Chronische Schmerzen > Entstehung und Schmerzarten

1. Das Wichtigste in Kürze

Schmerzen sind chronisch, wenn sie über einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten bestehen oder wiederholt auftreten. In der Regel verlaufen sie nicht gleichmäßig, sondern schwanken in ihrer Stärke und Erscheinungsform. Wie stark und belastend Schmerzen wahrgenommen werden, ist ganz individuell. Wichtig ist, sie immer ernst zu nehmen, auch wenn keine erkennbare Ursache zu finden ist.

2. Definition chronischer Schmerzen

Schmerz ist ein unangenehmes Empfinden, dass durch eine Gewebeschädigung verursacht wird oder sich genauso anfühlt. Schmerz ist immer subjektiv, deshalb sollte nicht bewertet oder bezweifelt werden, wie stark Betroffene ihre Schmerzen erleben.

Als chronisch gelten Schmerzen in der Regel, wenn eine oder mehrere der folgenden Bedingungen zutreffen:

  • Sie bestehen länger als 3 Monate.
  • Sie treten über Monate oder Jahre hinweg immer wieder auf.
  • Sie halten über einen Monat an, obwohl die ursprüngliche Verletzung oder Ursache bereits abgeheilt ist.
  • Sie stehen im Zusammenhang mit einer chronischen Erkrankung (z.B. Krebs, Diabetes) oder einer Verletzung, die nicht vollständig ausheilt.

2.1. Chronische Schmerzen in der ICD-11

Die ICD (International Classification of Diseases) ist ein weltweit anerkanntes Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Krankheiten und Gesundheitsprobleme systematisch kodiert, um Diagnosen einheitlich dokumentieren und bei den Krankenkassen abrechnen zu können.

Aktuell wird im deutschen Gesundheitssystem meist noch die ICD-10 genutzt. Seit Januar 2022 ist jedoch die ICD-11 offiziell in Kraft und wird schrittweise eingeführt.

In der ICD-11 werden chronische Schmerzen nicht mehr nur als Symptom gesehen, wie in der ICD-10, sondern als eigenständige Erkrankung anerkannt. Das verbessert die Versorgung, Forschung und gesellschaftliche Anerkennung von Menschen mit chronischen Schmerzen.

3. Ursachen chronischer Schmerzen

Akute Schmerzen treten plötzlich auf und dauern meist nur kurz. Sie haben eine Warnfunktion, die den Körper dazu bringt, sich zu schützen, z.B. indem ein verstauchter Fuß weniger belastet wird. Wenn die Ursache der Schmerzen behandelt wird, verschwinden diese in der Regel nach einiger Zeit wieder.

Im Unterschied dazu haben chronische Schmerzen keine Schutzfunktion mehr. Sie dauern länger als 3 Monate und können zu einer eigenständigen Krankheit werden. Die Ursachen sind oft nicht klar oder schon behandelt. Ein wichtiger Grund dafür ist das sog. Schmerzgedächtnis. Bei lang andauernden Schmerzen wird das Nervensystem empfindlicher und reagiert irgendwann auch auf Reize, die eigentlich gar nicht weh tun sollten, wie z.B. eine Berührung. Das Gehirn hat gelernt, Schmerzen zu erwarten und sendet sie weiter, auch wenn keine körperliche Ursache mehr da ist. Dies kann durch Stress, Angst oder Sorgen verstärkt werden. Wenn Schmerzen über Monate bestehen, verändert sich also nicht nur der Körper, sondern auch die Art, wie das Gehirn mit Schmerzen umgeht. Deshalb ist es wichtig, Schmerzen früh zu behandeln.

Erkrankungen, die zu chronischen Schmerzen führen können, sind z.B.:

Ob Schmerzen chronisch werden oder bleiben, wird häufig durch psychische und soziale Faktoren beeinflusst, z.B. durch dauernden Stress, Einsamkeit oder Ängste. Näheres unter Chronische Schmerzen > Psyche und Chronische Schmerzen > Familie und Alltag. Das Risiko für chronische Schmerzen steigt zudem z.B. auch für Menschen, die älter sind, bestimmte Schmerzmittel lange einnehmen, eine schlechte Schmerzbehandlung bekommen oder eine erbliche Veranlagung haben.

Um eine Chronifizierung zu vermeiden, sollten akute Schmerzen ernst genommen und rechtzeitig behandelt werden. Auch ein gesunder Lebensstil mit regelmäßiger körperlicher Bewegung (Näheres unter Chronische Schmerzen > Sport und Bewegung), gesunder Ernährung und einem guten Umgang mit Stress senkt das Risiko. Sind die Schmerzen chronisch, kann vor allem sog. Selbstmanagement helfen, Näheres unter Chronische Schmerzen > Behandlung und Rehabilitation.

4. Folgen chronischer Schmerzen

Chronische Schmerzen können für Betroffene schwerwiegende Folgen haben. Häufig verlieren sie durch die ständigen Schmerzen die Freude an Dingen, die ihnen vorher Spaß gemacht haben (z.B. Sport und Bewegung, Unternehmungen mit Freunden). Es kann zu Schlafstörungen, Appetitverlust, Depressionen und Ängsten kommen. Aus diesem Grund ziehen sich viele Betroffene zurück, ihre Gedanken kreisen häufig nur noch um die Schmerzen.

In dieser Situation kann es hilfreich sein, wenn Betroffene sich ihrem sozialen Umfeld anvertrauen und ärztlichen Rat über mögliche Hilfen (z.B. Reha-Sport und Funktionstraining, Psychotherapie) einholen.

