Das Wichtigste in Kürze
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erhalten Arbeitnehmende, wenn sie arbeitsunfähig sind und ihr Arbeitsverhältnis schon mindestens 4 Wochen dauert. Sie müssen die Arbeitsunfähigkeit dem Arbeitgeber melden. Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung beträgt 6 Wochen.
Gesetzliche Grundlage der Entgeltfortzahlung
Die Entgeltfortzahlung ist im Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt. Neben der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall regelt es auch die Entgeltfortzahlung an gesetzlichen Feiertagen bzw. für Beschäftigte in Heimarbeit die wirtschaftliche Sicherung bei Krankheit sowie die Feiertagsbezahlung.
Voraussetzungen der Entgeltfortzahlung
- Entgeltfortzahlung erhalten alle Arbeitnehmenden mit einem ununterbrochenen Arbeitsverhältnis von mind. 4 Wochen, auch geringfügig Beschäftigte und Auszubildende, unabhängig von der wöchentlichen Arbeitszeit.
- Als arbeitsunfähig gilt, wer die vertraglich vereinbarten Leistungen in Folge einer Krankheit oder eines Unfalls nicht erbringen kann, oder wer Gefahr läuft, dass sich eine Erkrankung durch Weiterarbeiten verschlimmern würde. Arbeitsunfähigkeit liegt auch vor, wenn zunächst noch ein Weiterarbeiten möglich wäre, aber absehbar ist, dass es dabei zu einer Arbeitsunfähigkeit kommen würde.
- Die Arbeitsunfähigkeit muss ohne Verschulden der arbeitnehmenden Person eingetreten sein.
Die Arbeitsunfähigkeit gilt bei vorwerfbarem Verhalten als selbstverschuldet, z.B. bei einem Verkehrsunfall infolge von Trunkenheit oder grober Fahrlässigkeit, grob fahrlässiger Verletzung der Unfallverhütungsvorschriften, einer besonders gefährlichen oder die Kräfte übersteigenden Nebentätigkeit oder selbst provozierten Raufereien.
Unachtsamkeit allein genügt nicht, um eine Entgeltfortzahlung zu verweigern. - Ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht auch bei
- nicht rechtswidriger Sterilisation,
- nicht rechtswidrigem Schwangerschaftsabbruch,
- rechtswidrigem aber straffreiem Schwangerschaftsabbruch,
- einer Organspende oder sonstigen Spende nach dem Transplantationsgesetz oder Transfusionsgesetz, wie z.B. einer Spende von Stammzellen und
- medizinischen Reha-Maßnahmen.
Praxistipp
Wenn Sie innerhalb der ersten 4 Wochen nach Beginn Ihres Arbeitsverhältnisses krank werden, bekommen Sie zwar keine Entgeltfortzahlung, aber Sie haben in der Regel Anspruch auf Krankengeld. Dafür müssen Sie sich schon am ersten Tag der Arbeitsunfähigkeit krankschreiben lassen, weil der Anspruch auf Krankengeld erst am Tag der Krankschreibung (= Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) beginnt. Ein Antrag ist nicht nötig, sondern nur die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung muss bei der Krankenkasse vorliegen. Bei gesetzlich Krankenversicherten übermittelt in der Regel die Arztpraxis oder das Krankenhaus die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung elektronisch an die Krankenkasse. Näheres unter Arbeitsunfähigkeit.
Pflichten von Arbeitnehmenden
- Arbeitnehmende müssen eine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich dem Arbeitgeber mitteilen, also so schnell wie möglich.
- Wer länger als 3 Kalendertage arbeitsunfähig ist, muss sich spätestens am folgenden Tag krankschreiben lassen. Denn an diesem Tag muss dem Arbeitgeber eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) vorliegen, aus der auch die voraussichtliche Dauer der Erkrankung hervorgeht. Seit 1.1.2023 müssen Arbeitgebende die elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (eAU) digital bei den Krankenkassen ihrer Beschäftigten abrufen.
