Epilepsie > Schwerbehinderung

1. Das Wichtigste in Kürze

Menschen mit Epilepsie können vom Versorgungsamt ihren Grad der Behinderung (GdB) feststellen lassen und einen Schwerbehindertenausweis sowie sog. Merkzeichen beantragen. Die Höhe des GdB richtet sich nach Schwere, Häufigkeit, Art und tageszeitlicher Verteilung der Anfälle. Ab einem GdB von 50 gilt ein Mensch als schwerbehindert. Menschen mit Behinderungen können bestimmte Hilfen und Nachteilsausgleiche in Anspruch nehmen.

2. Allgemeines zu Schwerbehinderung und Merkzeichen

Unterstützung und Hilfen für Menschen mit Behinderungen sind hauptsächlich im SGB IX – Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen geregelt. Nachfolgend Links zu den allgemeinen Regelungen:

3. Versorgungsmedizinische Grundsätze

Das Versorgungsamt, Amt für Soziale Angelegenheiten oder Amt für Soziales und Versorgung bestimmt den Grad der Behinderung (GdB) und die sog. Merkzeichen im Schwerbehindertenausweis nach der sog. Versorgungsmedizinverordnung. Diese enthält als Anhang die sog. Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit Anhaltspunkten zur Höhe des GdB bei verschiedenen Krankheiten. Die Anhaltspunkte sind nur ein Orientierungsrahmen; die Berechnung ist vom individuellen Einzelfall abhängig.

Die Versorgungsmedizinverordnung mit den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen gilt auch für den sog. Grad der Schädigungsfolgen (GdS) bei der sozialen Entschädigung, z.B. für Gewaltopfer. Im Unterschied zum GdB geht es beim GdS nur um die Folgen eines bestimmten Ereignisses, z.B. einer Gewalttat. Näheres unter Grad der Behinderung.

3.1. Praxistipp

Die Versorgungsmedizin-Verordnung mit der besonders wichtigen Anlage 2 (Versorgungsmedizinische Grundsätze) finden Sie in ständig aktualisierter Form unter www.gesetze-im-internet.de/versmedv/index.html oder als übersichtliche Broschüre mit einer erläuternden Einleitung zum PDF-Download beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales unter www.bmas.de > Suchbegriff: "K710".

4. GdB/GdS bei epileptischen Anfällen

4.1. Kriterien für den GdB/GdS bei Epilepsie

Der GdB bzw. GdS bei epileptischen Anfällen hängt hauptsächlich von der Schwere, Art und Häufigkeit der Anfälle ab. Weil Anfälle am Tag meistens mehr Probleme machen als Anfälle im Schlaf, kommt es zusätzlich auf die Tageszeit der Anfälle an. Kommen Anfälle nur im Schlaf vor, ist der GdB meist niedriger als von der Anfallshäufigkeit her zu erwarten wäre.

Die Versorgungsmedizinischen Grundsätze unterscheiden zwischen folgenden Anfallsarten:

  • Generalisierte (große) Anfälle: Gemeint sind die früher in der Medizin als "Grand mal" (= großes Übel) bezeichneten tonisch-klonischen generalisierten Anfälle. "Tonisch" bedeutet "angespannt" und "klonisch" heißt "ruckartig". Generalisiert bedeutet, dass der Anfall das gesamte Gehirn betrifft. Bei diesen Anfällen wird der Mensch in der tonischen Phase unter anderem bewusstlos, versteift am ganzen Körper und stürzt. In der klonischen Phase zucken Arme, Beine, Rumpf und Gesicht.
  • Komplex-fokale Anfälle: Diese Anfälle betreffen nur einen Teil des Gehirns und das Bewusstsein ist dabei gestört. Betroffene haben hinterher Erinnerungslücken bezogen auf den ganzen Anfall oder Teile des Anfalls.
  • Kleine Anfälle: Gemeint sind die früher in der Medizin als "Petit mal" (= kleines Übel) bezeichneten generalisierten Anfälle mit kurzen Bewusstseinsaussetzern, aber ohne Verkrampfen. Betroffene wirken dabei verträumt oder unkonzentriert und können sich hinterher nicht daran erinnern. Darunter fallen z.B. sog. Absencen.
  • Einfach-fokale Anfälle: Diese Anfälle betreffen nur einen Teil des Gehirns. Betroffene haben dabei z.B. Zuckungen oder seltsame Empfindungen. Das Bewusstsein bleibt erhalten und Betroffene können sich hinterher an den Anfall erinnern.
  • Serien von generalisierten Krampfanfällen, von fokal betonten oder von multifokalen Anfällen: Bei einer Anfallsserie haben Betroffene an einem Tag mehrere Anfälle. Mit "generalisierten Krampfanfällen" sind nur generalisierte Anfälle mit Verkrampfungen gemeint. Fokal betonte und multifokale Anfälle betreffen jeweils nur Teile des Gehirns. Dabei finden fokal betonte Anfälle nur an einer Stelle im Gehirn statt und mulitfokale Anfälle an mehreren.

