Pflegeantrag

Das Wichtigste in Kürze

Einen Pflegeantrag stellen Pflegebedürftige oder ihre Angehörigen direkt bei der zuständigen Pflegekasse. Nach Antragseingang beauftragt die Pflegekasse eine Begutachtung entweder vor Ort, telefonisch oder per Videotelefonie. Dabei wird geprüft, ob eine Pflegebedürftigkeit vorliegt. Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens bewertet der Medizinische Dienst (MD) den Grad der Selbstständigkeit in 6 Lebensbereichen (sog. Module) sowie in den Bereichen Haushaltsführung und außerhäusliche Aktivitäten. Auf dieser Grundlage erfolgt die Einstufung in einen von 5 Pflegegraden. Erst wenn ein Pflegegrad festgestellt ist, gewährt die Pflegekasse Leistungen.

Wie wird ein Pflegeantrag gestellt?

Pflegebedürftige Personen oder ihre Angehörigen beantragen die Pflegeleistungen bei der Pflegekasse. Alternativ übernimmt eine bevollmächtigte Person oder die vom Betreuungsgericht bestellte rechtliche Betreuung die Antragstellung.

Voraussetzung ist, dass die Vorversicherungszeit erfüllt ist und die Pflegekasse die Pflegebedürftigkeit feststellt.

Zwischen Antragstellung und Genehmigung können mehrere Wochen vergehen. Wird in dieser Zeit bereits ein Pflegedienst benötigt, muss dieser zunächst selbst bezahlt werden. Nach Genehmigung übernimmt die Pflegekasse die Kosten in der Regel rückwirkend ab dem Datum der Antragstellung (siehe unten unter Beginn der Leistung) und bis zur Höhe der genehmigten Leistungen. Deshalb ist es wichtig, alle Belege aufzubewahren. Reichen die finanziellen Mittel nicht aus, um die Pflegekosten vorzufinanzieren oder die späteren Zuzahlungen zu leisten, besteht unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit, Hilfe zur Pflege beim Sozialamt zu beantragen.

Praxistipp

  • Einen kostenlosen Musterantrag zum Ausdrucken und Ausfüllen per Hand können Sie hier downloaden: muster-antrag-pflege.pdf.
  • Einen kostenlosen Musterantrag zum online-Ausfüllen können Sie hier downloaden: muster-antrag-pflege-ausfuellbar.pdf. Er funktioniert unter Windows 10 mit dem Acrobat Reader oder mit dem Browser Firefox. Bei anderen Betriebssystemen, Programmen oder Apps kann es zu Fehlern kommen. Nutzen Sie in dem Fall den Musterantrag zum Ausdrucken und Ausfüllen per Hand.
  • Sie können Ihre Pflegekasse anrufen und sich ein Antragsformular per Post zusenden lassen.
  • Viele Pflegekassen bieten Formulare zum Ausdrucken oder digitale Formulare an, die direkt über deren Webseiten ausgefüllt und eingereicht werden können.

Nach Eingang des Antrags erhalten Sie innerhalb einer bestimmten Frist (siehe unten) einen Termin für die Begutachtung durch den Medizinischen Dienst (MD). Meist findet dieser Termin zu Hause statt. Es gibt aber auch andere Arten der Begutachtung, z.B. nach Aktenlage. Pflegebedürftige sollten sich auf den Termin gut vorbereiten, z.B. mit einem Pflegetagebuch, ärztlichen Unterlagen und einer Begleitperson.

Bearbeitungsfrist der Pflegekasse und Begutachtungsfristen

Über einen Antrag zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit muss die Pflegekasse innerhalb von höchstens 25 Arbeitstagen (Montag bis Freitag, ohne Feiertage) entscheiden.

Je nach Situation gelten kürzere Fristen für die Begutachtung:

Sie betragen

  • 10 Arbeitstage, wenn die pflegebedürftige Person zu Hause lebt und die Pflegeperson Pflegezeit oder Familienpflegezeit beantragt hat.
  • 5 Arbeitstage,
    • bei Aufenthalt in einem Krankenhaus oder einer stationären Reha-Einrichtung, wenn die schnelle Begutachtung notwendig ist, damit die versicherte Person nach dem Aufenthalt weiterversorgt werden kann.
    • wenn die Pflegeperson Pflegezeit oder Familienpflegezeit beantragt hat.
    • bei Aufenthalt in einem Hospiz
    • oder bei spezialisierter ambulanter Palliativversorgung (SAPV).