Zudem können Selbsthilfegruppen unterstützen und Tipps geben. Die Deutsche Schmerzgesellschaft informiert über Selbsthilfe und bundesweite Selbsthilfe-Gruppen unter www.schmerzgesellschaft.de > Patienteninformationen > Selbsthilfe.

5. Schmerzarten

Schmerzen können in unterschiedliche Schmerzformen eingeteilt werden. Es können auch Mischformen vorliegen.

Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über die Einteilung in die verschiedenen Schmerzarten:

Nozizeptive Schmerzen

Nozizeptive Schmerzen sind die häufigste Form von Schmerzen. Sie entstehen durch die Reizung von Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) infolge von Gewebeschädigungen, z.B. bei Verletzungen oder Entzündungen. Sie lassen sich in somatische Schmerzen (z B. Haut, Gelenke, Knochen, Muskeln) und viszerale Schmerzen (innere Organe, z.B. Magen, Darm, Niere) unterteilen.

Beispiele: Verbrennung, Schnittwunde, Verstauchung, Blinddarmentzündung, Arthritis

Nervenschmerzen

Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen) entstehen durch eine Schädigung oder Fehlfunktion des Nervensystems – entweder im zentralen (Gehirn, Rückenmark) oder peripheren Nervensystem (z. B. Nerven in Armen oder Beinen). Sie werden oft als brennend, stechend, einschießend oder elektrisierend beschrieben und treten häufig ohne äußeren Reiz auf.

Beispiele: Multiple Sklerose, Gürtelrose, Trigeminusneuralgie, Karpaltunnelsyndrom

Noziplastische Schmerzen

Noziplastische Schmerzen entstehen durch eine veränderte Schmerzverarbeitung im zentralen Nervensystem, ohne dass eine Gewebeschädigung oder eine Nervenschädigung vorliegt. Begleiterscheinungen sind z.B. Schlafstörungen, kognitive Einschränkungen, Fatigue und/oder Überempfindlichkeit gegen Geräusche, Licht oder Gerüche.

Beispiele: Fibromyalgie, chronische primäre Kopfschmerzen, Reizdarmsyndrom

Psychogene Schmerzen

Psychogene Schmerzen (auch funktionelle Schmerzen genannt) werden hauptsächlich durch psychische Faktoren wie Stress, Angst, Depressionen oder ungelöste seelische Konflikte ausgelöst oder verstärkt. Für die Schmerzen können keine organischen oder neurologischen Ursachen gefunden werden.

Beispiele: Spannungskopfschmerzen, psychosomatische Bauchschmerzen, Rücken- oder Herzschmerzen ohne organische Ursache

Mischformen (mixed pain)

Viele chronische Schmerzen lassen sich nicht eindeutig einer einzelnen Schmerzart zuordnen, sondern es treten Mischformen verschiedener Schmerzarten gleichzeitig in unterschiedlichen Ausprägungen auf.

Beispiele: Tumorschmerzen, Schmerzen der Lendenwirbelsäule, die in ein Bein ausstrahlen (Lumboischialgie).

Mischformen sind nicht immer einfach zu diagnostizieren. Um einen Therapieerfolg zu erzielen, müssen alle Schmerzarten entsprechend behandelt werden.

6. Einteilung chronischer Schmerzen nach der neuen ICD 11

Wenn chronische Schmerzen über 3 Monate anhaltend oder wiederkehrend vorhanden sind, werden sie in der ICD-11 folgendermaßen klassifiziert:

  • Chronische primäre Schmerzen:
    Der Schmerz beeinträchtigt den Alltag und die soziale Teilhabe und/oder belastet die betroffene Person emotional. Er lässt sich nicht durch eine andere chronische Schmerzerkrankung (z.B. Krebs, Arthrose) erklären.
  • Chronische krebsassoziierte Schmerzen:
    Der Schmerz wird durch einen aktiven Tumor, Metastasen und/oder durch die Krebsbehandlung (z.B. Operation, Chemo, Strahlentherapie) verursacht.
  • Chronische postoperative oder posttraumatische Schmerzen:
    Der Schmerz begann oder verstärkte sich nach einer Operation oder einem Gewebetrauma und tritt in dem von der OP oder dem Trauma betroffenen Bereich auf.
  • Chronische sekundäre muskuloskelettale Schmerzen:
    Chronischer Schmerz in Gelenken, Knochen, Muskeln, der Wirbelsäule, Sehnen oder verwandtem Weichteilgewebe. Der Schmerz kann spontan auftreten oder durch Bewegung ausgelöst werden. Zudem liegt eine Erkrankung vor, z.B. Arthrose, Gicht, Multiple Sklerose.
  • Chronische sekundäre viszerale Schmerzen:
    Die Schmerzen gehen von inneren Organen (z.B. Magen, Darm, Blase) aus und zeigen einen typischen Übertragungsschmerz (z. B. Schmerzen im Rücken bei Nierenproblemen) und/oder es gibt Hinweise auf eine Erkrankung oder Funktionsstörung eines Organs.
  • Chronische neuropathische Schmerzen:
    Das Nervensystem ist geschädigt und die Schmerzen treten genau in dem Bereich des Körpers auf, der von dem geschädigten Nerv betroffen ist.
  • Chronische sekundäre Kopfschmerzen oder orofaziale Schmerzen:
    Kopfschmerzen oder orofaziale Schmerzen (= Schmerzen im Bereich von Gesicht und Kiefer), die durch eine Erkrankung verursacht werden und länger als 2 Stunden an 15 oder mehr Tagen pro Monat bestehen.

7. Verwandte Links

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Letzte Bearbeitung: 10.06.2025

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