Epilepsie > Beruf

1. Das Wichtigste in Kürze

Epilepsie wirkt sich verschieden auf das Arbeitsleben aus, je nach Anfallsrisiko, Art und Häufigkeit der Anfälle, Wirkung der Medikamente, Beruf und Arbeitsplatz. Bei der Berufswahl sollten sich junge Menschen mit Epilepsie frühzeitig beraten lassen. Tritt die Erkrankung erst im Erwachsenenalter auf oder verändert sich ihre Erscheinungsform, müssen evtl. ein Berufswechsel, ein Arbeitsplatzwechsel oder eine Anpassung des Arbeitsplatzes an die Erkrankung erwogen werden. Eine Meldung an den Arbeitgeber oder eine Mitteilung im Vorstellungsgespräch ist nur nötig, wenn die Epilepsie die Arbeit erheblich beeinträchtigt, z.B. wegen einer Gefährdung durch Anfälle bei der Arbeit an Maschinen. Eine private Absicherung gegen Berufsunfähigkeit ist bei Epilepsie schwierig. Es gibt jedoch viele Hilfen wie z.B. Lohnfortzahlung und Krankengeld bei Arbeitsunfähigkeit, Lohkostenzuschüsse aus dem Budget für Arbeit oder Arbeitsassistenz.

2. Berufswahl

Die große Herausforderung ist, persönliche Wünsche, Leistungsfähigkeit und Einschränkungen, die eine Epilepsie mit sich bringen kann, individuell abzustimmen. Statt die Berufswahl mit dem eingeschränkten Blick zu treffen, was alles „nicht“ geht, wenn man Epilepsie hat, sollte zuerst die Frage gestellt werden: Wo liegen die eigenen Neigungen, Interessen und Begabungen? Danach werden die möglichen Berufsfelder genauer betrachtet. Nicht immer kann der Wunschberuf erlernt werden, weil z.B. von einer Eigen- oder Fremdgefährdung auszugehen ist (siehe unten). Aber häufig sind Berufswünsche realisierbar oder es finden sich verwandte Berufe, die nur weniger bekannt sind.

Besonders, wenn Jugendliche neben der Epilepsie weitere Einschränkungen haben, z.B. eine Lernbehinderung, bieten die Berufsbildungswerke verschiedene Möglichkeiten. Diese Einrichtungen bilden vor allem junge Menschen mit Behinderungen aus. Adressen unter www.bagbbw.de > BBW vor Ort.

Es gibt keine Berufe, die bei der Diagnose Epilepsie generell ungeeignet sind. Denn wann die Epilepsie im Beruf gefährlich werden kann hängt von mehr ab als nur vom gewählten Beruf:

  • Wie hoch ist das Anfallsrisiko noch? Je länger ein Mensch mit Epilepsie schon anfallsfrei ist, desto niedriger ist es normalerweise.
  • Wie häufig sind die Anfälle?
  • Welche Anfälle treten auf? Epileptische Anfälle können sehr verschieden sein, und ganz unterschiedliche Auswirkungen haben. Näheres unter Epilepsie > Ursachen - Diagnose-Formen. Manche sind so unproblematisch, dass damit sogar Autofahren möglich ist, Näheres unter Epilepsie > Autofahren.
  • Treten die Anfälle plötzlich auf, oder gibt es Vorboten (sog. Prodromi oder Auren) die eine vorbeugende Handlung ermöglichen?
  • Sind Anfälle während der Arbeitszeit wahrscheinlich, oder kommen sie z.B. immer nur aus dem Schlaf heraus?
  • Haben die Medikamente Nebenwirkungen und wenn ja welche?
  • Welche berufstypischen Gefährdungen sind an einem bestimmten Arbeitsplatz vermeidbar?

2.1. Eigengefährdung

Eine Eigengefährdung besteht z.B. bei der Gefahr durch Anfälle mit gesundheitsschädlichen elektrischen Spannungen, infektiösen oder toxischen Stoffen in Berührung zu kommen. Zudem sind Gefährdungen durch ungeschützte bewegte Maschinenteile, Absturzmöglichkeiten, Arbeit in engen Räumen oder Alleinarbeit möglich.

2.2. Fremdgefährdung

Fremdgefährdung ist z.B. gegeben bei anfallsbedingter Unterbrechung der Aufsicht von Minderjährigen bzw. Menschen mit geistig oder körperlichen Behinderungen im Bereich sozialpflegerischer oder pädagogischer Berufe. Das lässt sich ggf. vermeiden, wenn im Anfallsfall sofort eine andere Person die Aufsicht übernehmen kann.

3. Mitteilung an den Arbeitgeber

Menschen mit Epilepsie müssen ihrem Arbeitgeber die Diagnose Epilepsie nur mitteilen, wenn es die Arbeit erheblich beeinflusst, also z.B. wenn

  • bei einem epileptischen Anfall ein Risiko für eine Selbst- oder Fremdgefährdung bestehen würde.
  • durch die Epilepsie bei der Arbeit für das Arbeitsergebnis erhebliche Fehler passieren können.
  • die Epilepsie oder Nebenwirkungen der Behandlung die Leistungsfähigkeit einschränken.