Bis 31.12.2022 hatten Beschäftigte eine Übermittlungspflicht an den Arbeitgeber. Diese ist entfallen, außer die Arztpraxis hat technische Probleme bei der digitalen Übermittlung. Dann gibt es weiter Papierausdrucke, die zum Arbeitgeber geschickt werden müssen.
Arbeitgebende können jedoch auch früher eine ärztliche Bescheinigung fordern und abrufen. Falls die Arbeitsunfähigkeit länger andauert, müssen Beschäftigte wie bisher für eine weitere Krankschreibung durch die Praxis sorgen. - Für Privatversicherte gibt es keine eAU, sondern weiterhin Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auf Papier.
- Gibt es keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, kann der Betrieb die Entgeltfortzahlung verweigern, muss sie jedoch bei Vorliegen der eAU rückwirkend ab dem ersten Arbeitsunfähigkeitstag nachzahlen. Wer trotz Aufforderung des Arbeitgebenden nicht in eine Arztpraxis geht und die Arbeitsunfähigkeit bescheinigen lässt, kann nach entsprechender Weisung und Abmahnung auch gekündigt werden.
- Werden Arbeitnehmende im Ausland krank, sind sie ebenfalls zur Mitteilung verpflichtet. Zusätzlich müssen sie die voraussichtliche Dauer und die genaue Auslandsadresse mitteilen und ihre Krankenkasse benachrichtigen. Wenn die Arbeitsunfähigkeit länger als 3 Kalendertage dauert, müssen sie auch aus dem Ausland eine ärztliche Bescheinigung vorlegen. Die Meldung aus dem Ausland läuft nicht digital, also müssen die Beschäftigten eine Papierbescheinigung vorlegen.
- Die Diagnose muss dem Betrieb nur mitgeteilt werden, wenn dieser Maßnahmen zum Schutz von anderen Arbeitnehmenden ergreifen muss.
Zweifel an der Krankschreibung
Bei Zweifeln an der Arbeitsunfähigkeit kann der Arbeitgeber von der Krankenkasse der betroffenen Person verlangen, dass diese ein Gutachten des Medizinischen Dienstes (MD) einholt. Dazu sind die Krankenkassen grundsätzlich verpflichtet, außer wenn sich die AU eindeutig durch die vorhandenen ärztlichen Unterlagen belegen lässt.
Arbeitgeber können an der Arbeitsunfähigkeit zweifeln, wenn die Beschäftigten während der Entgeltfortzahlung eine Nebentätigkeit ausüben, aber die Zweifel sind nicht immer berechtigt:
Viele denken, Arbeitsunfähigkeit bedeute, nicht arbeiten zu können, aber so einfach ist es nicht. Arbeitsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Arbeitnehmer wegen einer Krankheit oder eines Unfalls nicht mehr seiner bisherigen Arbeit nachkommen kann, oder wenn das Arbeiten zu einer Verschlimmerung des Gesundheitszustands führen könnte. Eine andere Arbeit kann durchaus noch möglich sein.
Beispiel: Ein Erzieher ist wegen Mobbing am Arbeitsplatz depressiv geworden und kann nicht dorthin zurück. Er kann aber Kletterkurse für Kinder geben. Die damit verbundene Bewegung kann sogar dazu beitragen, die Depression zu verringern.
Eine Nebentätigkeit während der Entgeltfortzahlung ist erlaubt, wenn sie die Genesung fördert oder ihr zumindest nicht schadet. Die Arbeitsunfähigkeit darf dann nur für die Haupttätigkeit bestehen, nicht für die Nebentätigkeit, so wie oben im Beispiel des Erziehers.
Viele Arbeitsverträge und viele Tarifverträge enthalten aber eine Klausel, dass Nebentätigkeiten immer vorher angemeldet werden müssen und oft auch, dass eine Genehmigung des Arbeitgebers nötig ist.
