Epilepsie > Ursachen - Diagnose - Formen

1. Das Wichtigste in Kürze

Epilepsie ist eine Erkrankung des Gehirns mit meist bis zu 2 Minuten dauernden Anfällen, von kurzen unscheinbaren Bewusstseinsaussetzern (Absencen) über sog. fokale Anfälle mit Missempfindungen, Sprachstörungen oder Zuckungen bis hin zum Krampfanfall mit Sturz. Epilepsie kann u.a. genetisch, krankheitsbedingt, eine Unfallfolge oder auch unbekannter Ursache sein. Bei der ersten Hilfe gilt: Nicht festhalten, keinen Beißkeil oder ähnliches zwischen die Zähne und Verletzungen verhindern. Nach einem Anfall ist es wichtig dabei zu bleiben, bis das Bewusstsein wieder klar ist. Bei einer Anfallsdauer von mehr als 5 Minuten ist ein Notruf nötig.

2. Diagnose Epilepsie

Epileptische Anfälle sind kurze Störungen der elektro-chemischen Signalübertragung im Gehirn. Viele nennen sie bildlich "Gewitter im Gehirn".

Epilepsie ist ein erhöhtes Risiko für epileptische Anfälle (= Anfallsneigung). Umgangssprachlich wird sie als "Fallsucht“ oder "Krampfleiden“ bezeichnet. Bei einer Epilepsie kommen die Anfälle ohne Auslöser "aus heiterem Himmel" oder als sog. Reflexanfälle. Bei Reflexanfällen lösen normale Alltagssituationen epileptische Anfälle aus, z.B. flackerndes Licht, eine bestimmte Musik, warmes Wasser, Lesen oder Essen.

Etwas anderes sind sog. Gelegenheitsanfälle, z.B. Fieberkrämpfe, Anfälle wegen einer Vergiftung oder aufgrund eines Schädel-Hirn-Traumas. Sie kommen und verschwinden mit der auslösenden Krankheit.

Die Diagnose Epilepsie setzt voraus:

  • Mind. 2 epileptische Reflexanfälle oder epileptische Anfälle ohne Auslöser im Abstand von mehr als 24 Stunden oder
  • mind. 1 epileptischer Reflexanfall oder epileptischer Anfall ohne Auslöser und ein Rückfallrisiko wie nach 2 Anfällen ohne Auslöser
    oder
    Diagnose eines Epilepsie-Syndroms. Ein Epilepsie-Syndrom ist eine Krankheit mit dafür typischen epileptischen Anfällen und anderen typischen Merkmalen.
    Beispiele: Dravet-Syndrom, Lennox-Gastaut-Syndrom.

Bei der Diagnose helfen z.B.

  • Anfallstagebücher,
  • Berichte von Angehörigen,
  • Videoaufnahmen von Anfällen,
  • EEG-Untersuchungen: Messungen der Hirnströme mit Elektroden am Kopf,
  • sowie MRT-Untersuchungen: Magnetresonanztomographie (Verfahren, das ohne Strahlenbelastung genaue Bilder des Gehirns erzeugt).

Epilepsie gilt in folgenden Fällen als "überwunden":

  1. Altersabhängiges Epilepsie-Syndrom jenseits des entsprechenden Alters
  2. Anfallsfreiheit seit mindestens 10 Jahren und seit mindestens 5 Jahren ohne Antiepileptika (Medikamente gegen Epilepsie)

3. Abgrenzung von nicht-epileptischen Anfällen

Epilepsie ist häufig. Darum denken Viele bei Anfällen zuerst an Epilepsie. Aber es gibt auch viele nicht-epileptische Anfälle, die epileptischen Anfällen ähneln.

