Schmerzen sind chronisch, wenn sie über einen Zeitraum von mehr als 3 Monaten bestehen oder wiederholt auftreten. In der Regel verlaufen sie nicht gleichmäßig, sondern schwanken in ihrer Stärke und Erscheinungsform. Wie stark und belastend Schmerzen wahrgenommen werden, ist ganz individuell. Wichtig ist, sie immer ernst zu nehmen, auch wenn keine erkennbare Ursache zu finden ist.
Schmerz ist ein unangenehmes Empfinden, dass durch eine Gewebeschädigung verursacht wird oder sich genauso anfühlt. Schmerz ist immer subjektiv, deshalb sollte nicht bewertet oder bezweifelt werden, wie stark Betroffene ihre Schmerzen erleben.
Als chronisch gelten Schmerzen in der Regel, wenn eine oder mehrere der folgenden Bedingungen zutreffen:
Die ICD (International Classification of Diseases) ist ein weltweit anerkanntes Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (WHO), das Krankheiten und Gesundheitsprobleme systematisch kodiert, um Diagnosen einheitlich dokumentieren und bei den Krankenkassen abrechnen zu können.
Aktuell wird im deutschen Gesundheitssystem meist noch die ICD-10 genutzt. Seit Januar 2022 ist jedoch die ICD-11 offiziell in Kraft und wird schrittweise eingeführt.
In der ICD-11 werden chronische Schmerzen nicht mehr nur als Symptom gesehen, wie in der ICD-10, sondern als eigenständige Erkrankung anerkannt. Das verbessert die Versorgung, Forschung und gesellschaftliche Anerkennung von Menschen mit chronischen Schmerzen.
Akute Schmerzen treten plötzlich auf und dauern meist nur kurz. Sie haben eine Warnfunktion, die den Körper dazu bringt, sich zu schützen, z.B. indem ein verstauchter Fuß weniger belastet wird. Wenn die Ursache der Schmerzen behandelt wird, verschwinden diese in der Regel nach einiger Zeit wieder.
Im Unterschied dazu haben chronische Schmerzen keine Schutzfunktion mehr. Sie dauern länger als 3 Monate und können zu einer eigenständigen Krankheit werden. Die Ursachen sind oft nicht klar oder schon behandelt. Ein wichtiger Grund dafür ist das sog. Schmerzgedächtnis. Bei lang andauernden Schmerzen wird das Nervensystem empfindlicher und reagiert irgendwann auch auf Reize, die eigentlich gar nicht weh tun sollten, wie z.B. eine Berührung. Das Gehirn hat gelernt, Schmerzen zu erwarten und sendet sie weiter, auch wenn keine körperliche Ursache mehr da ist. Dies kann durch Stress, Angst oder Sorgen verstärkt werden. Wenn Schmerzen über Monate bestehen, verändert sich also nicht nur der Körper, sondern auch die Art, wie das Gehirn mit Schmerzen umgeht. Deshalb ist es wichtig, Schmerzen früh zu behandeln.
Erkrankungen, die zu chronischen Schmerzen führen können, sind z.B.:
Ob Schmerzen chronisch werden oder bleiben, wird häufig durch psychische und soziale Faktoren beeinflusst, z.B. durch dauernden Stress, Einsamkeit oder Ängste. Näheres unter Chronische Schmerzen > Psyche und Chronische Schmerzen > Familie und Alltag. Das Risiko für chronische Schmerzen steigt zudem z.B. auch für Menschen, die älter sind, bestimmte Schmerzmittel lange einnehmen, eine schlechte Schmerzbehandlung bekommen oder eine erbliche Veranlagung haben.
Um eine Chronifizierung zu vermeiden, sollten akute Schmerzen ernst genommen und rechtzeitig behandelt werden. Auch ein gesunder Lebensstil mit regelmäßiger körperlicher Bewegung (Näheres unter Chronische Schmerzen > Sport und Bewegung), gesunder Ernährung und einem guten Umgang mit Stress senkt das Risiko. Sind die Schmerzen chronisch, kann vor allem sog. Selbstmanagement helfen, Näheres unter Chronische Schmerzen > Behandlung und Rehabilitation.