Dauer der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
- Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung dauert 6 Wochen. Aber manche Tarif- oder Arbeitsverträge sehen eine längere Dauer vor. Sie beginnt in der Regel mit dem ersten Tag der Erkrankung. Entsteht die Erkrankung während der Arbeit, so besteht für diesen Tag kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung, sondern auf das volle Arbeitsentgelt. Die fehlenden Stunden müssen nicht nachgearbeitet werden. Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung beginnt dann erst am nächsten Tag.
- Im Anschluss an die Entgeltfortzahlung gibt es in der Regel Krankengeld.
- Jede Arbeitsunfähigkeit, die auf einer neuen Krankheit beruht, führt in der Regel zu einem neuen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Kommt es nach Ende der ersten Arbeitsunfähigkeit zu einer anderen Krankheit samt Arbeitsunfähigkeit, so beginnt ein neuer Zeitraum der Entgeltfortzahlung von 6 Wochen. Falls jedoch während einer Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit auftritt, verlängern sich die 6 Wochen Entgeltfortzahlung nicht.
- Wegen derselben Erkrankung besteht ein Entgeltfortzahlungsanspruch nur für insgesamt 6 Wochen. Ein erneuter Anspruch besteht erst, wenn Arbeitnehmende mindestens 6 Monate nicht wegen derselben Erkrankung arbeitsunfähig waren oder wenn seit Beginn der ersten Erkrankung infolge derselben Krankheit 12 Monate verstrichen sind.
Dieselbe Erkrankung bedeutet, dass sie auf derselben Ursache und demselben Grundleiden beruht. - Nach einem Wechsel des Arbeitsverhältnisses muss die Frist von 6 Monaten nicht erfüllt werden, nur die 4 Wochen ununterbrochene Beschäftigung.
Fallbeispiele:
Herr Maier hat Migräne und fällt deswegen immer wieder an einzelnen Tagen oder für wenige Tage aus.
- In seinem neuen Arbeitsverhältnis fällt er zum ersten Mal am 1.1.2023 wegen Migräne für einen Tag aus und bekommt Entgeltfortzahlung.
- Danach fällt er noch viele Male wegen Migräne aus. Der längste Abstand zwischen zwei Krankschreibungen liegt bei 4 Wochen.
- Am 30.10.2023 erleidet er erneut einen Migräneanfall und lässt sich für 2 Tage krankschreiben. Doch bis dahin war er schon insgesamt 6 Wochen wegen Migräne krankgeschrieben, weshalb er dieses Mal Krankengeld beantragen muss, weil er kein Recht mehr auf Entgeltfortzahlung hat.
- Am 20. November erkrankt er erneut, dieses Mal ist es aber kein Migräneanfall, sondern eine Grippe mit hohem Fieber. Weil es sich um eine neue Erkrankung handelt, bekommt er jetzt wieder die Entgeltfortzahlung.
- Als er am 4.1.2024 erneut eine Krankschreibung wegen eines Migräneanfalls braucht, bekommt er ebenfalls wieder Entgeltfortzahlung, weil die 12 Monate seit der ersten Krankschreibung wegen Migräne schon vergangen sind.
Frau Ylmaz hat eine Epilepsie.
- Sie erleidet einen Unfall als Anfallfolge, weswegen sie 6 Wochen am Stück krankgeschrieben ist.
- 5 Monate und 3 Wochen nach Ende dieser Krankschreibung erleidet sie einen erneuten Anfall und fällt für 3 Tage aus. Sie hat dafür keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung und muss Krankengeld beantragen.
- Wäre der Anfall erst einige Tage später gekommen, hätten 6 Monate zwischen den zwei Krankschreibungen gelegen. In dem Fall hätte sie einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gehabt.
Höhe der Entgeltfortzahlung
Die Entgeltfortzahlung beträgt 100 % des bisherigen üblichen Arbeitsentgelts. Berechnungsgrundlage ist das gesamte Arbeitsentgelt mit Zulagen.
