefonat erfolgen. In bestimmten Fällen ist auch eine Begutachtung nach Aktenlage möglich, wenn ausreichend aussagekräftige Unterlagen vorliegen. Ziel ist es, die aktuelle Pflegesituation zu erfassen und zu bewerten, ob sich der Pflegegrad ändern sollte oder ob die bisherige Einschätzung weiterhin zutrifft.

7. Praxistipps

  • Wenn absehbar ist, dass sowohl eine private Pflegeperson als auch ein ambulanter Pflegedienst beteiligt sein werden, sollte von Anfang an eine Kombinationsleistung (Pflegegeld und Pflegesachleistung) beantragt werden.
  • Der MD bietet ein Faltblatt mit den wichtigsten Informationen zur Pflegebegutachtung. Das Faltblatt kann unter www.medizinischerdienst.de > Versicherte > Pflegebegutachtung (rechte Seite) in verschiedenen Sprachen heruntergeladen werden.
  • Können Pflegeleistungen vor deren Genehmigung nicht selbst bezahlt werden, kann unter bestimmten Voraussetzungen beim Sozialamt Hilfe zur Pflege beantragt werden.
    • Bei Bewilligung des Pflegeantrags rechnet das Sozialamt dann direkt mit der Pflegekasse ab.
    • Wichtig: Die Dringlichkeit des Antrags sollte der zuständigen Sachbearbeitung mitgeteilt werden.
    • Pflegestützpunkte oder Sozialverbände können bei der Antragstellung beraten und unterstützen.
  • Wurde der Antrag auf Pflegeleistungen gestellt, besteht ein Rechtsanspruch auf Pflegeberatung. Die Beratung hilft, die passende Unterstützung zu finden und die Leistungen optimal zu nutzen.

8. Wer hilft weiter?

Pflegekassen, Pflegestützpunkte sowie das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit mit dem Schwerpunkt Pflegeversicherung, Telefon: 030 3406066-02, Mo–Mi 8–16 Uhr, Do 8–18 Uhr, Fr 8–12 Uhr.

9. Verwandte Links

Ratgeber Pflege

Tabelle Pflegeleistungen

Pflege-Check – Vorbereitung auf den Begutachtungstermin

Pflegetagebuch

Pflegebegutachtung

Pflegegrad

Pflegeversicherung

Pflegebedürftigkeit

Pflegeleistungen

 

Rechtsgrundlagen: §§ 15, 17, 18, 33 SGB XI

Letzte Bearbeitung: 13.08.2025

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