Das Wichtigste in Kürze
Verletztengeld zahlt die Unfallversicherung, wenn Versicherte aufgrund eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit arbeitsunfähig sind oder behandelt werden und deshalb nicht arbeiten können. Es ist eine sog. Lohnersatzleistung, d.h. es wird nur gezahlt, wenn der Arbeitgeber keine Entgeltfortzahlung leistet. Das Verletztengeld ist maximal so hoch wie das Nettoarbeitsentgelt. Es ist eine dem Krankengeld der Krankenkasse ähnliche Leistung.
Voraussetzungen fürs Verletztengeld
Verletztengeld bei Arbeitsunfähigkeit oder Heilbehandlung
Die Unfallversicherung leistet unter folgenden Voraussetzungen Verletztengeld:
- Als Folge eines Arbeitsunfalls (inklusive Wegeunfalls) oder einer Berufskrankheit
- liegt Arbeitsunfähigkeit vor
oder - die versicherte Person wird deshalb behandelt und kann deswegen nicht arbeiten oder nur noch in Teilzeit, bzw. weniger Stunden als vorher
und
- liegt Arbeitsunfähigkeit vor
- am Tag vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder Heilbehandlung besteht ein Anspruch auf Arbeitsentgelt (= Lohn/Gehalt), Arbeitseinkommen (= Gewinn aus einer Selbstständigkeit oder einem Landwirtschaftsbetrieb), Krankengeld, Verletztengeld, Krankengeld der Sozialen Entschädigung, Übergangsgeld, Kurzarbeitergeld, Pflegeunterstützungsgeld (Pflegezeit), Arbeitslosengeld, Bürgergeld oder Mutterschaftsgeld.
Verletztengeld statt Übergangsgeld bei kombinierter medizinisch-beruflicher Reha
Wer eine Reha in einer medizinisch-beruflichen Reha-Einrichtung macht, bekommt statt Übergangsgeld das höhere Verletztengeld. Eine medizinisch-berufliche Reha-Einrichtung verbindet medizinische Behandlung der Unfallversicherung mit beruflicher Reha. Berufliche Reha ist z.B. Eignungsfeststellung, Arbeitserprobung oder Training beruflicher Fähigkeiten. Normalerweise wird für berufliche Reha Übergangsgeld gezahlt.
Verletztengeld zur Überbrückung
Verletztengeld wird außerdem unter bestimmten Voraussetzungen auch zur Überbrückung gezahlt:
- in der Zeit bis zum Beginn erforderlicher Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) (= berufliche Reha)
- für die Zeit bis zum Beginn einer Maßnahme der Eignungsabklärung (früher Berufsfindung) und Arbeitserprobung
- während einer Maßnahme der Eignungsabklärung und Arbeitserprobung
Voraussetzungen:
- Aus von der versicherten Person nicht zu vertretenden Gründen kann die Maßnahme nicht direkt nach der Heilbehandlung erfolgen
und - unmittelbar zuvor wurde eine der oben genannten Geldleistungen bezogen
und - die versicherte Person kann zwischenzeitlich weder ihren bisherigen Beruf wieder aufnehmen noch in eine andere zumutbare Tätigkeit vermittelt werden
oder sie kann die Tätigkeit aus wichtigem Grund nicht ausüben.
Während Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (LTA) (= berufliche Reha) gibt es kein Verletztengeld mehr, sondern Übergangsgeld.
Verletztengeld trotz Schule oder Studium
Wer zu Beginn der Arbeitsunfähigkeit einer bezahlten Beschäftigung nachgegangen ist, kann Verletztengeld auch neben dem Besuch einer Schule oder während eines Studiums bekommen.
Höhe des Verletztengelds
Das Verletztengeld beträgt bei Arbeitnehmenden in der Regel
- 80 % des Bruttoarbeitsentgelts,
- maximal aber das Nettoarbeitsentgelt.
