Pflegeanträge sind bei der Pflegekasse zu stellen. Nach Antragseingang lässt die Pflegekasse vor Ort oder telefonisch begutachten, ob tatsächlich eine Pflegebedürftigkeit vorliegt und entscheidet dann, ob die betroffene Person einen Pflegegrad und damit auch Leistungen der Pflegekasse erhält. Im Begutachtungsverfahren wird der Grad der Selbstständigkeit in 6 Modulen ermittelt, worauf eine Einstufung in einen von 5 Pflegegraden erfolgt.
Pflegeleistungen werden von der pflegebedürftigen Person, ggf. mit Hilfe der Angehörigen oder Bevollmächtigten, bei der Pflegekasse beantragt.
Prinzipiell muss die Vorversicherungszeit erfüllt werden und die Pflegekasse muss die Pflegebedürftigkeit feststellen.
Zwischen Antragstellung und Genehmigung können mehrere Wochen vergehen. Falls in dieser Zeit bereits ein Pflegedienst notwendig ist, muss dieser zunächst selbst bezahlt werden. Wird der Antrag genehmigt, übernimmt die Pflegekasse die Kosten in der Regel rückwirkend ab dem Datum der Antragstellung (siehe unten unter Beginn der Leistung) und bis zur Höhe der genehmigten Leistungen. Deshalb ist es wichtig, alle Belege aufzubewahren.
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Die Pflegekasse gibt beim Medizinischen Dienst (MD) oder bei einer anderen berechtigten unabhängigen Person ein Gutachten mit der Prüfung der Pflegebedürftigkeit in Auftrag. Bei privat Versicherten wird die Pflegebedürftigkeit durch den medizinischen Dienst der Privaten Krankenversicherung – MEDICPROOF – festgestellt. Beim Begutachtungstermin erfasst der MD die Beeinträchtigung der Selbstständigkeit und der Fähigkeiten und hält diese im Gutachten fest.
Die Pflegekasse stuft die pflegebedürftige Person nach Erhalt des Gutachtens in einen Pflegegrad ein und sendet der antragstellenden Person den Leistungsbescheid zu. Der Bescheid enthält Angaben zum Pflegegrad und den daraus resultierenden Leistungen der Pflegekasse (Pflegegeld bzw. Pflegesachleistungen). Ist eine Verringerung des Hilfebedarfs nach Einschätzung des MD zu erwarten, kann der Bescheid auf bis zu 3 Jahre befristet werden.
Ist vorhersehbar, dass sich der Pflegegrad in absehbarer Zeit ändert, kann in angemessenen Abständen ein Wiederholungsgutachten durchgeführt werden. Der erneute Begutachtungstermin wird abhängig von der im Pflegeplan des Erstgutachtens genannten Prognose festgelegt. Bei Kindern ist ein Wiederholungsgutachten in der Regel nach 2 Jahren durchzuführen.
Soll nicht der MD, sondern eine andere unabhängige Person mit der Prüfung beauftragt werden, muss die Pflegekasse der antragstellenden Person mindestens 3 Personen, die begutachten können, zur Auswahl nennen. Dies gilt auch, wenn innerhalb von 4 Wochen ab Antragstellung keine Begutachtung erfolgt ist und die Pflegekasse diese Verzögerung zu vertreten hat. Die antragstellende Person muss der Pflegekasse ihre Entscheidung innerhalb einer Woche mitteilen.
Wenn der medizinische Dienst den Besuch zur Begutachtung ankündigt, bereiten Sie sich auf den Termin vor:
Bei der Begutachtung wird der Grad der Selbstständigkeit durch Feststellung der Fähigkeiten in 6 verschiedenen Lebensbereichen (sog. Modulen) ermittelt. Dabei werden verschiedene Kriterien mit Punktwerten versehen, die je nach Modul unterschiedlich gewichtet werden. Die Gesamtbewertung ergibt die Einstufung in einen von 5 Pflegegraden.
Grundlage für die Einstufung in einen Pflegegrad durch die Pflegekasse sind die "Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit" nach dem SGB XI. Diese können beim Medizinischen Dienst Bund (MD-Bund) unter www.md-bund.de > Richtlinien/Publikationen > Richtlinien/Grundlagen für Begutachtungen und Qualitätsprüfungen > Pflegebedürftigkeit heruntergeladen oder als Broschüre bestellt werden.
