Assistenzleistungen

1. Das Wichtigste in Kürze

Assistenzleistungen unterstützen Menschen mit Behinderungen darin, den Alltag selbstbestimmt zu bewältigen. Sie beinhalten die Begleitung und die teilweise oder vollständige Übernahme von Handlungen des Menschen mit Behinderung im Alltag. Assistenzleistungen müssen beantragt werden.

2. Rechtsanspruch auf Assistenzleistungen

Seit 1.1.2018 haben Menschen mit Behinderungen im Rahmen des Bundesteilhabegesetzes (BTHG) Rechtsanspruch auf Assistenzleistungen. Dabei handelt es sich um eine erweiterte Leistung zur sozialen Teilhabe. Um Assistenzleistungen in Anspruch nehmen zu können, müssen die Voraussetzungen der Eingliederungshilfe erfüllt sein.

Ab 1.11.2022 haben Menschen mit Behinderungen unter bestimmten Voraussetzungen auch Anspruch auf Begleitung und Assistenz im Krankenhaus.

Assistenzleistungen gibt es daneben auch in anderen Bereichen, die nicht zur Sozialen Teilhabe gehören: Im beruflichen Zusammenhang gibt es die Arbeitsassistenz und im Bildungsbereich z.B. die Schulbegleitung.

3. Welche Assistenzleistungen sind möglich

Um Menschen mit Behinderungen im sozialen Bereich zu unterstützen, stehen diesen gemäß der Eingliederungshilfe z.B. folgende Leistungen zur Verfügung:

  • Anleitung und Übung von allgemeinen Erledigungen des Alltags
  • Elternassistenz
  • Unterstützung bei der Haushaltsführung
  • Tagesstrukturierung
  • Lebensplanung
  • Freizeitgestaltung
  • Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben
  • Gestaltung sozialer Beziehungen und sportlicher Aktivitäten
  • Unterstützung bei der Gesundheitssorge, z.B. Assistenz bei der Einnahme notwendiger Medikamente
  • Leistungen zur Erreichbarkeit eines Ansprechpartners, z.B. Rufbereitschaft in Krisensituationen oder Herbeiholung einer persönlichen Ansprechperson, werden erbracht, wenn dies im Einzelfall erforderlich ist

Der Rechtsanspruch auf Assistenzleistungen bezieht sich auf alle Assistenzleistungen, die zur selbstbestimmten und eigenständigen Bewältigung des Alltages einschließlich der Tagesstrukturierung von Menschen mit Behinderungen im Sinne der Eingliederungshilfe benötigt werden. Das Gesetz nennt Beispiele, aber diese sind kein abschließender Leistungskatalog.

3.1. Qualifizierte Assistenz

Leistungen zur Befähigung zu einer eigenständigen Alltagsbewältigung werden als sog. qualifizierte Assistenz erbracht. D.h. pädagogische oder psychologische Fachkräfte beraten Menschen mit Behinderungen und helfen ihnen z.B. soziale Beziehungen herzustellen und zu erhalten oder ihre Freizeit zu gestalten. Es geht dabei darum, dass die Menschen mit Behinderung lernen und üben sollen, etwas selbst zu tun. Diese Form der Assistenz wird in der Regel für eine begrenzte Zeit bewilligt, bis die Betroffenen gelernt haben, ohne die Hilfen zurecht zu kommen.

3.2. Einfache Assistenz

Leistungen zur vollständigen oder teilweisen Übernahme von Tätigkeiten, die Menschen wegen ihrer Behinderung nicht selbst oder nicht allein ausführen können, können von Personen ohne besondere Qualifikation erbracht werden. Die Kostenträger bezahlen für diese Assistenzkräfte entsprechend weniger. Diese Leistungen sind in der Regel so lange erforderlich, wie die Behinderung besteht, also oft ein ganzes Leben lang. Der Rechtsanspruch besteht also zeitlich unbegrenzt.

4. Inanspruchnahme der Assistenzleistungen

Leistungsberechtigte Menschen mit Behinderungen wählen im Teilhabeplanverfahren (bei Zuständigkeit der Jugendhilfe im Hilfeplanverfahren) eine individuelle Gestaltung der Leistungen hinsichtlich Ablauf, Ort und Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Assistenzleistungen.

4.1. Sachleistung oder Persönliches Budget

Die Assistenzleistungen können als Dienstleistung (sog. Sachleistung) des jeweiligen Kostenträgers zur Verfügung gestellt werden. Alternativ können die Menschen mit Behinderungen aber auch ein sog. Persönliches Budget beantragen. Dabei bekommen sie Geld, um damit ihre Assistenzleistungen selbst zu bezahlen. Näheres dazu unter Persönliches Budget. Die Menschen mit Behinderungen haben das Recht selbst zu entscheiden, ob sie lieber die vom Kostenträger gestellte Dienstleistung oder das Persönliche Budget in Anspruch nehmen wollen.

4.2. Ergänzende Leistungen

Sind Fahrkosten oder andere Aufwendungen in Verbindung mit den Assistenzleistungen notwendig, greifen je nach der Besonderheit des Einzelfalls ergänzende Leistungen.

4.3. Assistenz während eines Ehrenamts

Wenn Menschen mit einer Behinderung eine Assistenz brauchen, während sie einer ehrenamtlichen Tätigkeit nachgehen, haben sie ein Recht darauf, sich Kosten für diese Assistenz erstatten zu lassen. Sachleistungen gibt es in dem Bereich nicht. Außerdem müssen dafür folgende weitere Voraussetzungen vorliegen:

  • Die Kosten müssen "angemessen" sein.
  • Es muss unmöglich oder unzumutbar sein, dass die Assistenz unentgeltlich erbracht wird.
  • Es wird beachtet, dass die Assistenz vorrangig von Menschen aus der Familie, dem Freundeskreis, der Nachbarschaft oder bei ähnlichen persönlichen Beziehungen erbracht werden soll.

