Epilepsie > Therapie - OPs - Reha

1. Das Wichtigste in Kürze

Bei Epilepsie können konsequent eingenommene Medikamente häufig Anfälle verringern oder eine Anfallsfreiheit ermöglichen. Klappt das nicht, helfen manchmal Operationen oder die sog. Neurostimulation. Ergänzende Verfahren und Patientenschulung können die Behandlung unterstützen. Eine Therapie mit dem Wirkstoff Cannabididol aus Cannabis ist selten. Welche Medikamente helfen und ob eine OP sinnvoll ist, hängt davon ab, von welchen Stellen des Gehirns die Epilepsie ausgeht. Reha kann die Behandlung verbessern und hilft, einen guten Umgang mit der Epilepsie zu finden. Notfallmedikamente können einen lebensgefährlichen Status epilepticus stoppen oder verhindern, aber übertriebener Einsatz schadet.

2. Medikamentöse Behandlung

2.1. Anfallsunterdrückende Medikamente (Antiepileptika)

Meistens helfen anfallsunterdrückende Medikamente. Der medizinische Fachbegriff dafür ist „Anfallssupressivum". „Supressivum" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „unterdrückendes Mittel".

Bekannter sind die veralteten Bezeichnungen Antiepileptika bzw. Antikonvulsiva. „Antiepileptisch" bedeutet „gegen Epilepsie" und „antikonvulsiv" bedeutet „gegen Krämpfe". Anfallsunterdrückende Medikamente helfen allerdings nicht gegen die Epilepsie selbst, sondern nur gegen die Anfälle. Außerdem helfen sie auch gegen epileptische Anfälle, bei denen es nicht zu Krämpfen kommt. Deswegen passt es besser, von anfallsunterdrückenden Medikamenten zu sprechen.

Nach den Angaben in der medizinischen Leitlinie werden etwa 50 % der Menschen mit Epilepsie mit dem 1. anfallsunterdrückenden Medikament anfallsfrei, mit dem 2. weitere 10-15 % und insgesamt durch Medikamente ungefähr 2/3. Etwa die Hälfte der Menschen, die durch Medikamente langjährig anfallsfrei geworden sind, bekommen wieder Anfälle, wenn sie die Medikamente absetzen. Wenn die Medikamente nicht zur Anfallsfreiheit führen, können sie oft die Häufigkeit und/oder die Stärke und Dauer der Anfälle vermindern.

Antiepileptika können mehr oder weniger starke Nebenwirkungen haben und werden von Mensch zu Mensch unterschiedlich gut vertragen. Es ist genauso wichtig, belastende und einschränkende Nebenwirkungen zu vermeiden, wie die Anfälle zu unterdrücken. Ziele der Behandlung sind, das Risiko durch die Anfälle zu verringern (z.B. das Unfallrisiko, das Risiko zu sterben und das Risiko für geistige Folgeschäden), eine möglichst hohe Lebensqualität und ein möglichst selbstbestimmtes und unabhängiges Leben. Bei der neurologischen Behandlung sollten Menschen mit Epilepsie deshalb immer die Auswirkungen der Behandlung auf ihre Lebensqualität besprechen.

Ob die Medikamente lebenslang genommen werden sollten oder nach langer Anfallsfreiheit abgesetzt werden können, ist eine individuelle Entscheidung, die Menschen mit Epilepsie gemeinsam mit ihren Ärzten treffen sollten. Es kommt darauf an, ob die Vorteile durch das Absetzen (Wegfall von Nebenwirkungen und ggf. von Stigmatisierung) das persönliche Rückfallrisiko überwiegen.

Zur Behandlung mit Antiepileptika bei einem Kinderwunsch, in der Schwangerschaft und in der Stillzeit unter Epilepsie > Familienplanung.

2.2. Notfallmedikamente

Neben den regelmäßig einzunehmenden anfallsunterdrückenden Medikamenten bekommen einige Menschen auch noch sog. Notfallmedikamente. Andere Wörter dafür sind "Bedarfsmedikation" oder "Akutmedikation". Sie sind dafür gedacht, einen sog. Status epilepticus oder eine Anfallsserie zu unterbrechen oder zu verhindern.

Ein Status epilepticus ist ein Anfall, der länger als 5 Minuten dauert. Für Anfallsserien gibt es keine klare medizinische Definition, aber meist wird von einer Anfallsserie gesprochen, wenn mindestens 3 Anfälle innerhalb von 24 Stunden auftreten, wenn die Anfälle normalerweise seltener auftreten. Näheres unter Epilepsie > Ursachen - Diagnose - Formen.

