Die Nahtlosigkeitsregelung ist eine Ausnahme vom Grundsatz, dass Arbeitslosengeld (ALG I) nur dann gezahlt wird, wenn Versicherte über 3 Stunden täglich erwerbsfähig sind. Sie soll Versicherte nahtlos (ohne Lücke) absichern, insbesondere während ihre Erwerbsfähigkeit vom zuständigen Rentenversicherungsträger geprüft wird.
Die Nahtlosigkeitsregelung ermöglicht ausnahmsweise, dass Arbeitslosengeld auch dann gezahlt wird, wenn Versicherte nicht über 3 Stunden täglich erwerbsfähig sind. Normalerweise ist es zwingende Voraussetzung für den Bezug von Arbeitslosengeld, dem Arbeitsmarkt zur Verfügung zu stehen.
Die Nahtlosigkeitsregelung soll Versicherte absichern, während der Rentenversicherungsträger die Erwerbsfähigkeit prüft. Die Prüfung dauert meist mehrere Monate – bei einem Rechtsstreit sogar Jahre, bevor medizinische Reha, berufliche Reha oder eine Erwerbsminderungsrente bewilligt oder abgelehnt wird.
Die Nahtlosigkeitsregelung soll nicht nur die Wartezeit überbrücken. Sie soll auch vermeiden, dass Menschen keine Leistung der Sozialversicherung bekommen, weil der Rentenversicherungsträger und die Agentur für Arbeit unterschiedliche Ansichten über die Erwerbsfähigkeit haben. Die Agentur für Arbeit darf das Arbeitslosengeld nicht ablehnen, weil sie meint, die Person könne nicht über 3 Stunden täglich erwerbstätig sein, wenn die Rentenversicherung festgestellt hat, dass keine Erwerbsminderung oder nur eine teilweise Erwerbsminderung besteht.
Die Nahtlosigkeitsregelung greift nach der sog. Aussteuerung, also wenn das Krankengeld nach der 78. Woche einer Arbeitsunfähigkeit ausgelaufen ist. Näheres zur Aussteuerung unter Krankengeld > Keine Zahlung.
Die sog. Anwartschaftszeit muss erfüllt sein. In der Regel ist sie erfüllt, wenn die antragstellende Person in den letzten 30 Monaten vor der Arbeitslosmeldung und dem Eintritt der Arbeitslosigkeit mindestens 12 Monate (= 360 Kalendertage) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat. Unter Umständen kann sie im Rahmen einer Sonderregelung bis Ende 2022 verkürzt sein. Näheres unter Arbeitslosengeld.
Es wurde eine der folgenden Leistungen bei der Rentenversicherung beantragt:
Der Antrag muss innerhalb 1 Monats nach Zugang eines entsprechenden Aufforderungsschreibens der Agentur für Arbeit gestellt worden sein. Wurde ein solcher Antrag unterlassen, ruht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nach Ablauf der Monatsfrist bis zu dem Tag, an dem die arbeitslose Person den Antrag stellt.
Anders als bei einer Sperrzeit verschiebt sich der Anspruch durch das Ruhen nur und wird nicht verkürzt. Hat der Rentenversicherungsträger die verminderte Erwerbsfähigkeit bereits festgestellt, besteht kein Anspruch auf Arbeitslosengeld nach der Nahtlosigkeitsregelung.
Das Arbeitslosengeld im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung wird gezahlt, bis eine Erwerbsminderung von der Rentenversicherung rechtskräftig festgestellt wurde, längstens bis der Arbeitslosengeldanspruch endet.
Die Nahtlosigkeitsregelung gilt deshalb auch in folgenden Situationen, solange die Agentur für Arbeit weiterhin davon ausgeht, dass die betroffene Person in der Leistungsfähigkeit so eingeschränkt ist, dass sie nicht mehr mindestens 15 Wochenstunden erwerbstätig sein kann:
Relevant ist, was die arbeitslose Person zuletzt im Bemessungszeitraum (in der Regel die letzten 52 Wochen vor Arbeitslosigkeit) tatsächlich verdient hat. Es kommt nicht darauf an, was die arbeitslose Person aufgrund der Minderung ihrer Leistungsfähigkeit verdienen könnte.
Wird für die Zeit des Arbeitslosengelds im Rahmen der Nahtlosigkeitsregelung rückwirkend Übergangsgeld gezahlt oder Rente gewährt, erhält die betroffene Person nur den evtl. überschießenden Betrag. War das Arbeitslosengeld höher, darf sie den überschießenden Betrag jedoch behalten.
Hat der Rentenversicherungsträger festgestellt, dass eine versicherte Person mindestens 3 Stunden pro Tag erwerbsfähig ist, kommt es häufig vor, dass auch die Agentur für Arbeit Leistungsfähigkeit von mehr als 15 Stunden wöchentlich annimmt und nicht (mehr) die Nahtlosigkeitsregelung anwendet.
Rechtmäßig ist dieses Vorgehen nur, wenn der medizinische Dienst der Agentur für Arbeit Erwerbsfähigkeit von mehr als 3 Stunden täglich festgestellt hat. Die Agentur für Arbeit darf sich nicht ausschließlich auf die Entscheidung der Rentenversicherung berufen, was in der Praxis jedoch trotzdem vorkommen kann.
Einige Menschen können aus gesundheitlichen Gründen nicht auf dem ersten Arbeitsmarkt erwerbstätig sein, obwohl die Agentur für Arbeit sie für mindestens 15 Wochenstunden erwerbsfähig hält. Um Arbeitslosengeld bekommen zu können, müssen sie sich dem Arbeitsmarkt „im Rahmen ihrer Möglichkeiten“ für eine leidensgerechte Tätigkeit zur Verfügung stellen.
Das bedeutet, sie müssen sich bereit erklären, eine für sie leistbare Arbeit anzunehmen, auch wenn sie davon ausgehen, dass es eine solche Arbeit nicht gibt.
Wer eine stufenweise Wiedereingliederung am früheren Arbeitsplatz versucht kann Arbeitslosengeld beziehen, wenn das Krankengeld bereits ausgelaufen ist.
Diese unentgeltliche Tätigkeit für den Arbeitgeber steht der Arbeitslosigkeit als Voraussetzung für den Bezug von ALG I nicht entgegen. Insbesondere gelten die Menschen während der Wiedereingliederung trotzdem als beschäftigungslos.
Während einer stufenweisen Wiedereingliederung liegt Arbeitsunfähigkeit in Bezug auf die frühere Tätigkeit vor. Gleichzeitig kann es aber sein, dass noch leichte Tätigkeiten für mindestens 15 Wochenstunden ausgeführt werden können. In diesem Fall sind die Betroffenen für die Agentur für Arbeit nicht arbeitsunfähig und können ganz normal Arbeitslosengeld bekommen.
Die Nahtlosigkeitsregelung brauchen diese Menschen nicht.
Zur Argumentation gegenüber der Agentur für Arbeit können Sie sich in dieser Situation auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 17.12.2013, Az.: B 11 AL 20/12 R beziehen. Sie können es in der Entscheidungsdatenbank der deutschen Sozialgerichtsbarkeit lesen und herunterladen unter www.sozialgerichtsbarkeit.de/legacy/167346?modul=esgb&id=167346.
Die örtliche Agentur für Arbeit
Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit
Rechtsgrundlagen: § 145 SGB III