Beispiele:

  • Synkopen: Herz-Kreislauf-Probleme können zu Bewusstlosigkeit und Zuckungen führen.
  • Hypoglykämischer Schock: Hypoglykämie ist der Fachbegriff für Unterzuckerung. Der niedrige Blutzucker kann zu Bewusstlosigkeit und Krämpfen führen. Ursache sind oft Probleme bei der Diabetes-Behandlung, Näheres unter Diabetes > Behandlung.
  • Psychogene nichtepileptische Anfälle (PNEA): Epilepsieähnliche Anfälle mit psychischen Ursachen werden oft mit epileptischen Anfällen verwechselt und können auch zusätzlich zu einer Epilepsie vorkommen. Psychosomatische Anfälle sind weder vorgetäuscht noch eingebildet. Mögliche Ursachen sind z.B. traumatische Erlebnisse oder belastende Lebensumstände. Gegen PNEA hilft Psychotherapie, Antiepileptika sind hier wirkungslos. Bei einer EEG-Untersuchung während eines psychogenen Anfalls sind die Hirnströme normal.

Die Abgrenzung ist wichtig für die Therapie und Verwechslungen können gefährlich sein. Bei häufigen Anfällen kann ein Langzeit-EEG die Hirnströme während des Anfalls messen und so bei der Abgrenzung helfen. Anfall-Videos und Berichte von Angehörigen können wertvolle Hinweise über die Anfallsart liefern.
Beispiel: Bei einer Synkope sind die Augen eher nach oben verdreht, bei einem epileptischen Anfall sind sie eher weit offen und blicken starr geradeaus, während bei PNEA die Augen meist geschlossen sind.

4. Anfallsformen bei Epilepsie

Epileptische Anfälle dauern meistens nur wenige Sekunden oder Minuten und haben sehr verschiedene Formen.

  • Sie können das gesamte Gehirn betreffen (= generalisierte Anfälle) oder nur eine oder mehrere Hirnregionen (= fokale Anfälle).
  • Epileptische Anfälle können plötzlich und unvermittelt kommen oder mit Vorboten, den sog. Auren.
  • Epileptische Anfälle gibt es mit und ohne Störungen des Bewusstseins.
  • Die Anfälle können unscheinbar oder sehr auffällig sein. Von kurzen Aussetzern, ungewöhnlichen Gefühlen oder kleinen Zuckungen eines Arms oder Beins bis hin zu Krampfanfällen mit Sturz, Krämpfen und Zuckungen ist alles möglich.
  • Epileptische Anfälle gibt es mit und ohne bestimmte Auslöser (= Trigger).

4.1. Grand mal

Grand-mal-Anfälle werden auch "große Anfälle" genannt und heißen in der Medizin tonisch-klonische generalisierte Anfälle. Der Name "Grand mal" kommt aus dem Französischen und heißt "Großes Übel". "Tonisch" bedeutet "angespannt" und "klonisch" heißt "ruckartig". Bei diesen Anfällen stürzen die Betroffenen und werden bewusstlos. In der tonischen Phase verkrampft der ganze Körper und wird steif und in der klonischen Phase kommen dann Zuckungen dazu. Weitere typische Symptome sind bläuliche Hautverfärbungen, Einnässen, Speichelaustritt und Bissverletzungen an der Zunge. Viele müssen sich nach einem Grand-mal-Anfall lange erholen bzw. schlafen.

4.2. Petit mal

Früher war auch die französische Bezeichnung "Petit mal" (= "kleines Übel") für kleinere Anfälle üblich. Der Begriff wurde und wird uneinheitlich gebraucht und kommt aus einer Zeit, als Epilepsie noch nicht so genau erforscht war.

  • Zum Teil wurden damit alle epileptischen Anfälle bezeichnet, die keine Grand-mal-Anfälle sind.
  • Teils waren damit nur alle generalisierten epileptischen Anfälle gemeint, die keine Grand-mal-Anfälle sind.
  • Teils wurde es als Synonym für sog. Absencen verwendet.
  • Teils waren damit alle epileptischen Anfälle ohne starke Krämpfe und Zuckungen gemeint.

4.3. Absencen

Eine sehr milde Form des generalisierten Anfalls ist die sog. Absence, die oft als "Verträumtheit" oder "Aussetzer" verkannt wird. Dabei setzt das Bewusstsein kurz aus und die Betroffenen halten in ihrer momentanen Tätigkeit inne. Manchmal zucken die Augenlider leicht. Stürze und ausgeprägte Krämpfe kommen nicht vor. Absencen sind bei Kindern und Jugendlichen besonders häufig. Sie werden manchmal mit ADHS verwechselt, ADHS und Absencen können aber auch gemeinsam auftreten.