Die medizinische Leitlinie empfiehlt Notfallmedikamente in der Regel bei Anfällen zu verwenden, die länger als 5 Minuten dauern und/oder nach dem 3. Anfall innerhalb von 24 Stunden. Ein Notfallmedikament kann demnach aber auch schon nach dem 1. Anfall nützlich sein, wenn ein Mensch zu Anfallsserien neigt. Betroffene sollten das beim Neurologen absprechen.

Die Notfallmedikamente haben deutliche Nebenwirkungen und können süchtig machen. Zwar sind sie ggf. lebensrettend oder verhindern Langzeitschäden, aber ihr übertriebener Einsatz schadet oder ist im besten Fall sinnlos. Anfälle hören meist spätestens nach 2 Minuten auf und so schnell setzt die Wirkung der Notfallmedikamente nicht ein.

Manche Notfallmedikamente können nur medizinische Fachleute geben, andere auch Laien. Notfallmedikamente gibt es in verschiedenen Formen, z.B. als Nasensprays, Spritzen, Tropfen, Zäpfchen oder Tabletten. Wer ein Notfallmedikament bekommt, sollte sich genau erklären und möglichst schriftlich geben lassen, in welchen Situationen, nach welcher Anfallsdauer und wie es angewendet werden soll.

Manchmal können Menschen mit Epilepsie ein Notfallmedikament selbst verwenden, aber sehr oft muss das wegen Bewusstseinsverlusts beim Anfall eine andere Person übernehmen. Menschen mit Epilepsie sollten daher über die Notfallmedikamente und deren Verwendung die Personen genau informieren, mit denen sie viel Zeit verbringen, z.B. Angehörige oder Kollegen. Bei Kindern und Jugendlichen sollten das Kitapersonal und/oder die Lehrkräfte schriftliche ärztliche Informationen über etwaige Notfallmedikamente bekommen. Näheres unter Epilepsie > Inklusion.

Wenn Laien ein Notfallmedikament geben, müssen sie bei einem Status epilepticus oder dem Verdacht darauf trotzdem einen Notruf absetzen (Telefon: 112) und zwar bei

  • mehr als 5-minütigen Anfällen
    oder
  • Anfallsserien innerhalb von mehr als 5 Minuten ohne zwischenzeitliche Erholung.

Nach dem 3. Anfall innerhalb von 24 Stunden sollte der Mensch mit der Epilepsie in eine Notaufnahme gebracht werden, wenn die Anfälle sonst nicht so häufig auftreten. Ein Notruf ist dann aber nicht unbedingt nötig, sondern meist reicht es, ihn in Ruhe zur Klinik zu bringen.

2.3. Praxistipp: Anfallsdauer

Sie sollten auf die Uhr schauen oder die Sekunden zählen, um die wirkliche Anfallsdauer einschätzen zu können. Eine Sekunde dauert etwa so lange wie das Aussprechen der Zahl 21. Sie vermeiden so einen verfrühten unnötigen Einsatz von Notfallmedikamenten oder unnötige Notrufe. Anfälle wirken oft viel länger, als sie wirklich sind.

2.4. Zuzahlungen

Volljährige müssen für viele Medikamente Zuzahlungen in Höhe von 10 % des Abgabepreises bezahlen, mindestens 5 € und maximal 10 €. Menschen mit Epilepsie gelten in der Regel als chronisch krank. Deshalb müssen sie höchstens 1 % des jährlichen Bruttoeinkommens als Zuzahlung leisten, wenn sie einen Antrag auf Zuzahlungsbefreiung stellen, Näheres unter Zuzahlungsbefreiung für chronisch Kranke.

3. Pharmakoresistente Epilepsie

Wenn ein Jahr lang 2 passende ausreichend dosierte Medikamente zur Unterdrückung von Anfällen nacheinander oder in Kombination nicht zu Anfallsfreiheit geführt haben (= pharmakoresistente Epilepsie), ist Anfallsfreiheit für mindestens 1 Jahr durch Medikamente unwahrscheinlich. Die Chance liegt dann nur noch bei unter 10 %. Deswegen sollten sich Menschen mit Epilepsie dann an eine Spezialambulanz, eine Schwerpunktpraxis oder an ein Epilepsiezentrum wenden. Dort kann dann geklärt werden, ob eine Operation (Epilepsiechirurgie) oder Neurostimulation in Frage kommt.