Näheres zu Anfallsarten unter Epilepsie > Ursachen - Diagnose - Formen.

 

Epileptische Anfälle

GdB/GdS

Sehr selten: generalisierte (große) und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von mehr als einem Jahr; kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Monaten

40

Selten: generalisierte (große) und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von Monaten; kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Wochen

50–60

Mittlere Häufigkeit: generalisierte (große) und komplex-fokale Anfälle mit Pausen von Wochen; kleine und einfach-fokale Anfälle mit Pausen von Tagen

60–80

Häufig: generalisierte (große) oder komplex-fokale Anfälle wöchentlich oder Serien von generalisierten Krampfanfällen, von fokal betonten oder von multifokalen Anfällen; kleine und einfach-fokale Anfälle täglich

90–100

Nach 3 Jahren Anfallsfreiheit bei weiterer Notwendigkeit antikonvulsiver ( = antiepileptischer) Behandlung

30

 

Nach 3 Jahren Anfallsfreiheit ohne Medikamente ist ein GdB wegen der Epilepsie nur noch bei nachgewiesenen Hirnschäden möglich.

Der GdB berücksichtigt alle sog. Funktionseinschränkungen eines Menschen gemeinsam: Hat z.B. ein Mensch mit Epilepsie auch Depressionen kann sein GdB höher ausfallen als nur mit Epilepsie, wenn die Depressionen seine Behinderung insgesamt verstärken.

4.2. Fallbeispiele: Absencen

  • Thomas hat eine Absence-Epilepsie mit generalisierten epileptischen Anfällen ohne Krampfen und Zuckungen. Er hat im Durchschnitt 2–3 Mal pro Woche Absencen, also kurze Bewusstseinsaussetzer. Das Versorgungsamt setzt seinen GdB auf 70 fest, weil er kleine Anfälle mit Pausen von Tagen hat.
  • Aya hat ebenfalls eine Absence-Epilepsie. Oft hat sie mehrere Absencen an einem Tag, aber das kommt im Schnitt nur 1–2 Mal pro Woche vor. Das Versorgungsamt setzt ihren GdB auf 70 fest, weil Aya zwar Anfallsserien hat, aber die Absencen sind weder generalisierte Krampfanfälle, noch fokal betonte oder multifokale Anfälle. Sie hat also ebenfalls "kleine Anfälle" mit Pausen von Tagen.

5. Merkzeichen

Wer wegen Epilepsie mit Anfällen einen GdB von mindestens 70 hat, bekommt im Schwerbehindertenausweis oft das Merkzeichen G für eine Gehbehinderung und das Merkzeichen B für eine notwendige Begleitperson in öffentlichen Verkehrsmitteln, die dann kostenlos mitfahren darf.

Bei mittelhäufigen Anfällen sind nämlich Unfälle beim zu Fuß gehen im Straßenverkehr und ohne Begleitperson auch in öffentlichen Verkehrsmitteln wahrscheinlich. Dieses Risiko kann die Mobilität genauso stark einschränken wie z.B. eine Lähmung oder Amputation.

Beispiele für Ausnahmen:

  • Anfälle nur im Schlaf
  • Nur einfach-fokale Anfälle ohne Unfallrisiko

Wer wegen Epilepsie einen GdB von 100 hat, bekommt oft das Merkzeichen H für hilflos. Minderjährige bekommen es oft schon bei einem niedrigeren GdB. Näheres unter Merkzeichen H.

6. Hilfen und Nachteilsausgleiche für Menschen mit Behinderungen

Menschen mit Epilepsie können verschiedene Hilfen und Nachteilsausgleiche bei Behinderung bekommen.

Beispiele:

Folgende Tabelle gibt eine Übersicht über alle GdB-abhängigen Nachteilsausgleiche: Tabelle Nachteilsausgleiche GdB. Hier sind die merkzeichenabhängigen Nachteilsausgleiche zusammengefasst: Tabelle Nachteilsausgleiche Merkzeichen.

Hier gibt es eine Linkliste mit finanziellen Hilfen, die bei Epilepsie infrage kommen können: Epilepsie > Finanzielle Hilfen.

7. Verwandte Links

Ratgeber Epilepsie

Ratgeber Behinderungen

Behinderung

Grad der Behinderung

Versorgungsamt

Epilepsie

Epilepsie > Therapie - OPs - Reha

Epilepsie > Ursachen - Diagnose - Formen

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Schädel-Hirn-Trauma

Grad der Behinderung bei Hirnschäden

Grad der Behinderung bei Hirnschäden im Kindes- und Jugendalter

Letzte Bearbeitung: 18.08.2023

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