4.4. Fokaler Anfall

Diese Anfallsform betrifft nur einen oder mehrere Teile des Gehirns. Die Art des Anfalls hängt von den Aufgaben der betroffenen Teile des Gehirns ab und die Symptome sind sehr unterschiedlich.

Beispiele:

  • Eigenartiges Verhalten, z.B. Schmatzen, Kauen, Zupfen an der Kleidung, Brummen, bestimmte Gesichtsausdrücke
  • Halluzinationen, z.B. Sehen von Blitzen, Hören von Stimmen, Schmecken eines üblen Geschmacks, Riechen eines Dufts
  • Missempfindungen, z.B. Kribbeln, Wärme- oder Kältegefühl, Taubheitsgefühle, Drehschwindel, plötzliche Übelkeit
  • Muskelzuckungen und/oder Krämpfe in einzelnen Körperteilen, z.B. in einem Arm oder im Gesicht
  • Herzrasen
  • Plötzliche Angst oder Wut

 

Fokale Anfälle werden eingeteilt in

  • komplex-fokale Anfälle mit Bewusstseinsstörungen, bei denen sich Betroffene hinterher nicht mehr an den Anfall erinnern können
  • und einfach-fokale Anfälle ohne Bewusstseinsstörungen, bei denen die Betroffenen alles mitbekommen und hinterher auch noch wissen. Einfach fokale-Anfälle sind z.B. die sog. Auren.

Ein anfangs fokaler Anfall kann sich zu einem generalisierten Anfall entwickeln. Der Anfall heißt dann "sekundär generalisiert".

4.5. Auren und Prodromi als Anfallsvorboten

Ähnlich wie bei einer Migräne kann es vorkommen, dass bestimmte Symptome einen Anfall ankündigen: die sog. Auren und Prodromi.

Prodromi (von lateinisch "Vorboten") sind Vorboten eines Anfalls, wie, z.B. Reizbarkeit, Appetitlosigkeit oder Niedergeschlagenheit. Sie können schon Tage oder Stunden vor einem Anfall auftreten und sind danach wieder weg.

Auren (von lateinisch "Hauch") sind einfach-fokale Anfälle, z.B. mit verzerrter Wahrnehmung, Angstgefühlen, depressiver Stimmung oder unangenehmen körperlichen Gefühlen. Auren erkennen meistens nur die Betroffenen selbst und sie sind schwer zu beschreiben. Betroffene erleben Auren oft als Vorboten für einen stärkeren Anfall, weil sich einfach-fokale Anfälle zu komplex-fokalen oder generalisierten Anfällen weiterentwickeln können.

4.6. Status epilepticus

Status epilepticus ist

  • ein epileptischer Anfall, der länger als 5 Minuten dauert
    oder
  • eine Anfallsserie mit mindestens 2 Anfällen innerhalb von mehr als 5 Minuten ohne Erholung zwischen den Anfällen.

Er kann lebensbedrohlich sein und muss so schnell wie möglich medikamentös behandelt werden. Der Status epilepticus kann bei allen Anfallsformen auftreten. Nach ca. 30 Minuten ohne Unterbrechung eines Status epilepticus bei generalisierten Krampfanfällen drohen bleibende Schäden oder der Tod. Bei anderen epileptischen Anfallsarten wie z.B. fokalen Anfällen oder Absencen ist unklar, nach welcher Anfallsdauer diese Gefahr besteht.

Nicht-epileptische Anfälle (siehe oben) dauern zwar oft länger als epileptische Anfälle, aber auch ein vermeintlich nicht-epileptischer Anfall kann ein Status epilepticus sein. Den Unterschied finden nur Fachleute mit Diagnosemethoden wie z.B. einem EEG und einer Blutuntersuchung heraus.

5. Ursachen und Risikofaktoren

Epilepsie ist in den ersten Lebensjahren und bei Menschen über 50–60 Jahren besonders häufig, das heißt in diesen Altersgruppen ist das Risiko zu erkranken am höchsten.