Betroffene müssen die Epilepsie in diesen Fällen selbst ansprechen, nicht nur wenn der Arbeitgeber es erfragt. Sie müssen nur angeben, was sich auf die Arbeit auswirkt.

Beispiele:

  • Frau Maier arbeitet als Rechtsanwaltsfachangestellte und ist seit 3 Jahren anfallsfrei, aber ihr Antiepileptikum verursacht Konzentrationsstörungen. Sie muss dem Arbeitgeber zwar sagen, dass sie Konzentrationsstörungen durch ein Medikament hat, aber nicht, dass es sich um ein Antiepileptikum handelt und dass sie eine Epilepsie hat.
  • Herr Ylmaz arbeitet als Programmierer und hat häufige komplex-fokale Anfälle bei denen er die bisherige Tätigkeit trotz Bewusstseinsverlust automatisch fortsetzt. Dadurch kommt es immer wieder zu Fehleingaben in den Computer, die er danach mühsam entfernen muss. Er braucht deshalb deutlich länger als andere. Das muss er dem Arbeitgeber mitteilen.

4. Maßnahmen und Hilfen bei epilepsiebedingten Einschränkungen im Beruf

Treten Epilepsien erst nach der Berufsausbildung auf und können Betroffene deshalb ihre Tätigkeit trotz Behandlung nicht mehr ausüben, muss geprüft werden, welche Alternativen in Frage kommen. Empfohlene Tätigkeiten sind z.B. Kaufmännische Berufe und Beschäftigungen in Verwaltungen. Möglicherweise können Betroffene im selben Unternehmen weiterbeschäftigt werden. Ermöglicht werden kann das z.B. durch

  • Anpassung des Arbeitsplatzes, z.B. indem Gegenstände, die bei einem Anfall zu Verletzungen führen könnten, vom Arbeitsplatz entfernt werden, durch Schutzvorrichtungen an Maschinen oder durch Schaffung eines Rückzugsraums, in den sich Betroffene zurückziehen können, wenn sie spüren, dass ein Anfall auftritt.
  • Wechsel an einen Arbeitsplatz, an dem weiterhin die Erfahrungen und Qualifikationen von Beschäftigten genutzt werden können, an dem eine Eigen- oder Fremdgefährdung aber ausgeschlossen ist, z.B. Wechsel von der Montage zur telefonischen Service-Hotline.
  • Interne und externe Weiterbildung und Wechsel zu einem anderen Aufgabenbereich.

Kosten, die in diesem Zusammenhang entstehen, können unter Umständen im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben von verschiedenen Kostenträgern übernommen werden. Näheres unter Berufliche Reha > Leistungen und Berufliche Reha > Rahmenbedingungen.

Besteht aufgrund der Epilepsie eine Behinderung, dann gibt es zudem verschiedene Schutz-, Hilfs- und Fördermöglichkeiten. Näheres unter Behinderung > Berufsleben.

5. Gefährdungsrisiko

Der Ausschuss Arbeitsmedizin der Gesetzlichen Unfallversicherung hat die DGUV Information 250-001 – "Berufliche Beurteilung bei Epilepsie und nach erstem epileptischen Anfall" herausgegeben (siehe Praxistipps). Darin wird davon ausgegangen, dass bei Menschen mit Epilepsie grundsätzlich keine Bedenken bestehen, wenn sie als langfristig oder teilweise auch mittelfristig anfallsfrei gelten:

  • Als langfristig anfallsfrei gilt, wer mindestens 5 Jahre ohne antiepileptische Therapie keine Anfälle hat.
  • Als mittelfristig anfallsfrei gilt, wer
    • nach operativer oder mit medikamentöser Behandlung mindestens 1 Jahr anfallsfrei ist (in besonderen Fällen erst nach 2 Jahren Anfallsfreiheit)
      oder
    • mindestens 3 Jahre lang Anfälle ausschließlich aus dem Schlaf heraus hatoder
    • mindestens 1 Jahr ausschließlich Anfälle bei erhaltenem Bewusstsein, erhaltener Haltungskontrolle und Handlungsfähigkeit hat (kein Sturz, keine Bewusstseinsstörung, keine Störung der Willkürmotorik).

Nach Ablauf dieser Fristen wird das Gefährdungsrisiko im Beruf als so gering eingeschätzt, dass auch eine Vielzahl von Tätigkeiten wieder ausgeführt werden können, welche zuvor wegen Eigen- oder Fremdgefährdung nicht möglich waren.

Außerdem findet sich in dieser DGUV-Information eine Einschätzung des Gefährdungsrisikos nach Anfallsart. Die Symptome werden dabei in verschiedene Kategorien eingeteilt, so werden z.B. Anfälle mit Stürzen bei deutlich mehr Tätigkeiten als gefährlich eingeschätzt als Zuckungen einzelner Körperteile ohne Bewusstseinsverlust.