Die Frist kann durch regionale Vereinbarungen verkürzt werden (§ 18 Abs. 3 SGB XI).

Sobald das Gutachten bei verkürzter Bearbeitungsfrist der Pflegekasse vorliegt, muss diese unverzüglich über den Antrag entscheiden (§ 18c Abs.1 Satz 2 SGB XI).

Entschädigung bei Fristüberschreitung

Hält die Pflegekasse diese Fristen nicht ein, muss sie für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung 70 € an die pflegebedürftige Person zahlen.
Ausnahme: Dies gilt nicht, wenn

  • die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat, z.B. weil notwendige Unterlagen fehlen oder die Antragstellung unvollständig war oder
  • die pflegebedürftige Person bereits vollstationär gepflegt wird und mindestens den Pflegegrad 2 hat.

Leistungsbescheid und Leistungsbeginn der Pflegekasse

Sobald die Pflegekasse das Gutachten erhält, stuft sie die pflegebedürftige Person in einen Pflegegrad ein. Anschließend sendet sie an die antragstellende Person einen Leistungsbescheid. Dieser enthält Angaben zum Pflegegrad sowie zu den bewilligten Leistungen der Pflegekasse (Pflegegeld bzw. Pflegesachleistungen). Ist absehbar, dass sich der Pflegegrad in naher Zukunft ändern könnte, kann in angemessenen Abständen ein Wiederholungsgutachten erfolgen. Der erneute Begutachtungstermin richtet sich nach der Prognose im Pflegeplan des Erstgutachtens. Bei pflegebedürftigen Kindern erfolgt die Wiederholungsbegutachtung in der Regel nach 2 Jahren.
Zusätzlich enthält der Bescheid Empfehlungen zur Prävention und Rehabilitation. Sofern die pflegebedürftige Person zustimmt, leitet die Pflegekasse diese Empfehlungen an den zuständigen Rehabilitationsträger weiter. Damit beginnt automatisch ein Antragsverfahren auf Leistungen der medizinischen Rehabilitation.

Der Beginn der Leistungen der Pflegekasse hängt vom Datum der Antragstellung und vom Beginn der Pflegebedürftigkeit ab. Die Pflegekasse leistet

  • ab dem Datum der Antragstellung, wenn die Pflegebedürftigkeit an diesem Tag seit weniger als einem Monat besteht.
  • ab dem Ersten des Monats der Antragstellung, wenn die Pflegebedürftigkeit am Tag der Antragstellung schon länger als einen Monat besteht.
  • ab dem tatsächlichen Eintritt der Pflegebedürftigkeit, wenn der Antrag bereits gestellt wird, bevor die Pflegebedürftigkeit eingetreten ist.

Widerspruch gegen Einstufung

Ist die pflegebedürftige Person mit dem Pflegegrad nicht einverstanden, kann sie innerhalb eines Monats nach Erhalt des Bescheids Widerspruch einlegen.

Da die Pflegebegutachtung nur eine Momentaufnahme darstellt, kann die tatsächliche Pflegesituation falsch eingeschätzt worden sein. Als Grundlage für den Widerspruch sollte unbedingt das Gutachten bei der Pflegekasse angefordert werden, sofern es dem Feststellungs- bzw. Ablehnungsbescheid nicht bereits beiliegt. Das Gutachten sollte dann sorgfältig mit den eigenen Pflegeerfahrungen verglichen werden. War die pflegebedürftige Person beispielsweise am Tag der Begutachtung ungewöhnlich fit oder bemühte sich, besonders selbstständig zu wirken, kann dies zu einer Fehleinschätzung geführt haben. Ebenso ist es möglich, dass die begutachtende Person relevante Umstände übersehen oder nicht genügend berücksichtigt hat.

Folgende Hinweise sollten bei einem Widerspruch beachtet werden:

  • Das Gutachten des MD sorgfältig durchlesen und Abweichungen von eigenen Beobachtungen und Aufzeichnungen notieren. Hilfreich ist dabei auch der Ratgeber Pflege-Check – Vorbereitung auf den Begutachtungstermin (kostenloser Download als PDF-Datei).
  • Spätestens ab Zugang der Ablehnung sollte ein Pflegetagebuch geführt und jede Beobachtung und Hilfestellung festgehalten werden.
  • Sämtliche Unterlagen sammeln, die den Grad der Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Person belegen (z.B. Arztbriefe, Operationsberichte, Atteste, Entlassungsberichte). Neue Dokumente, die nach der Begutachtung entstanden sind, sollten zeitnah angefordert und dem Widerspruch beigefügt werden.