Epileptische Anfälle können verschiedene Ursachen haben, z.B.:

  • Genetische Veranlagung
  • Schädel-Hirn-Trauma (z.B. bei Sportunfällen)
  • Tumor
  • Hirnhautentzündung (= Meningitis) oder Gehirnentzündung (Enzephalitis)
  • Autoimmunerkrankung
  • Komplikationen in der Schwangerschaft und bei der Geburt, z.B. Frühgeburt, Sauerstoffmangel, Hirnblutungen
  • Durchblutungsstörung (z.B. bei einem Schlaganfall oder Bluthochdruck)
  • Stoffwechselstörung
  • Alkohol, Drogen oder Medikamente
  • Akute Krankheit (z.B. Nierenversagen, Schilddrüsenerkrankungen, Krankheiten mit Fieber)
  • Auslöser wie z.B. Schlafentzug, Vergiftung oder Unterzucker

Oft bleibt aber die Ursache unbekannt.

Zur Vorbeugung von Hirnhautentzündungen und Gehirnentzündungen und daraus folgenden Epilepsien sind einige Schutzimpfungen möglich, z.B. gegen Haemophilus, Pneumokokken, Gruppe-C-Meningokokken, FSME (Frühsommer-Meningoenzephalitis, wird von Zecken übertragen), japanische Enzephalitis, Tollwut, Windpocken, Masern und Grippe (Influenza).

Das Epilepsie-Risiko wird außerdem geringer, wenn Menschen den Konsum von Alkohol und Drogen einschränken, einen gesunden Lebensstil pflegen, der z.B. Schlaganfällen und Bluthochdruck vorbeugt und Krankheiten bestmöglich behandeln lassen.

6. Vorsichtsmaßnahmen

6.1. Praxistipps: Lebensqualität und Sicherheit bei Epilepsie

Epileptische Anfälle können zu Verletzungen und sogar zum Tod führen. Außerdem besteht ein gewisses Risiko, bei einem Status epilepticus oder durch SUDEP (siehe unten) zu versterben oder Langzeitschäden davon zu tragen. Wenn Sie Epilepsie haben, oder z.B. Ihr Kind, Partner oder Elternteil, wollen Sie vielleicht sehr viel tun, um diese Risiken zu senken. Doch zu viele Sicherheitsmaßnahmen können die Lebensqualität deutlich verringern.

  • Als Eltern von Kindern und Jugendlichen mit Epilepsie sollten Sie bedenken: Kinder mit Epilepsie brauchen genau wie andere Kinder auch Freiräume und Zeiten, in denen sie unbeobachtet sein können. Überbehütung und übersteigerte Sicherheitsmaßnahmen können die Entwicklung beeinträchtigen. Am besten sind Mittelwege, die Sicherheitsmaßnahmen mit den Freiheitsbedürfnissen in einen guten Ausgleich bringen und mit dem Kind/Jugendlichen gemeinsam ausgehandelt werden.
  • Als Angehörige von Erwachsenen mit Epilepsie sollten Sie beachten: Erwachsene haben ein Recht darauf, selbstbestimmt mit dem durch Epilepsie erhöhten Risiko umzugehen, solange sie nur sich selbst gefährden. Wer die Risiken einschätzen und verstehen kann, kann sich ggf. in einigen Situationen für mehr Lebensqualität und weniger Sicherheit entscheiden, auch wenn Ihnen das Sorgen bereitet. Umgekehrt kann ein Mensch mit Epilepsie sich mehr Sicherheit von Ihnen wünschen, als Sie geben können oder wollen, und/oder sich von gemeinsamen Aktivitäten stark zurückziehen. In offenen Gesprächen können Sie das Ausmaß der Sicherheitsmaßnahmen besprechen, ggf. Kompromisse aushandeln und so Belastungen der Beziehung vermeiden.
  • Als Mensch mit Epilepsie sollten Sie sich aus mehreren Quellen informieren, welche Risiken in welchem Umfang tatsächlich bestehen, um weder übervorsichtig Ihre Lebensqualität zu sehr einzuschränken, noch fahrlässig Ihre Gesundheit und Ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Angehörigen können Sie offen sagen, dass Sie deren Sorgen – oder Leichtsinn – verstehen, aber über Ihre Sicherheit und Ihre Lebensqualität selbst entscheiden. Beim Autofahren mit Epilepsie geht es nicht nur um Ihre eigene Sicherheit, sondern auch um die Sicherheit anderer Menschen. Mehr Informationen unter Epilepsie > Autofahren.
  • Als Elternteil mit Epilepsie können Anfälle Ihre Kinder gefährden, vor allem wenn diese noch sehr klein sind, z.B. bei einem Sturz mit dem Kind auf dem Arm. Deshalb können Sie eine sog. Elternassistenz beantragen. Die Assistenzperson übernimmt Ihre elterlichen Aufgaben, wenn Sie einen Anfall haben oder während Sie sich davon erholen und gewährleistet so die Sicherheit Ihrer Kinder.