Module | Beispiele |
1. Mobilität | Positionswechsel im Bett, Umsetzen, Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs, Treppensteigen |
2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten | Erkennen von Personen aus dem näheren Umfeld, örtliche und zeitliche Orientierung, Verstehen von Sachverhalten und Informationen |
3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen | Gegen sich selbst gerichtetes aggressives oder schädigendes Verhalten, Abwehr pflegerischer oder anderer unterstützender Maßnahmen, Ängste, Antriebslosigkeit bei depressiver Stimmungslage |
4. Selbstversorgung | Duschen und Baden einschließlich Waschen der Haare, An- und Auskleiden, mundgerechtes Zubereiten der Nahrung und Eingießen von Getränken, Benutzen einer Toilette oder eines Toilettenstuhls |
5. Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen | Medikation, Absaugen und Sauerstoffgabe, Einreibung sowie Kälte- und Wärmeanwendungen, Verbandwechsel und Wundversorgung, Arztbesuche |
6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte | Gestaltung des Tagesablaufs und Anpassung an Veränderungen, Kontaktpflege zu Personen außerhalb des direkten Umfelds |
Es gibt noch zwei weitere Bereiche (Modul 7: außerhäusliche Aktivitäten und Modul 8: Haushaltsführung), die zwar nicht in die Ermittlung des Pflegegrades mit einfließen, jedoch erhoben werden, um eine bessere Versorgungsplanung und eine individuelle Beratung zu ermöglichen. Sie dienen der Feststellung des Präventions- oder Rehabilitationsbedarfs. Zu diesem Bedarf kann im Gutachten eine Empfehlung ausgesprochen werden.
7. Außerhäusliche Aktivitäten | Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel, Teilnahme an kulturellen, religiösen oder sportlichen Veranstaltungen, Besuch einer Werkstatt für behinderte Menschen oder einer Einrichtung der Tages- oder Nachtpflege |
8. Haushaltsführung | Einkaufen für den täglichen Bedarf, Zubereitung einfacher Mahlzeiten, Aufräum- und Reinigungsarbeiten einschließlich Wäschepflege, Nutzung von Dienstleistungen, Umgang mit finanziellen Angelegenheiten, Umgang mit Behördenangelegenheiten |
Unabhängig von der Feststellung des Pflegegrades können Maßnahmen zur Förderung oder zum Erhalt der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten, der Prävention und der Rehabilitation (über die bisherige Versorgung hinaus) empfohlen werden, z.B.
Die Punktebewertung der einzelnen Kriterien der Module 1, 2, 4 und 6 erfolgt anhand der Beurteilung der Selbstständigkeit. Diese ist wie folgt definiert:
Für die Ermittlung des Pflegegrads werden die erhobenen Punktwerte der einzelnen Module addiert und anschließend je nach Modul unterschiedlich gewichtet. Dies soll sicherstellen, dass besonders wichtige Module entsprechend in die Berechnung des Pflegegrads mit einfließen.
Die Module werden wie folgt gewichtet:
Modul |
Inhalt |
Gewichtung |
1 |
Mobilität |
10 % |
2 oder 3* |
Kognitive und kommunikative Fähigkeiten sowie Verhaltensweisen oder psychische Probleme |
15 % |
4 |
Selbstversorgung |
40 % |
5 |
Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen |
20 % |
6 |
Gestaltung des Alltagslebens, soziale Kontakte |
15 % |
* Besonderheit bei den Modulen 2 und 3: Nur das Modul mit dem höheren Punktwert fließt mit 15 % in die Berechnung ein.
Aus den gewichteten addierten Punktwerten von 5 Modulen wird der Gesamtpunktwert (0–100) errechnet, der das Ausmaß der Pflegebedürftigkeit bestimmt. Daraus leitet sich der Pflegegrad ab.
Folgende 5 Pflegegrade sind möglich:
Bei der Begutachtung pflegebedürftiger Kinder werden ihre Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit mit altersentsprechenden gesunden Kindern ohne Behinderung verglichen.
Pflegebedürftige Kinder im Alter von 0 bis 18 Monaten werden grundsätzlich einen Pflegegrad höher eingestuft, um häufige Begutachtungen in den ersten Monaten zu vermeiden. Die Einstufung in einen Pflegegrad erfolgt demnach nach folgenden Punktwerten:
Bei Kindern ab 18 Monaten bis zum 11. Geburtstag gelten andere Maßstäbe bei der Bewertung, weil Kinder im Gegensatz zu Erwachsenen erst Fähigkeiten und Selbständigkeit entwickeln. Ab 11 Jahren wird davon ausgegangen, dass Kinder in allen Modulen, die in die Bewertung einfließen, selbstständig sind. Bei der Begutachtung werden aber bis zum 18. Geburtstag noch Formulare mit altersgemäßen Fragen verwendet.
In der Broschüre "Richtlinien des GKV-Spitzenverbandes zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit" nach dem SGB XI (siehe oben "Inhalte des Begutachtungsverfahrens) sind die Maßstäbe zur Begutachtung bei Kindern detailliert aufgeführt.