Bei der Berechnung werden auch die Einmalzahlungen in den letzten 12 Monaten vor der Arbeitsunfähigkeit berücksichtigt.
Das Verletztengeld wird kalendertäglich für 30 Tage je Kalendermonat gezahlt.
Davon werden 50 % der Beitragsanteile zur Renten- und Arbeitslosenversicherung abgezogen. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung übernimmt die Unfallversicherung voll, aber wenn Versicherte den Kinderlosenzuschlag zur Pflegeversicherung (0,6 %) entrichten müssen, zahlen sie diesen selbst.
Bei Unfällen oder Berufskrankheiten im Rahmen einer unfallversicherten Selbstständigkeit, unternehmerähnlichen Tätigkeit in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften oder Mitarbeit als Ehe- oder Lebenspartner berechnet sich das tägliche Verletztengeld aus dem Jahresgewinn : 450.
Das Einkommen wird nur bis zu einer täglichen Höchstgrenze von 249,67 € berücksichtigt. Diese wird aus dem sog. Höchstjahresarbeitsverdienst : 360 berechnet. Der Höchstjahresarbeitsverdienst ist eine Rechengröße der Unfallversicherung und beträgt mindestens 89.880 € (= 200 % der sog. Bezugsgröße). Der jeweilige Unfallversicherungsträger kann in seiner Satzung einen höheren Höchstjahresarbeitsverdienst festlegen.
Das Verletztengeld wird jährlich an die Lohnentwicklung angepasst (§ 70 SGB IX), entsprechend der Anpassung beim Krankengeld. Näheres zur Anpassung unter Krankengeld > Höhe.
Bei mehreren Tätigkeiten gilt:
- Das Einkommen aus allen Tätigkeiten wird berücksichtigt, wenn sie alle wegen des Unfalls oder der Berufskrankheit nicht mehr ausgeübt werden können.
- Das Einkommen aus einer Tätigkeit, die noch ausgeübt werden kann, wird nicht auf das Verletztengeld angerechnet, aber auch nicht bei der Berechnung der Höhe des Verletztengelds herangezogen.
Berechnungsbeispiel
Herr Maier ist Arbeitnehmer, hat ein Kind und hat monatlich brutto 2.000 € verdient.
Sein Verletztengeld wird wie folgt berechnet:
- Berechnung des Bruttolohns pro Tag: Monatsbruttolohn von 2.000 € : 30 für die Kalendertage = 66,67 €
- Davon 80 % = 53,33 €
Berechnung des Nettolohns pro Tag: Monatsnettolohn von 1.500 € : 30 für die Kalendertage = 50 € - Abzug der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung (1,2 %) und Rentenversicherung (9,3 %) = 5,25 €
Das Verletztengeld beträgt also 44,75 € netto täglich.
Höhe des Verletztengelds nach Bezug anderer Leistungen
- Nach Bezug von Arbeitslosengeld wird Verletztengeld in Höhe des Arbeitslosengelds gezahlt.
- Nach Bezug von Kurzarbeitergeld ist das regelmäßige Arbeitsentgelt vor der Kurzarbeit Grundlage der Berechnung des Verletztengelds.
- Bei Bezug von Bürgergeld wird Verletztengeld in der Regel in Höhe des Bürgergelds gezahlt.
- Hat die versicherte Person unmittelbar vor dem Versicherungsfall Krankengeld, Pflegeunterstützungsgeld, Verletztengeld, Krankengeld der Sozialen Entschädigung oder Übergangsgeld bezogen, berechnet sich das Verletztengeld aus dem davor erzielten Arbeitsverdienst.
Mindestverletztengeld in bestimmten Fällen
Verletztengeld hat in bestimmten Fällen eine Mindesthöhe, die sich aus einem Prozentsatz der sog. Bezugsgröße (= Rechengröße der Unfallversicherung) errechnet.