6.2. Verringerung des Verletzungsrisikos bei Anfällen

Ein epileptischer Anfall kann Betroffene in gefährliche Situationen bringen. Folgende Hinweise können dabei helfen, das Verletzungsrisiko im Alltag zu reduzieren:

  • Die häufigsten Todesfälle bei Epilepsie geschehen durch Ertrinken. Daher wird Betroffenen geraten nur unter Aufsicht zu baden und zur eigenen Sicherheit lieber zu duschen.
  • Beim Rauchen besteht bei einem Anfall Brandgefahr. Daher am besten nicht oder nur in der Nähe von anderen Menschen rauchen.
  • Wegen Sturzgefahr beim Schlafen ein niedriges Bettgestell wählen.
  • Scharfe Kanten und Gegenstände in der Wohnung sichern bzw. entfernen.
  • Nur die hinteren Herdplatten beim Kochen verwenden, um das Verbrennungsrisiko zu minimieren.
  • Kurze Wege beim Transportieren von Gegenständen oder heißen Speisen.
  • Sicherheitsabstand zu Straßen, offenen Feuerstellen und Gewässern einhalten.
  • Alkohol nur in geringen Mengen und nicht regelmäßig konsumieren.
  • Auf einen konstanten Schlafrhythmus und individuelle Auslösefaktoren achten, starke Belastungen vermeiden.
  • Einen Anfallskalender verwenden, um ggf. vorhandene Anfallsauslöser zu erkennen und die Behandlung zu verbessern. Ein solcher Kalender kann unter www.epilepsie-vereinigung.de > Suchbegriff: "Anfallskalender" heruntergeladen werden.

6.3. Plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie: SUDEP

SUDEP ist die Abkürzung für "sudden unexpected death in epilepsy". Übersetzt heißt das "plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie". Wie auch beim sog. plötzlichen Kindstod können Menschen mit Epilepsie plötzlich und unerwartet versterben. Meistens werden Betroffene morgens tot im Bett gefunden. Die Todesursache lässt sich oft nicht klären. Das passiert zwar nur sehr selten, aber bei Menschen mit Epilepsie häufiger als bei Menschen ohne Epilepsie. Bei Grand-mal-Anfällen ist das Risiko besonders hoch, besonders wenn diese im Schlaf kommen. Die genaue Ursache für SUDEP ist unbekannt.

Zur Vorbeugung helfen

  • bestmögliche Behandlung der Epilepsie (z.B. regelmäßige medizinische Kontrollen und Medikamenteneinnahme),
  • Schlafen in Rückenlage oder Seitenlage mit einem kleinen harten Kopfkissen, bei Kindern unter 1 Jahr ohne Kopfkissen,
  • bei häufigen Anfällen: ein Alarmsystem, das im Anfallsfall sofort eine Person in der Nähe informiert.

Wahrscheinlich lässt sich SUDEP oft verhindern, wenn Betroffene nach einem Grand-mal-Anfall nicht allein bleiben. Anwesende können den Menschen nach dem Anfall ansprechen, berühren, rütteln, umdrehen und in die stabile Seitenlage bringen. Bei Atemaussetzern und Herzstillstand können sie einen Notruf absetzen und Wiederbelebungsmaßnahmen beginnen. Diese Maßnahmen können z.B. Angehörige von Menschen mit Epilepsie in einem Erste-Hilfe-Kurs einüben.

