Berufstätige haben Anspruch auf Freistellung von der Arbeit, um nahe Angehörige zu pflegen. Die Pflegezeit kann für maximal 6 Monate beantragt werden. In dieser Zeit ist die Pflegeperson, in der Regel ohne Gehalt, von der Arbeit freigestellt. Auch eine teilweise Freistellung in Form von Reduzierung bzw. Verteilung der Arbeitszeit ist möglich. Für die Pflegezeit kann ein zinsloses Darlehen beantragt werden. Bei plötzlich eintretender Pflegebedürftigkeit naher Angehöriger haben Berufstätige Anspruch auf kurzzeitige Freistellung von der Arbeit von bis zu 10 Arbeitstagen und auf Pflegeunterstützungsgeld.
Um Pflegezeit beantragen zu können, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
Die Pflegezeit können nur sozialversicherungspflichtige Beschäftigte in Anspruch nehmen. Ein Rechtsanspruch auf Pflegezeit besteht erst ab einer Betriebsgröße von mehr als 15 Beschäftigten. Bei einer teilweisen Freistellung muss der Betrieb den Wünschen der beschäftigten Person entsprechen, es sei denn betriebliche Gründe stehen dem entgegen.
Die Pflegezeit beträgt für jeden pflegebedürftigen nahen Angehörigen maximal 6 Monate. Eine Aufteilung der Pflegezeit in mehrere getrennte Abschnitte ist nicht möglich. Die Pflegezeit kann nur einmal zusammenhängend in Anspruch genommen werden. Mit der erstmaligen Inanspruchnahme der Pflegezeit ist ein weiterer Anspruch hierauf erloschen (Gerichtsentscheidung des BAG vom 15.11.2011 – Az.: 9 AZR 348/10); eine Verlängerung ist nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich (siehe unten).
Soll im Anschluss an die Pflegezeit Familienpflegezeit genommen werden, muss dies dem Betrieb innerhalb von 3 Monaten, spätestens 8 Wochen vor Ende der Pflegezeit, mitgeteilt werden. Die Familienpflegezeit muss unmittelbar an die Pflegezeit anschließen.
Familienpflegezeit und Pflegezeit dürfen zusammen längstens 24 Monate dauern.
Ist die angehörige Person nicht mehr pflegebedürftig oder die häusliche Pflege unmöglich oder unzumutbar, endet die Pflegezeit 4 Wochen nach Eintritt der veränderten Umstände. Der Betrieb ist darüber unverzüglich zu informieren. Solche Umstände können z.B. Tod der pflegebedürftigen Person, stationäre Unterbringung oder finanzielle Engpässe der Pflegeperson sein.
Liegen keine entsprechenden schweren Umstände vor und die Pflegezeit soll trotzdem vorzeitig beendet werden, so ist dies von der Zustimmung des Betriebs abhängig.
Für einen kürzeren Zeitraum in Anspruch genommene Pflegezeit kann bis zur Höchstdauer von 6 Monaten verlängert werden, wenn der Betrieb zustimmt und die Verlängerung sich unmittelbar an den ersten Zeitabschnitt anschließt. Eine Verlängerung kann z.B. dann notwendig sein, wenn die Pflege von der zukünftigen Pflegeperson zum vereinbarten Zeitpunkt nicht angetreten werden kann.
Zur Sterbebegleitung kann die Pflegezeit um bis zu 3 Monate verlängert werden. Das ist auch dann möglich, wenn Sterbende in einem Hospiz leben.
Eine Sonderform der Pflegezeit ist die kurzzeitige Freistellung einer beschäftigten Person für bis zu 10 Arbeitstage, worauf alle Beschäftigen unabhängig von der Betriebsgröße Anspruch haben.
Diese sog. "kurzzeitige Arbeitsverhinderung" kann bei einer unerwartet eingetretenen Pflegesituation in Anspruch genommen werden. In dieser Zeit kann z.B. die Pflege der angehörigen Person organisiert oder die pflegerische Versorgung sichergestellt werden. Die Dauer der Arbeitsverhinderung muss dem Betrieb unverzüglich mitgeteilt werden. Er kann auch eine ärztliche Bescheinigung über die Notwendigkeit der Arbeitsverhinderung verlangen. Lohnfortzahlungen können gegeben sein, wenn im Arbeits- oder Tarifvertrag eine entsprechende Regelung enthalten ist.
Pflegepersonen können bis zum 30.4.2023 20 Arbeitstage von der Arbeit freigestellt werden und für diese Zeit Pflegeunterstützungsgeld (s.u.) erhalten, wenn
Wenn die Pflegeperson während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung kein Gehalt mehr bekommt, kann sie Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatzleistung bei der Pflegekasse der pflegebedürftigen Person beantragen. Sie benötigt dazu eine ärztliche Bescheinigung.
Das Pflegeunterstützungsgeld gilt als Einnahme zum Lebensunterhalt und wird beim Bezug einkommensabhängiger Sozialleistungen berücksichtigt.
Es werden 90 % des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts bezahlt, maximal jedoch 70 % der Beitragsbemessungsgrenze, das entspricht 2023 maximal 116,38 € pro Tag. Einmalzahlungen werden bei der Berechnung des Nettoarbeitsentgelts nicht berücksichtigt.
Die Pflegeperson erhält weder Entgeltfortzahlung noch Kinderpflege-Krankengeld noch Kinderpflege-Verletztengeld.
Pflegepersonen dürfen während der kurzzeitigen Arbeitsverhinderung und der Pflegezeit in der Regel nicht gekündigt werden.
Während der Pflegezeit ist die Pflegeperson über die Pflegeversicherung der pflegebedürftigen Person sozial abgesichert. Die Pflegekasse führt an folgende gesetzliche Sozialversicherungen Beiträge ab:
Während der Pflegezeit kann ein zinsloses Darlehen beim Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben beantragt werden. Das Darlehen beträgt die Hälfte des ausgefallenen, durchschnittlichen Netto-Arbeitsentgelts. Zur Berechnung des Darlehens wird auch bei einer vollständigen Freistellung maximal eine fiktive Arbeitszeit von 15 Wochenstunden angesetzt.
Es muss ab Ende der Darlehenszahlungen oder auf Antrag ab dem Ende der Freistellungsphase zurückgezahlt werden. Eine Stundung ist in Härtefällen möglich, Näheres unter Familienpflegezeit.
Ist die Pflegeperson privat krankenversichert, weil ihr Einkommen über der Versicherungspflichtgrenze liegt, kann es passieren, dass sie infolge des Gehaltsausfalls oder des reduzierten Einkommens aufgrund der Pflegezeit diese Grenze unterschreitet. In diesem Fall ist die Pflegeperson eigentlich verpflichtet, sich bei einer gesetzlichen Krankenkasse zu versichern. Auf Antrag kann sie jedoch für die Pflegezeit von dieser Versicherungspflicht befreit werden und Mitglied ihrer privaten Krankenversicherung bleiben. Für diese Zeit wird in der Regel eine individuelle, befristete Vertragsänderung ausgehandelt.
Häusliche Pflege Pflegeversicherung
Pflegende Angehörige > Entlastung
Pflegende Angehörige > Sozialversicherung
Palliativphase > Finanzielle Hilfen
Rechtsgrundlagen: §§ 44, 44 a SGB XI - PflegeZG