6. Leistungen bei Arbeitsunfähigkeit

Eine Epilepsie und ihre Behandlung kann, z.B. wegen einer Operation oder dem Zeitraum der Medikamenteneinstellung, eine längere Arbeitsunfähigkeit mit sich bringen. Um soziale Härten durch den Arbeitsausfall zu vermeiden, gibt es bei Arbeitsunfähigkeit – neben der Medizinischen Rehabilitation – einige finanzielle Leistungen, z.B. Entgeltfortzahlung durch den Beschäftigungsbetrieb sowie unter bestimmten Voraussetzungen Krankengeld von der Krankenkasse oder Arbeitslosengeld im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung (Arbeitslosengeld > Nahtlosigkeit) von der Agentur für Arbeit.

7. Leistungen bei Erwerbsminderung

Wer wegen Epilepsie nur noch unter 6 Stunden täglich auf dem sog. allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann, gilt als teilweise erwerbsgemindert, sind es unter 3 Stunden ist es eine volle Erwerbsminderung. Dann kann ggf. eine Erwerbsminderungsrente das Arbeitseinkommen ersetzen oder ergänzen. Wird diese abgelehnt oder ist sie zu gering, helfen verschiedene Sozialleistungen, wie z.B. Grundsicherung bei Erwerbsminderung oder Bürgergeld, Näheres unter Erwerbsminderung.

Eine Erwerbsminderung muss nicht bedeuten, nicht mehr zu arbeiten. Denn sie liegt schon vor, wenn die Fähigkeit eingeschränkt ist, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zu arbeiten. Daneben gibt es auch einen besonderen Arbeitsmarkt. Der besondere Arbeitsmarkt meint alle vom Staat geförderten Arbeitsverhältnisse, z.B. in einer Werkstatt für behinderte Menschen, in einem Inklusionsbetrieb oder mit unterstützter Beschäftigung, Näheres unter Alternativen zu Werkstätten für behinderte Menschen.

8. Berufsunfähigkeitsversicherung bei Epilepsie

Eine Berufsunfähigkeit genügt in den meisten Fällen nicht für einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente, vielmehr muss die Fähigkeit, irgendeine Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben, eingeschränkt sein. Die gesetzliche Berufsunfähigkeitsversicherung wurde in Deutschland abgeschafft. Näheres unter Erwerbsminderungsrente.

Wer eine private Berufsunfähigkeitsrente abschließen möchte, hat es mit einer Epilepsie-Diagnose schwer. Diese muss nämlich bei deren Abschluss angegeben werden, sonst zahlt die Versicherung später bei einer Berufsunfähigkeit nicht. Ggf. ist eine Berufsunfähigkeitsrente möglich, die nur greift, wenn die Berufsunfähigkeit eine andere Ursache als die Epilepsie hat.

9. Arbeitsassistenz bei Epilepsie

Arbeitsassistenz kann Menschen mit Epilepsie eine Berufstätigkeit in Anstellung oder Selbständigkeit ermöglichen. Arbeitsassistenz bei Epilepsie setzt voraus, dass der Mensch mit Epilepsie der Kernarbeit selbst nachgehen kann und nur für Hilfsarbeiten Assistenz braucht. Arbeitsassistenz kann ggf. eine krankheitsbedingte Kündigung wegen Epilepsie verhindern. Besonders wichtig ist das, wenn wegen Epilepsie die Fahrtauglichkeit verloren geht, Näheres unter Epilepsie > Autofahren.

Beispiel:

Eine wegen Epilepsie fahruntüchtige Sozialpädagogin arbeitet in einer mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht ausreichend erschlossen Region. Sie beantragt eine Fahrassistenz im Rahmen der Arbeitsassistenz. Ohne die Fahrassistenz hätte ihr Arbeitgeber ihr eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen müssen, denn ohne Auto kann sie einen Großteil der von ihr betreuten Familien nicht erreichen.

10. Budget für Arbeit

Eine Epilepsie kann die Leistungsfähigkeit vermindern. Beschäftigte brauchen dann ggf. für die gleiche Arbeit mehr Zeit als andere. Lohnkostenzuschüsse im Rahmen des sog. Budget für Arbeit können das ausgleichen, so dass sich die Beschäftigung für den Arbeitgeber wieder lohnt.

Besonders bei einer zusätzlichen Intelligenzminderung kann das Budget für Arbeit auch Anleitung und Begleitung am Arbeitsplatz finanzieren. Zur Unterscheidung von einer Arbeitsassistenz siehe Behinderung > Hilfen am Arbeitsplatz.

11. Praxistipps

12. Wer hilft weiter?

Integrationsamt oder Inklusionsamt, Agentur für Arbeit, Rentenversicherung, Krankenkassen, Unfallversicherung

13. Verwandte Links

Ratgeber Epilepsie

Epilepsie

Epilepsie > Behandlung

Epilepsie > Ursachen - Diagnose - Formen

Epilepsie > Autofahren

Epilepsie > Schwerbehinderung

Letzte Bearbeitung: 16.01.2024

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