7. Erste Hilfe bei Anfällen

Wer bei epileptischen Anfällen Erste Hilfe leistet, sollte Folgendes beachten:

7.1. Beginnender Anfall

  • Betroffene Person auf den Boden legen, um einem Sturz vorzubeugen (ggf. Brille abnehmen).
  • Kissen oder Kleidungsstück unter den Kopf legen.
  • Alle Gegenstände entfernen, die zu Verletzungen oder Gefahren führen könnten, z.B. den heißen Kaffee oder Gegenstände in der Nähe, an denen die betroffene Person sich stoßen könnte.
  • Enge Kleidungsstücke, insbesondere am Hals, möglichst lockern.

7.2. Während des Anfalls

  • Ruhe bewahren.
  • Seltsame Körperhaltungen und freie Zuckungen ermöglichen und möglichst Platz dafür schaffen, falls noch nicht geschehen, sonst drohen Verletzungen. Die Muskelspannung bei Krampfanfällen ist so hoch, dass beim Festhalten oder bei Versuchen Körperteile (z.B. Arme, Beine oder Finger) zu bewegen Knochenbrüche und andere Verletzungen sehr wahrscheinlich sind. Derartiges unbedingt unterlassen.
  • Zungenbisse passieren wenn dann gleich zu Beginn eines Anfalls. Es ist schädlich und sinnlos zu versuchen, sie während des Anfalls zu verhindern. Wer einen Beißkeil oder anderen Gegenstand zwischen die Zähne schiebt, kann dabei nur den Kiefer brechen und die Zähne zerstören, aber nicht die Zunge schützen.
  • Es ist sinnlos und eventuell schädlich zu versuchen einen Anfall zu beeinflussen oder zu beenden, z.B. durch kaltes Wasser oder Schütteln. Derartiges unbedingt unterlassen.
  • Auf die Uhr schauen und Notfallmedikamente erst nach der ärztlich angegebenen Zeit geben, weil sie erhebliche Nebenwirkungen haben. Normalerweise enden epileptische Anfälle von allein während 2 bis höchstens 3 Minuten. Notfallmedikamente sind dafür da, einen Status epilepticus bzw. eine Anfallsserie zu beenden. Ohne Uhr wird die Anfallsdauer häufig erheblich überschätzt.
  • Dauer und Begleiterscheinungen des Anfalls beobachten. Auf die Augen achten: Sind sie geschlossen, offen, starr oder verdreht? Die Beobachtungen können Fachleuten bei der Einschätzung der Anfallsart und Abgrenzung von nicht-epileptischen Anfällen helfen.
  • Dauert der Anfall länger als 5 Minuten, sofort den ärztlichen Notdienst (Tel. 112) rufen!

7.3. Nach dem Anfall

  • Betroffenen in die stabile Seitenlage bringen, da es oft zu erhöhtem Speichelfluss kommt.
  • Atemwege freihalten.
  • Auf einen Anfall folgt in der Regel eine kurze Schlaf- bzw. Erholungsphase. Währenddessen die betroffene Person nicht wecken, sondern vor Unterkühlung schützen.
  • Unbedingt dabeibleiben, bis die betroffene Person wieder vollständig orientiert ist. Dies ist durch einfache Fragen, wie z.B. "Wie heißt du? Wo bist du? Welcher Tag ist heute?", herauszufinden.
  • Wenn möglich den Anfall dokumentieren: Wann ist er passiert? Wie lange hat er gedauert? Wie ist er abgelaufen? Waren die Augen offen, geschlossen, starr oder verdreht? Das erleichtert die Behandlung deutlich.

8. Erste ärztliche/fachärztliche Untersuchung

Gerade bei einem ersten Epilepsieanfall stehen behandelnden Ärzten nur wenige Informationen über die Symptome des Anfalls zur Verfügung. Zwar beinhaltet eine erste körperliche Untersuchung u.a. technische Hilfsmittel wie die Elektroenzephalographie (EEG) und die Magnetresonanztomographie (MRT, besonders bei Kindern), aber es kann ratsam sein, das Gesicht des Betroffenen während des Anfalls zu fotografieren. Besonders die Augen des Betroffenen liefern wichtige Hinweise: Sind die Augen zu Beginn eines Anfalls geschlossen, stehen die Chancen gut, dass es sich nicht um einen epileptischen Anfall handelt. Auch Videoaufnahmen von Anfällen können helfen. Experten raten normalerweise spätestens nach dem zweiten Anfall zu einer medizinischen Behandlung.