Beispiele:
- Zulagen für Nacht-, Sonntags- oder Feiertagsarbeit, Schichtarbeit, Gefahren, Erschwernisse usw.
- vermögenswirksame Leistungen
- Ersatz für Aufwendungen, die auch während der Krankheit anfallen
- mutmaßliche Provision für Beschäftigte, die festgelegte Provisionsfixa, Umsatz- und Abschlussprovisionen erhalten
- allgemeine Lohnerhöhungen oder Lohnminderungen
In Tarifverträgen kann die Grundlage für die Bemessung der Entgeltfortzahlung abweichend von den gesetzlichen Regelungen bestimmt werden.
Im Arbeitsvertrag oder in einer Vereinbarung zum Arbeitsvertrag kann geregelt sein, dass Sondervergütungen während der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall gekürzt werden. Die Kürzung darf pro Tag höchstens 1/4 des durchschnittlichen Arbeitsentgelts pro Tag im Jahresdurchschnitt betragen.
Wenn ein Betrieb eine Entgeltfortzahlung trotz unverschuldeter Arbeitsunfähigkeit verweigert, muss die Krankenkasse Krankengeld zahlen. Die Krankenkasse hat dann in der Regel einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Betrieb.
Erstattung von Teilen der Entgeltfortzahlung für Betriebe über das Umlageverfahren U1
Insbesondere für kleine Betriebe mit wenigen Beschäftigten kann die Pflicht zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall eine große Belastung darstellen. Deshalb gibt es das Umlageverfahren U1. Wer weniger als 30 Beschäftigte in Vollzeit hat, nimmt daran verpflichtend teil. Darüber hinaus können auch Betriebe mit mehr Beschäftigten umfasst sein, z.B. wenn dort Menschen mit Schwerbehinderung arbeiten.
Diese Betriebe zahlen eine monatliche Umlage. Aus der U1-Umlage können die Betriebe sich bis zu 80 % der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall erstatten lassen. Die Erstattung müssen die Betriebe beantragen.
Praxistipps
- Das Krankengeld ist niedriger als die Entgeltfortzahlung. Wenn es zum Leben nicht reicht, können Sie ggf. Bürgergeld vom Jobcenter erhalten, um das Krankengeld damit aufzustocken.
- Wird Ihnen die Entgeltfortzahlung verweigert, können Sie die Entgeltfortzahlung vor dem Arbeitsgericht einklagen, z.B. wenn bei einem Teilzeitjob verlangt wird, dass Sie an einem anderen Tag die Stunden nachholen, oder weil angezweifelt wird, dass Sie arbeitsunfähig waren. Beachten Sie dabei jedoch, dass Sie Ihre Anwaltskosten für einen Streit vor dem Arbeitsgericht in der 1. Instanz immer selbst bezahlen müssen, auch wenn Sie den Prozess gewinnen.
Anwaltliche Hilfe kann sich für Sie also nur lohnen, wenn die ausstehende Entgeltfortzahlung abzüglich des Krankengelds, das sie stattdessen bekommen, höher ist als die Anwaltskosten. Die voraussichtlichen Anwaltskosten teilt Ihnen die Anwaltskanzlei mit.
Haben Sie zu wenig Geld, um sich den Prozess und die Anwaltskosten leisten zu können, können Sie Prozesskostenhilfe beantragen. Für anwaltliche Beratung vor einer Klage können Sie bei finanzieller Bedürftigkeit ggf. Beratungshilfe erhalten.
Wer hilft weiter?
Weitere Informationen erteilen die Arbeitgebenden oder das Bürgertelefon des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (Thema Arbeitsrecht), Telefon 030 221911-004, Mo–Do 8–17 und Fr 8–12 Uhr.
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Stufenweise Wiedereingliederung
Arbeitslosengeld bei Arbeitsunfähigkeit
Arbeitslosengeld > Nahtlosigkeit
Rechtsgrundlagen: EntgFG