Wenn es für die versicherte Person günstiger ist, wird das Verletztengeld abhängig vom Alter neu berechnet bei Unfällen oder Berufskrankheiten
- vor dem 30. Geburtstag,
- als Soldat auf Zeit,
- bei einer Tätigkeit in der Entwicklungshilfe,
- beim besonderen Einsatz des Zivilschutzes,
- beim Jugendfreiwilligendienst und
- beim Bundesfreiwilligendienst.
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Alter |
Höhe des fiktiven Jahresarbeitsentgelts als Berechnungsgrundlage des Verletztengelds |
Errechnet aus: |
| vor dem 6. Geburtstag | 11.235 € |
25 % der Bezugsgröße |
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ab dem 6. und vor dem 15. Geburtstag |
14.980 € | 33 1/3 % der Bezugsgröße |
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ab dem 15. und vor dem 18. Geburtstag |
17.976 € |
40 % der Bezugsgröße |
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ab dem 18. und vor dem 25. Geburtstag |
26.964 € |
60 % der Bezugsgröße |
| ab dem 25. und vor dem 30. Geburtstag |
33.705 € |
75 % der Bezugsgröße |
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ab dem 30. Geburtstag ohne Abitur |
44.940 € |
100 % der Bezugsgröße |
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ab dem 30. Geburtstag mit (Fach-)Abitur |
53.928 € |
120 % der Bezugsgröße |
Wenn es für die versicherte Person günstiger ist, wird das Verletztengeld neu berechnet bei Unfällen oder Berufskrankheiten
- während einer Schulausbildung,
- während einer Berufsausbildung oder
- während eines Studiums.
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Situation |
Höhe des fiktiven Jahresarbeitsentgelts als Berechnungsgrundlage des Verletztengelds |
Errechnet aus: |
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schon vor dem 25. Geburtstag bei einem Versicherungsfall während einer Berufsausbildung ab Abschluss der Berufsausbildung oder 3 Jahre nach Beginn einer Berufsausbildung bzw. 5 Jahre nach Beginn einer Fachschulausbildung oder eines Hochschulstudiums, wenn die Ausbildung oder das Studium wegen des Versicherungsfalls abgebrochen wurde oder sich verzögert hat. |
33.705 € |
75 % der Bezugsgröße |
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ab dem 30. Geburtstag bei einem Versicherungsfall während einer Schul- oder Berufsausbildung ab dem Ende der Schul- oder Berufsausbildung oder 3 Jahre nach deren Beginn, wenn die Ausbildung wegen des Versicherungsfalls abgebrochen wurde oder sich verzögert hat. |
44.940 € |
100 % der Bezugsgröße |
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bei einem Versicherungsfall während eines Studiums an einer (Fach-) Hochschule nach dem 30. Geburtstag ab dem Ende des Studiums oder 5 Jahre nach dessen Beginn, wenn es wegen des Versicherungsfalls abgebrochen wurde oder sich verzögert hat. |
53.928 € |
120 % der Bezugsgröße |
Weitere Besonderheiten zur Berechnung des Verletztengelds
Teils gelten abweichende Regelungen, z.B. bei einem Versicherungsfall im Strafvollzug oder nach bestimmten Leistungen nach dem Entwicklungshelfer-Gesetz. Dazu informieren die Unfallversicherungsträger.
Anrechnung
Auf das Verletztengeld werden angerechnet:
- Beitragspflichtiges Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen, bei Arbeitnehmenden abzüglich der gesetzlichen Abzüge, bei Selbstständigen in Höhe von 80 %, Ausnahme: einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, z.B. Urlaubs- oder Weihnachtsgeld
- Mutterschaftsgeld, Krankengeld der Sozialen Entschädigung, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, auch während einer Sperrzeit, nicht nur darlehensweise gewährtes Bürgergeld auch bei Leistungsminderungen
Dauer des Verletztengelds
Die Zahlung des Verletztengelds beginnt
- mit dem Tag der ärztlichen Feststellung der Arbeitsunfähigkeit
oder - mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, durch die eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht mehr ausgeübt werden kann.