Über einen Antrag zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit muss die Pflegekasse innerhalb von höchstens 25 Arbeitstagen (d.h. Werktage, Montag bis Freitag) entscheiden.
Abhängig vom Aufenthaltsort der pflegebedürftigen Person und von der Beantragung von Pflegezeit kann eine kürzere Frist gelten, innerhalb der die Begutachtung stattfinden muss.
Sie beträgt
Die Frist kann durch regionale Vereinbarungen verkürzt werden (§ 18 Abs. 3 SGB XI).
Nach Eingang des Gutachtens muss die Pflegekasse dann unverzüglich, d.h. so schnell wie möglich entscheiden.
Werden diese Fristen nicht eingehalten, muss die Pflegekasse für jede begonnene Woche der Fristüberschreitung 70 € an die pflegebedürftige Person zahlen. Dies gilt nicht, wenn die Pflegekasse die Verzögerung nicht zu vertreten hat oder die pflegebedürftige Person bereits vollstationär gepflegt wird und mindestens den Pflegegrad 2 hat.
Stellen Versicherte, bei denen während eines Aufenthalts in einer (Reha-)Klinik eine Pflegebedürftigkeit offensichtlich wird, einen Antrag auf Pflegeleistungen, muss der MD unverzüglich eine Pflegebegutachtung durchführen.
Der MD führt die Begutachtung in der Regel nach Aktenlage durch (sog. Überleitungsgutachten) und leitet anschließend seine Empfehlung an die Pflegekasse weiter. Die Begutachtung muss innerhalb einer Woche erfolgen und die Entscheidung soll zeitnah mitgeteilt werden. Dieses Verfahren soll einen schnellen und reibungslosen Übergang vom Krankenhaus oder der Reha-Einrichtung in eine Pflegeeinrichtung oder nach Hause sicherstellen.
Nach Entlassung aus der (Reha-)Klinik wird dieser vorläufige Pflegegrad durch den MD im Rahmen einer persönlichen Begutachtung überprüft.
Vorteil dieser Überleitungs-Vorgehensweise ist, dass die Zahlungen der Pflegekasse ab Antragstellung laufen, sodass auch die notwendigen Pflegeleistungen von Anfang an übernommen werden.
Wird eine betroffene Person von einem ambulanten Palliativteam betreut oder befindet sich in einem Hospiz, muss das auf dem Pflegeantrag vermerkt werden, damit die Begutachtung schneller stattfindet. Eine zeitnahe Begutachtung ist bei Menschen in einer palliativen Situation wichtig, da ihre Lebenserwartung begrenzt ist und sie gleichzeitig einen steigenden Pflegebedarf haben.
Ist die pflegebedürftige Person mit der Entscheidung der Pflegekasse über den Pflegegrad nicht einverstanden, kann sie innerhalb eines Monats Widerspruch einlegen.
Da bei der Pflegebegutachtung nur eine Momentaufnahme erfasst wird, kann es sein, dass bei der Begutachtung die Situation falsch einschätzt wird. Als Grundlage für den Widerspruch sollte daher immer das Gutachten bei der Pflegekasse angefordert werden, sofern es dem Feststellungs- bzw. Ablehnungsbescheid nicht beiliegt. Dann sollte die Einschätzung im Gutachten mit den eigenen Pflegeerfahrungen verglichen werden. War die pflegebedürftige Person beispielsweise am Tag der Begutachtung wesentlich fitter als sonst oder wollte sich von ihrer besten Seite zeigen, kann das die Ursache des „falschen“ bzw. nicht der Realität des Alltags entsprechenden Gutachtens sein. Es ist aber auch möglich, dass die begutachtende Person einen Umstand übersehen oder nicht genügend berücksichtigt hat.
Folgende Hinweise sollten bei einem Widerspruch beachtet werden:
Liegt bereits ein Pflegegrad vor und der Pflegeaufwand erhöht sich deutlich, sind ein erneuter Antrag und in der Regel ein erneutes Feststellungsverfahren (sog. Änderungsgutachten) nötig, damit die pflegebedürftige Person in einen höheren Pflegegrad eingestuft wird.
Ein höherer Pflegegrad kann auch in einem Wiederholungsgutachten festgestellt werden.
Wann die Leistungen der Pflegekasse beginnen, hängt vom Datum der Antragstellung und vom Beginn der Pflegebedürftigkeit ab. Die Pflegekasse leistet
Pflegekassen, Pflegestützpunkte sowie das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Gesundheit mit dem Schwerpunkt Pflegeversicherung, Telefon: 030 3406066-02, Mo–Do 8–18 Uhr und Fr 8–12 Uhr.
Pflege-Check – Vorbereitung auf den Begutachtungstermin
Rechtsgrundlagen: §§ 15, 17, 18, 33 SGB XI