9. Hilfsmittel bei Anfällen

9.1. Signalgeräte

Signalgeräte können vor allem Epilepsie-Patienten helfen, die besonders nachts Anfälle haben. Dabei wird ein Sensor an der Matratze des Epilepsiekranken montiert. Die Sensoren unterscheiden normale Schlafbewegungen von einem Anfall mit Krämpfen.

Bei einem Anfall löst das Gerät einen Alarm aus, z.B. im Elternschlafzimmer, beim Partner, anderen Angehörigen oder in einer Notrufzentrale. So ist eine sichere Betreuung möglich. Der Anfall wird zudem aufgezeichnet und mit Dauer und Stärke dokumentiert. Das liefert auch wichtige Informationen für die Behandlung und kann SUDEP verhindern.

Signalgeräte für epileptische Anfälle können ärztlich verordnet und von der gesetzlichen Krankenversicherung als Hilfsmittel übernommen werden. Im Hilfsmittelkatalog haben sie die Pos.-Nr. 21.46.01.0 und laufen unter "Geräte mit Bettsensor". Versicherte ab 18 Jahren leisten eine Zuzahlung in Höhe von 10 % des Abgabepreises, mindestens 5 € und höchstens 10 €.

9.2. Sturzmelder

Sturzmelder können bei Anfällen mit Bewusstseinsverlust und Sturz helfen. Das Gerät reagiert bei unbeweglichem Liegen und löst bei fehlender Reaktion nach einiger Zeit einen Alarm aus.

Dieses zweistufige System verhindert, wie bei den Signalgeräten, Fehlalarme. Zudem können Patienten selbst einen Alarm auslösen, wenn sie zwar bei Bewusstsein sind, aber Hilfe brauchen.

Voraussetzung dafür ist, dass Patienten über ein Hausnotrufgerät verfügen, damit ein Alarm an Angehörige oder an eine Notrufzentrale abgesetzt werden kann. Haben Betroffene einen Pflegegrad, übernimmt die Pflegekasse auf Antrag den Basispreis für Hausnotrufgeräte mit Kassenzulassung. Die Kosten für Zusatzleistungen (z.B. für einen Hintergrunddienst, der bei Bedarf hilft, wenn der Einsatz des Rettungsdiensts unnötig ist, und für eine Schlüsselhinterlegung) oder für nicht zugelassene Hausnotrufgeräte müssen Pflegebedürftige selbst tragen. Falls die Zusatzleistungen erforderlich sind, um in einer eigenen Wohnung leben zu können, ist eine Finanzierung über die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen möglich.

9.3. Epilepsiehunde

Im Gegensatz zu anderen Führ- oder Servicehunden wachsen künftige Epilepsiehunde meist beim Patienten und seiner Familie auf und werden dort ausgebildet. Grund ist, dass sie den Patienten sehr genau kennenlernen müssen, um Veränderungen vor dem Anfall zu erkennen.

Es gibt 2 Arten von Epilepsiehunden:

  • Warnhunde haben die Fähigkeit, einen kommenden Anfall zu spüren und warnen dann den Betroffenen, sodass dieser Zeit hat, sich z.B. vor Verletzungen zu schützen. Die Warnung erfolgt in der Regel durch Anstupsen oder Auflegen der Pfote.
  • Anzeigehunde lernen, einen tatsächlichen Anfall zu erkennen und dann in vorher geübter Art und Weise zu helfen, z.B. einen Alarm auszulösen, andere Menschen auf die Notsituation aufmerksam zu machen, Notfallmedikamente zu bringen oder gefährliche Gegenstände aus der Reichweite des Patienten zu entfernen.

Krankenkassen übernehmen die Kosten für Epilepsiehunde in der Regel nicht.

Umfangreiche Informationen zum Assistenzhundtraining bietet das Deutsche Assistenzhunde-Zentrum, für Epilepsie unter www.assistenzhunde-zentrum.de > Assistenzhunde > Epilepsiewarnhund.

10. Praxistipps

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Letzte Bearbeitung: 12.03.2024

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