In der Praxis ist es also meist schwierig, diese Kostenerstattung zu bekommen.

4.4. Poolen der Leistungen

Die Assistenzleistungen können gegen den Willen des Leistungsberechtigten "gepoolt" werden, d.h.: Die Leistungen müssen mit anderen Betroffenen geteilt werden, wenn es zumutbar ist. Zu der Frage, was im Einzelfall zumutbar ist und was nicht, kann es Streit zwischen den Leistungsberechtigten und dem Kostenträger geben. Es ist dann ratsam, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Ausnahmsweise ist das Poolen nicht zulässig, wenn der Leistungsberechtigte ausdrücklich erklärt, dass er das nicht möchte. Das gilt, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Wohnen außerhalb besonderer Wohnformen (z.B. in einer eigenen Wohnung, bei den Eltern oder zusammen mit Freunden)
    und
  • Assistenzleistungen im Zusammenhang mit dem Wohnen
    und
  • Bereich der Gestaltung sozialer Beziehungen und der persönlichen Lebensplanung

4.5. Folgen des Poolens

In der Praxis kommt es auf Grund dieser Regelungen dazu, dass manche Menschen mit Behinderungen gegen ihren Willen in eine stationäre Einrichtung ziehen oder dort wohnen bleiben. Denn wenn durch das Poolen die stationäre Leistung weniger kostet als die ambulanten Assistenzleistungen, kann es sein, dass die Assistenzleistungen nicht oder nicht in ausreichendem Umfang bewilligt werden.

Es gibt nämlich eine gesetzliche Regelung, die das ermöglicht (§ 104 SGB IX). Dort ist geregelt, dass Wünsche des Menschen mit Behinderung (z.B. der Wunsch in einer eigenen Wohnung zu leben) als "nicht angemessen" zurückgewiesen werden können, wenn dadurch die Kostenträger mehr zahlen müssten.

Dabei gilt:

  • Wenn der Mensch mit Behinderung sich ein Wohnen außerhalb von besonderen Wohnformen wünscht, muss der Träger dieser Wohnform den Vorzug geben.
    Aber: Das gilt nur, wenn das Wohnen außerhalb von besonderen Wohnform "in Betracht kommt".
  • Die Träger müssen bei der Entscheidung, ob das Wohnen außerhalb besonderer Wohnformen "in Betracht kommt" die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände einschließlich der gewünschten Wohnform "angemessen berücksichtigen".
  • Wenn es dem Menschen nicht zumutbar ist, dürfen die Wünsche des Menschen mit Behinderung nicht wegen der Kosten verwehrt werden.

Wann das Wohnen außerhalb besonderer Wohnformen "in Betracht kommt" regelt das Gesetz nicht. Es regelt auch nicht, wann es einem Menschen zugemutet werden darf, gegen seinen Willen in eine Einrichtung zu ziehen.

Hier kommt die UN-Behindertenrechtskonvention ins Spiel. Darin heißt es, dass sich die Vertragsstaaten dazu verpflichten zu gewährleisten, dass: "Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben."

Da Deutschland sich zur Einhaltung dieser Konvention verpflichtet hat, ist es rechtswidrig, wenn dennoch Menschen mit Behinderungen dazu gezwungen werden, in eine besondere Wohnform, z.B. in ein Heim zu ziehen. Sollte das in der Praxis dennoch vorkommen, können sich Betroffene dagegen zur Wehr setzen. Anwaltliche Hilfe ist dabei unbedingt zu empfehlen.

5. Praxistipps

  • Assistenzdienste unterstützen Menschen mit Behinderungen und Eltern von Kindern mit Behinderungen dabei, passende Assistenten zu finden. In der Regel helfen sie auch bei der Antragstellung, bei der Organisation der Assistenten und den Abrechnungen mit den Assistenten und den Trägern. Assistenzdienste gibt es zunehmend. Sie finden sie im Internet mit dem Suchbegriff "Assistenzdienst".
  • Besonders bei im Gesetz nicht genannten Assistenzleistungen oder hohem Assistenzbedarf, der mehr kostet als die Betreuung in einer Einrichtung, kann es im Einzelfall schwierig sein, den Anspruch durchzusetzen. Es kann sein, dass Anträge erst einmal abgelehnt werden. Dann helfen ein Widerspruch und ggf. eine Klage. Sie sind für die Betroffenen kostenlos.
    Wer anwaltliche Hilfe dafür braucht, muss diese allerdings grundsätzlich erst einmal bezahlen. Der Kostenträger, der die Leistung rechtswidrig verwehrt hat, muss die Anwaltskosten hinterher aber erstatten. Wer sich das nicht leisten kann, kann für das Widerspruchsverfahren Beratungshilfe und für gerichtliche Verfahren Prozesskostenhilfe beantragen.

6. Wer hilft weiter?

Der zuständige Kostenträger oder die unabhängige Teilhabeberatung.

Bei Widerspruch und ggf. Klage Rechtsanwaltskanzleien mit sozialrechtlichem Schwerpunkt.

7. Verwandte Links

Arbeitsassistenz

Alternativen zu Werkstätten für behinderte Menschen

Elternassistenz

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Behinderung > Hilfen am Arbeitsplatz

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Leistungen zur sozialen Teilhabe

Rehabilitation

Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen

 

Rechtsgrundlagen: §§ 78, 104 SGB IX

Letzte Bearbeitung: 26.01.2024

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