Die Zahlung des Verletztengelds endet
- mit dem letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit
oder - mit dem letzten Tag der Hinderung an einer ganztägigen Erwerbstätigkeit durch eine Heilbehandlungsmaßnahme
oder - bei Anspruch auf Übergangsgeld mit dem Tag vor Entstehen eines solchen Anspruchs (z.B. bei Beginn einer Maßnahme zur Beruflichen Reha)
oder - wenn eine Heilbehandlung so weit abgeschlossen ist, dass eine zumutbare, zur Verfügung stehende Erwerbstätigkeit aufgenommen werden kann,
oder - nach der 78. Woche ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit (außer der Betroffene befindet sich in stationärer Behandlung, z.B. im Krankenhaus: Dann wird das Verletztengeld bis zum Abschluss der stationären Behandlung weitergezahlt.)
oder - wenn volle Erwerbsminderungsrente, Altersrente, Ruhegehalt, Vorruhestandsgeld oder vergleichbare Renten und Ruhegehälter aus DDR-Zeiten bzw. aus dem Ausland ausgezahlt werden.
Bei Selbstständigkeit, unternehmerähnlicher Tätigkeit in Kapital- oder Personenhandelsgesellschaften oder Mitarbeit als Ehe- oder Lebenspartner kann der jeweilige Unfallversicherungsträger die Zahlung des Verletztengelds auf 13 Wochen beschränken oder nach 13 Wochen das Verletztengeld vermindern.
Kinderpflege-Verletztengeld
Kinderpflege-Verletztengeld ist eine Leistung, die dem Kinderpflege-Krankengeld ähnelt. Es wird einem Elternteil für die notwendige Beaufsichtigung, Betreuung und/oder Pflege eines Kindes gezahlt, das bei einer unfallversicherten Tätigkeit, z.B. auf dem Schulweg oder in der Schule, verletzt wurde.
Dafür gelten weitgehend die selben Regeln wie beim Kinderpflege-Krankengeld, d.h. in der Regel wird es nur für Kinder vor dem 12. Geburtstag gezahlt, es muss ärztlich bescheinigt werden, dass die Beaufsichtigung, Betreuung und/oder Pflege notwendig ist, und es darf keine andere Person im Haushalt in der Lage sein, sich um das Kind zu kümmern.
Kinderpflege-Verletztengeld wird in der Regel in Höhe des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts des betreuenden Elternteils gezahlt, bzw. bei Arbeitseinkommen aus selbstständiger Tätigkeit in Höhe von 80 % des erzielten regelmäßigen Arbeitseinkommens.
Das Einkommen wird aber bei Kinderpflege-Verletztengeld nur bis zu einer Höchstgrenze von mindestens 199,73 € berücksichtigt (= sog. Höchstjahresarbeitsverdienst : 450). Der Höchstjahresarbeitsverdienst ist eine Rechengröße der Unfallversicherung, und beträgt mindestens das Doppelte der sog. Bezugsgröße. Der jeweilige Unfallversicherungsträger kann in seiner Satzung einen höheren Höchstjahresarbeitsverdienst festlegen.
Verletztengeld ist steuerfrei
Verletztengeld ist steuerfrei, aber muss in der Steuererklärung angegeben werden, weil es dem sog. Progressionsvorbehalt unterliegt. Das heißt, es kann trotz Steuerfreiheit den Steuersatz erhöhen. Wer mehr als 410 € Verletztengeld und/oder andere Lohnersatzleistungen wie z.B. Arbeitslosengeld in einem Kalenderjahr erhalten hat, muss deshalb eine Steuererklärung abgeben, auch wenn sonst keine Pflicht dazu besteht.
Wer hilft weiter?
Auskünfte erteilen die Unfallversicherungsträger.
Verwandte Links
Rechtsgrundlagen: §§ 45 ff., 90, 91 SGB VII