Das Wichtigste in Kürze
Heilmittel sind medizinische Leistungen, z.B. Physiotherapie, Ergotherapie, Podologische Therapie, Ernährungstherapie und Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie (Logopädie). Übernimmt die Krankenkasse die Kosten bei einer ärztlichen Verordnung, zahlen Versicherte ab dem 18. Geburtstag 10 € pro Verordnung plus 10 % der Heilmittelkosten. Heilmittel können auch über die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen oder für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen oder über die Krankenhilfe im Rahmen der Sozialhilfe finanziert werden. Es können mehrere Heilmittel gleichzeitig verordnet werden.
Erstattungsfähige Heilmittel
Zu den Heilmitteln, die von den Kostenträgern übernommen werden, gehören unter anderem
- einzelne Maßnahmen der Physiotherapie, z.B. Massage, Bewegungstherapie, Elektrotherapie, Inhalationstherapie. Mehr zur Verordnung und Zuzahlung unter Physiotherapie.
- einzelne Maßnahmen der Podologischen Therapie, Behandlung krankhafter Veränderungen am Fuß infolge von Diabetes mellitus.
- einzelne Maßnahmen der Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie, z.B. Logopädie.
- einzelne Maßnahmen der Ergotherapie, z.B. motorisch-funktionelle Behandlungen. Näheres unter Ergotherapie.
- einzelne Maßnahmen der Ernährungstherapie.
Kostenübernahme von Heilmitteln
Damit die Kosten von der Krankenkasse oder Unfallversicherung übernommen werden, muss das Heilmittel ärztlich verordnet werden. Ggf. kommen auch andere Kostenträger (siehe unten) infrage. Verordnet wird ein Heilmittel nur, wenn es notwendig ist, um
- eine Krankheit zu heilen, eine Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.
- eine Schwächung der Gesundheit, die in absehbarer Zeit zu Krankheit führen würde, zu beseitigen.
- einer Gefährdung der gesundheitlichen Entwicklung eines Kindes entgegenzuwirken.
- Pflegebedürftigkeit zu vermeiden oder zu mindern.
Kostenträger
Heilmittel werden von verschiedenen Kostenträgern übernommen:
- Krankenkasse: auf ärztliche Verordnung.
- Unfallversicherungsträger: nach einem Arbeitsunfall, Wegeunfall oder bei einer Berufskrankheit auf Verordnung des Durchgangsarztes oder anderer Ärzte, die auf Kosten der Unfallkasse verordnen dürfen. Die Unfallversicherung übernimmt die Kosten in der Regel ohne Einschränkungen. Allerdings kann der Unfallversicherungsträger nach seinem Ermessen und dem Grundsatz sparsamer und wirtschaftlicher Mittelverwendung Einschränkungen vornehmen.
- Sozialamt bzw. Sozialhilfeträger: auf ärztliche Verordnung im Rahmen der Krankenhilfe.
- Jugendamt bzw. Jugendhilfeträger: im Rahmen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen.
- Träger der Eingliederungshilfe: bei Menschen mit Behinderungen unter bestimmten Voraussetzungen. Wenn das Heilmittel vorrangig nicht nötig ist, um eine Krankheit zu behandeln, sondern damit ein Mensch mit Behinderung am Leben in der Gesellschaft gleichberechtigt und selbstbestimmt teilhaben kann, ist es Teil der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen bzw. der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen.
Nicht verordnungsfähig sind Heilmittel, deren therapeutischer Nutzen nicht nachgewiesen ist oder die der persönlichen Lebensführung zugeordnet werden (z.B. Massagen ohne therapeutischen Nutzen). Ggf. kann der therapeutische Nutzen eines Heilmittels zwar anerkannt sein, allerdings nur bei bestimmten Krankheiten oder Behinderungen. Es kann dann auch nur für diese verordnet werden.
Heilmittel können als Einzel- oder Gruppentherapie verordnet werden.