Praxistipps

  • Allgemeine Informationen über einen Widerspruch im Sozialrecht, Hinweise dazu, wie ein Widerspruch eingelegt werden kann sowie einen Musterwiderspruch finden Sie unter Widerspruch im Sozialrecht.
  • Ein Formular für einen fristwahrenden Widerspruch gegen die Ablehnung eines Pflegegrads oder die Einstufung in einen zu niedrigen Pflegegrad zum Ausdrucken und Ausfüllen können Sie unter muster-widerspruch-pflege.pdf downloaden.
  • Es kann hilfreich sein, vorab einen Termin bei einer Pflegeberatung zu vereinbaren. Diese kann ggf. beim Widerspruchs-Prozess Unterstützung leisten.
  • Nach der Ablehnung eines Widerspruchs bleibt als Rechtsbehelf noch eine Klage beim Sozialgericht.
  • Widerspruch und Klage sind kostenfrei. Wer anwaltliche Hilfe für den Widerspruch benötigt, sich die Anwaltskosten aber nicht leisten kann, kann Beratungshilfe für den Widerspruch und Prozesskostenhilfe für die Klage beantragen.

Antrag auf Höherstufung – Wiederholungsgutachten

Ein Wiederholungsgutachten ist erforderlich, wenn sich die Pflegesituation einer Person wesentlich verändert hat oder ein Widerspruch gegen eine Entscheidung der Pflegekasse eingelegt wurde. Die Wiederholungsbegutachtung muss beantragt werden (siehe oben) und kann als Hausbesuch, Telefoninterview oder Videotelefonat erfolgen. In bestimmten Fällen ist auch eine Begutachtung nach Aktenlage möglich, wenn ausreichend aussagekräftige Unterlagen vorliegen. Ziel ist es, die aktuelle Pflegesituation zu erfassen und zu bewerten, ob sich der Pflegegrad ändern sollte oder ob die bisherige Einschätzung weiterhin zutrifft.

Praxistipps

  • Wenn absehbar ist, dass sowohl eine private Pflegeperson als auch ein ambulanter Pflegedienst beteiligt sind, sollten Sie von Anfang an eine Kombinationsleistung (Pflegegeld und Pflegesachleistung) beantragen.
  • Der MD bietet ein Faltblatt mit den wichtigsten Informationen zur Pflegebegutachtung. Das Faltblatt können Sie unter www.medizinischerdienst.de > Versicherte > Pflegebegutachtung (rechte Seite) in verschiedenen Sprachen herunterladen.
  • Können Sie Pflegeleistungen vor deren Genehmigung nicht selbst bezahlen, können Sie unter bestimmten Voraussetzungen beim Sozialamt Hilfe zur Pflege beantragen.
    • Bei Bewilligung des Pflegeantrags rechnet das Sozialamt dann direkt mit der Pflegekasse ab.
    • Wichtig: Die Dringlichkeit des Antrags sollte der zuständigen Sachbearbeitung mitgeteilt werden.
    • Pflegestützpunkte oder Sozialverbände können bei der Antragstellung beraten und unterstützen.
  • Wurde der Antrag auf Pflegeleistungen gestellt, besteht ein Rechtsanspruch auf Pflegeberatung. Die Beratung hilft, die passende Unterstützung zu finden und die Leistungen optimal zu nutzen.

Wer hilft weiter?

Pflegekassen, Pflegestützpunkte sowie das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit mit dem Schwerpunkt Pflegeversicherung, Telefon: 030 3406066-02, Mo–Mi 8–16 Uhr, Do 8–18 Uhr, Fr 8–12 Uhr.

Ratgeber Pflege

Tabelle Pflegeleistungen

Pflege-Check – Vorbereitung auf den Begutachtungstermin

Pflegetagebuch

Pflegebegutachtung

Pflegegrad

Pflegeversicherung

Pflegebedürftigkeit

Pflegeleistungen

 

Rechtsgrundlagen: §§ 15, 17, 18, 33 SGB XI

Letzte Bearbeitung: 11.11.2025

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