Chronische Schmerzen können für Betroffene schwerwiegende Folgen haben. Häufig verlieren sie durch die ständigen Schmerzen die Freude an Dingen, die ihnen vorher Spaß gemacht haben (z.B. Sport und Bewegung, Unternehmungen mit Freunden). Es kann zu Schlafstörungen, Appetitverlust, Depressionen und Ängsten kommen. Aus diesem Grund ziehen sich viele Betroffene zurück, ihre Gedanken kreisen häufig nur noch um die Schmerzen.
In dieser Situation kann es hilfreich sein, wenn Betroffene sich ihrem sozialen Umfeld anvertrauen und ärztlichen Rat über mögliche Hilfen (z.B. Reha-Sport und Funktionstraining, Psychotherapie) einholen.
Zudem können Selbsthilfegruppen unterstützen und Tipps geben. Die Deutsche Schmerzgesellschaft informiert über Selbsthilfe und bundesweite Selbsthilfe-Gruppen unter www.schmerzgesellschaft.de > Patienteninformationen > Selbsthilfe.
Schmerzen können in unterschiedliche Schmerzformen eingeteilt werden. Es können auch Mischformen vorliegen.
Die folgende Tabelle bietet einen Überblick über die Einteilung in die verschiedenen Schmerzarten:
Nozizeptive Schmerzen |
Nozizeptive Schmerzen sind die häufigste Form von Schmerzen. Sie entstehen durch die Reizung von Schmerzrezeptoren (Nozizeptoren) infolge von Gewebeschädigungen, z.B. bei Verletzungen oder Entzündungen. Sie lassen sich in somatische Schmerzen (z B. Haut, Gelenke, Knochen, Muskeln) und viszerale Schmerzen (innere Organe, z.B. Magen, Darm, Niere) unterteilen. Beispiele: Verbrennung, Schnittwunde, Verstauchung, Blinddarmentzündung, Arthritis |
Nervenschmerzen |
Nervenschmerzen (neuropathische Schmerzen) entstehen durch eine Schädigung oder Fehlfunktion des Nervensystems – entweder im zentralen (Gehirn, Rückenmark) oder peripheren Nervensystem (z. B. Nerven in Armen oder Beinen). Sie werden oft als brennend, stechend, einschießend oder elektrisierend beschrieben und treten häufig ohne äußeren Reiz auf. Beispiele: Multiple Sklerose, Gürtelrose, Trigeminusneuralgie, Karpaltunnelsyndrom |
Noziplastische Schmerzen |
Noziplastische Schmerzen entstehen durch eine veränderte Schmerzverarbeitung im zentralen Nervensystem, ohne dass eine Gewebeschädigung oder eine Nervenschädigung vorliegt. Begleiterscheinungen sind z.B. Schlafstörungen, kognitive Einschränkungen, Fatigue und/oder Überempfindlichkeit gegen Geräusche, Licht oder Gerüche. Beispiele: Fibromyalgie, chronische primäre Kopfschmerzen, Reizdarmsyndrom |
Psychogene Schmerzen |
Psychogene Schmerzen (auch funktionelle Schmerzen genannt) werden hauptsächlich durch psychische Faktoren wie Stress, Angst, Depressionen oder ungelöste seelische Konflikte ausgelöst oder verstärkt. Für die Schmerzen können keine organischen oder neurologischen Ursachen gefunden werden. Beispiele: Spannungskopfschmerzen, psychosomatische Bauchschmerzen, Rücken- oder Herzschmerzen ohne organische Ursache |
Mischformen (mixed pain) |
Viele chronische Schmerzen lassen sich nicht eindeutig einer einzelnen Schmerzart zuordnen, sondern es treten Mischformen verschiedener Schmerzarten gleichzeitig in unterschiedlichen Ausprägungen auf. Beispiele: Tumorschmerzen, Schmerzen der Lendenwirbelsäule, die in ein Bein ausstrahlen (Lumboischialgie). Mischformen sind nicht immer einfach zu diagnostizieren. Um einen Therapieerfolg zu erzielen, müssen alle Schmerzarten entsprechend behandelt werden. |
Wenn chronische Schmerzen über 3 Monate anhaltend oder wiederkehrend vorhanden sind, werden sie in der ICD-11 folgendermaßen klassifiziert:
Chronische Schmerzen > Schwerbehinderung
Chronische Schmerzen > Behandlung und Rehabilitation
Chronische Schmerzen > Familie und Alltag
Chronische Schmerzen > Sport und Bewegung
Chronische Schmerzen > Finanzielle Hilfen