Ärztliche Untersuchung vor Erst-Verordnung
Vor der erstmaligen Verordnung eines Heilmittels muss eine ärztliche Untersuchung erfolgen und ein individuelles Therapieziel festgelegt werden. Bestimmte Heilmittel können nur aufgrund bestimmter Diagnosen versordnet werden, z. B. wird Physiotherapie bei Erkrankungen des Bewegungsapparates oder des Nervensystems verordnet. Wird das Therapieziel nicht erreicht, wird die Therapie überprüft und ggf. angepasst, z.B. indem die Heilmitteltherapie abgebrochen und eine umfassendere Reha-Maßnahme begonnen wird.
Behandlungsmenge
Die Menge der verordneten Heilmittel-Behandlung (Verordnungsfall) ist abhängig von der vorliegenden Krankheit oder Einschränkung (Indikation). Ein Verordnungsfall umfasst alle Heilmittelbehandlungen für eine Person, die auf derselben Diagnose nach ICD 10 basieren. Das bedeutet, dass die ersten drei Stellen des ICD-10-GM-Codes identisch sein müssen. Die ICD-10-GM-Codes sind ein System zur Klassifikation von Krankheiten.
Der Heilmittelkatalog (siehe unter www.g-ba.de > Informationen > Richtlinien) gibt je nach Indikation eine orientierende Behandlungsmenge vor, wodurch in der Regel das Therapieziel erreicht werden soll. Ist die zugeordnete Behandlungsmenge ausgeschöpft und das Therapieziel noch nicht erreicht, sind mit entsprechender ärztlicher Begründung dennoch weitere Verordnungen möglich, da der Heilmittelkatalog nur zur Orientierung dient.
Beim Vorliegen entsprechender Indikationen können auch vorrangige Heilmittel und ergänzende Heilmittel parallel verordnet werden. So kann eine vorrangige Krankengymnastik beispielsweise durch eine Wärmetherapie ergänzt werden.
Langfristiger Heilmittelbedarf
Ein langfristiger Heilmittelbedarf liegt vor, wenn die Schwere und Langfristigkeit der gesundheitlichen Beeinträchtigungen sowie der Therapiebedarf aus der ärztlichen Begründung hervorgehen. Bei bestimmten Diagnosen aus Anlage 2 der Heilmittel-Richtlinie (siehe unten) wird automatisch von einem langfristigen Heilmittelbedarf ausgegangen. Ein Antrags- und Genehmigungsverfahren ist nicht erforderlich. Wenn eine Schädigung nicht in Anlage 2 gelistet ist, aber vergleichbar schwer und dauerhaft ist, entscheidet die Krankenkasse auf Antrag, ob ein langfristiger Heilmittelbedarf besteht. Schwere und langfristige Schädigungen können auch durch die Summe mehrerer kleinerer Beeinträchtigungen gegeben sein. Die Genehmigung kann unbefristet oder befristet (mindestens ein Jahr) erfolgen und muss die therapierelevante Diagnose und Diagnosegruppe enthalten.
Blankoverordnungen (§ 13a Heilmittel-Richtlinie)
Für die Heilmittelbereiche Physiotherapie und Ergotherapie können Arztpraxen für bestimmte Diagnosen sog. Blankoverordnungen ausstellen. D.h. Ärzte stellen die Diagnose, machen jedoch keine näheren Angaben zu Heilmittel, Menge und Frequenz. Physio- und Ergotherapeuten entscheiden gemeinsam mit dem Patienten über die konkrete Therapie, deren Umfang und Frequenz. Die Therapeuten tragen die inhaltliche und wirtschaftliche Verantwortung für die Behandlung.
Bisher festgelegte Diagnosen für Blankoverordnungen:
- Ergotherapie: Gelenkerkrankungen und leichte Demenz
- Physiotherapie: Schultererkrankungen, wie Frakturen der gelenkbildenden Knochen oder starke Verbrennungen in der Schulterregion
Beginn der Heilmittelbehandlung
Die Behandlung muss innerhalb von 28 Tagen nach Verordnung beginnen. Bei einem dringenden Behandlungsbedarf muss die Behandlung innerhalb von 14 Tagen nach Verordnung beginnen.
Mit einem Heilmittelrezept wenden sich Betroffene an einen zugelassenen Therapeuten, der die entsprechende Therapie anbietet, wie z.B. Physiotherapeuten, Ergotherapeuten oder Logopäden. Daneben kann auch die Arztpraxis oder die Krankenkasse um Rat gefragt werden, um den richtigen Ansprechpartner zu finden.
Heilmittel können auch im Rahmen des Entlassmanagements aus dem Krankenhaus verordnet werden. Die Behandlung muss dann innerhalb von 7 Tagen nach Entlassung beginnen und innerhalb von 12 Tagen nach Entlassung abgeschlossen sein. Die übrigen verordneten Behandlungen verfallen.
Zuzahlung und Zuzahlungsbefreiung
Zuzahlung Krankenversicherung
Gesetzlich krankenversicherte Erwachsene zahlen 10 % der Kosten plus 10 € je Verordnung zu, auch bei Massagen, Bädern und Krankengymnastik als Bestandteil der ärztlichen bzw. ambulanten Behandlung.
Zuzahlungsbefreiung
Von der Zuzahlung befreit sind:
- Schwangere, jedoch nur von der Zuzahlung zu Heilmitteln, die im Zusammenhang mit der Schwangerschaft/Entbindung verordnet werden.
- Kinder und Jugendliche bis zum 18. Geburtstag.
- Versicherte der Unfallversicherung.
- Versicherte, die die Belastungsgrenze überschreiten, Näheres unter Zuzahlungsbefreiung Krankenversicherung.
Praxistipp Unfallversicherung
Mit dem ärztlichen Vermerk "FREI, da über Unfallversicherung" auf der Verordnung werden Nachfragen und Unklarheiten der Heilmittelerbringer, z.B. der physiotherapeutischen Praxen, vermieden.
Sind allerdings Festbeträge im Sinne der Krankenversicherung festgesetzt, trägt auch die Unfallversicherung die Kosten der Heilmittel nur bis zu dieser Höhe. Auf eventuelle Mehrkosten über die Festbeträge hinaus hat der Arzt Patienten hinzuweisen.
Praxistipps
- In besonderen Fällen, z.B. in der Palliativversorgung, ist ein Therapiebesuch zu Hause möglich. Voraussetzung ist, dass der Patient aus medizinischen Gründen nicht in die Praxis kommen kann oder der Hausbesuch aus medizinischen Gründen zwingend notwendig ist. Bei Kindern und Jugendlichen mit schweren und langfristigen Beeinträchtigungen ist die Behandlung auch in Tageseinrichtungen wie Schulen oder Kindergärten möglich. Der Arzt muss dann den Hausbesuch auf der Verordnung (Heilmittelverordnung Muster 13) ausdrücklich ankreuzen.
- Ausnahmsweise Kostenübernahme auf Anfrage: Sie können bei Ihrer Krankenkasse nachfragen, ob sie freiwillig weitere Heilmittel erstattet (§ 11 Abs. 6 SGB V). Voraussetzung ist, dass der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) diese Heilmittel nicht von der freiwilligen Erstattung durch die Krankenkasse ausgeschlossen hat.
Richtlinien und Heilmittelkatalog
Der Gemeinsame Bundesausschuss hat zur Verordnung von Heilmitteln eine Heilmittel-Richtlinie erstellt. Diese kann unter www.g-ba.de > Informationen > Richtlinien heruntergeladen werden. Die Richtlinie regelt die Verordnung von Heilmitteln durch Vertragsärzte und Krankenhäuser. Der Heilmittelkatalog ist ein wesentlicher Bestandteil der Heilmittel-Richtlinie und enthält:
- Das Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen: Hier sind die Heilmittel aufgeführt, die bei bestimmten Erkrankungen verordnet werden können.
- Die Diagnoseliste zum langfristigen Heilmittelbedarf: Diese Liste enthält Diagnosen, bei denen ein langfristiger Bedarf an Heilmitteln besteht.
- Nicht verordnungsfähige Heilmittel: Eine Übersicht der Heilmittel, die nicht verordnet werden dürfen.
Wer hilft weiter?
Krankenkassen und Unfallversicherungsträger.
Verwandte Links
Rechtsgrundlagen: § 32 SGB V - § 15 SGB VI i.V.m. § 26 SGB IX - § 30 SGB VII