4. Operationen, Neurostimulationen

4.1. Entscheidung über eine OP

Eine Operation kann bei manchen Menschen mit pharmakoresistenter Epilepsie zur Anfallsfreiheit oder zumindest zu weniger Anfällen führen, ist aber nicht bei allen Menschen möglich und sinnvoll. Eine OP kommt nur bei fokal beginnenden (= von einer Gehirnhälfte ausgehenden) Anfällen in Frage – mit Ausnahme von OPs zum Einsetzen von Elektroden zur Neurostimulation. Neurostimulation ist auch bei generalisiert beginnenden Anfällen möglich. Näheres zu den Anfallsarten unter Epilepsie > Ursachen - Diagnose - Formen.

Viele Menschen mit Epilepsie und deren Neurologen halten die Epilepsiechirurgie für riskanter, als sie wirklich ist, und die Anfälle für weniger gefährlich, als sie tatsächlich sind. Studien zeigen, dass das Sterberisiko bei pharmakoresistenter Epilepsie im Durchschnitt durch eine OP deutlich sinkt. Deswegen sollten sich Menschen mit einer fokal beginnenden Epilepsie um gute Aufklärung über ihre persönlichen Chancen und Risiken bei einer OP kümmern und sich spätestens dann an eine spezialisierte Stelle überweisen lassen, wenn die Einnahme der Medikamente 1 Jahr lang nicht zu Anfallsfreiheit geführt hat.

Ob und ggf. welche Schäden durch die OP drohen (z.B. Sprachprobleme, Bewegungsprobleme oder Sehprobleme), hängt davon ab, von welchen Stellen des Gehirns die Epilepsie ausgeht. Das Risiko ist hoch, wenn sie in der Nähe von Gehirnstellen mit einer wichtigen Funktion liegen oder wenn sie von solchen Stellen nicht klar abzugrenzen sind. Das lässt sich durch verschiedene Untersuchungen herausfinden, z.B. durch ein Langzeit-EEG (Messung der Hirnströme) mit Videoüberwachung in einer Klinik und durch ein MRT (Magnetresonanztomographie, eine Möglichkeit, ohne Röntgenstrahlung Bilder des Gehirns zu machen).

Außerdem sollte vor einer Entscheidung über eine OP die Gehirnfunktion getestet werden und der Mensch mit Epilepsie und ggf. dessen Angehörige sollten sich gut beraten lassen, wie sich die OP z.B. auf die Arbeitsfähigkeit (Epilepsie > Beruf), die Fahrerlaubnis (Epilepsie > Autofahren), auf Sport und Freizeit (Epilepsie > Urlaub und Sport) und auf das soziale Leben auswirken kann. Einerseits kann Anfallsfreiheit vieles (wieder) ermöglichen. Andererseits können durch die OP ggf. entstehende Einschränkungen der Gehirnfunktionen zu deutlichen Behinderungen führen.

Eine Operation kommt auch für ältere Menschen über 60 und Menschen mit einer Intelligenzminderung in Betracht.

Die Entscheidung für oder gegen eine OP müssen am Ende die Betroffenen selbst treffen, bei Kindern und Jugendlichen auch die Sorgeberechtigten. Gute medizinische Aufklärung und Beratung schafft nur die Grundlage dafür.

4.2. Methoden der Epilepsiechirurgie

Eine Operation sollte prinzipiell nur von zertifizierten epilepsiechirurgischen Zentren durchgeführt werden. Es gibt verschiedene Methoden:

  • Resektive Verfahren
    Die Anfallsherde werden entfernt. Das Wort „resektiv" kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „wegschneiden". Das wird bei fokal beginnenden pharmakoresistenten Anfällen empfohlen, wenn die zu erwartenden Vorteile durch die mögliche Anfallsfreiheit die möglichen Nachteile überwiegen.
  • Diskonnektive Verfahren
    Dabei wird ein Teil des Gehirns vom Rest des Gehirns getrennt, entweder eine Hirnhälfte (funktionale Hemisphärotomie) oder der hintere Teil einer Hirnhälfte (posteriore Diskonnektion). Der abgetrennte Teil bleibt im Gehirn, funktioniert aber dann nicht mehr. Das wird bei fokal beginnender pharmakoresistenter Epilepsie mit großen Hinrnschädigungen in einer Hirnhälfte oder im hinteren Viertel einer Hirnhälfte empfohlen, wenn die zu erwartenden Vorteile die zu erwartenden Nachteile überwiegen. Diese Verfahren können zu Anfallsfreiheit führen, führen aber auch immer zu Sichtfeldeinschränkungen auf einer Seite und bei einer Hemisphärotomie auch zu einer Halbseitenlähmung. Die Einschränkungen können aber zum Teil wieder verschwinden, weil die anderen Bereiche des Gehirns verlorengegangene Funktionen teilweise übernehmen können.
  • Laser- und Radiofrequenz-Thermoablation
    Dabei wird die anfallsauslösende Stelle im Gehirn mit einem Laser oder mit Radiowellen zerstört, was zu Anfallsfreiheit führen kann. Diese Methoden kommen nur bei bestimmten Epilepsieursachen in Betracht (hypothalamisches Hamartom, periventrikuläre Heterotopie, fokale kortikale Dysplasienmesiale und die Laser-Thermoablation auch bei mesialer Temporallappenepilepsie).
  • Sterotaktische Radiotherapie
    Das ist eine gezielte Strahlentherapie, die sonst zum Abtöten von Krebszellen verwendet wird. In Einzelfällen kommt sie bei bestimmten Arten von Epilepsie in Betracht (extratemporale Epilepsie, hypothalamisches Hamartom)
  • Palliative Verfahren
    „Palliativ" heißt „lindernd", das heißt die Anfälle werden voraussichtlich zwar seltener oder leichter, aber Anfallsfreiheit durch diese Verfahren ist unwahrscheinlich.
    Beispiele:
    • Vagusnerv-Stimulation (VNS): Ein sog. Stimulator unterhalb des Schlüsselbeins und damit verbundene Kabel mit Elektroden reizen den sog. Vagusnerv im Halsbereich mit elektrischen Impulsen, ähnlich wie bei einem Herzschrittmacher. Sie werden bei einer Operation unter der Haut eingesetzt. Diese Methode zur Neurostimulation kann auch antidepressiv wirken, Näheres unter Depressionen > Behandlung. Nebenwirkungen sind z.B. Heiserkeit und Husten.
    • Tiefe Hirnstimulation: Dies ist ein neueres Verfahren zur Neurostimulation, bei dem Elektroden ins Gehirn implantiert werden, um bestimmte Bereiche elektrisch zu stimulieren. Mögliche Nebenwirkungen sind z.B. Depressionen und Denkprobleme.
    • Subpiale Transsektion
      Dabei werden mehreren Nervenbahnen kurz unter der Hirnrinde durchtrennt. Das kann verhindern, dass sich Anfälle ausbreiten, und ist auch in wichtigen Gehirnbereichen möglich, weil deren Funktion erhalten bleiben kann. Dieses Verfahren wird nur bei gefährlichen Anfällen empfohlen, z.B. wenn ein Status epilepticus droht, der zu schwerer Behinderung oder Tod führen kann.
    • Kallostomie
      Der sog. Balken (= Corpus callosum) verbindet die beiden Gehirnhälften miteinander. Er wird bei dieser OP meistens teilweise, selten auch vollständig durchtrennt. Das kann Sturzanfälle verringern oder verhindern, weil sich ein Anfall mangels Verbindung nicht mehr aufs ganze Gehirn ausbreiten kann. Wegen der Nebenwirkungen ist das aber nur die letzte Möglichkeit, wenn alles andere gescheitert ist und der Leidensdruck bzw. das Risiko groß ist. Beispiele für Nebenwirkungen sind motorische Probleme, Wahrnehmungsstörungen beim Sehen und beim Tastsinn und fehlende Aufmerksamkeit für eine Körperhälfte oder Raumhälfte. Ein Teil der Nebenwirkungen kann wieder weggehen, bei Kindern häufiger als bei Erwachsenen.

4.3. Vagusnerv-Stimulation ohne OP

Vagusnerv-Stimulation geht auch ohne Operation. Die Impulse an den Vagusnerv gibt dabei eine Elektrode im Ohr durch die Haut. Die gesetzlichen Krankenkassen finanzieren das allerdings nicht. Auch hier sind Nebenwirkungen wie z.B. Heiserkeit und Husten möglich, wie bei der Vagusnerv-Stimulation mit OP.

5. Ergänzende und unterstützende Verfahren

Zur Ergänzung und Unterstützung der Epilepsie-Therapie kommen verschiedene Verfahren in Betracht. Die medizinische Leitlinie gibt dazu folgende Empfehlungen:

  • Kein Ersatz für die Behandlung der Epilepsie mit Medikamenten zur Unterdrückung von Anfällen
  • Bei zusätzlichen psychischen Störungen:
  • Bei zusätzlichen kognitiven Störungen: Psychotherapie
  • Modifizierte Atkins-Diät: Das ist eine Ernährungsweise mit wenig Kohlenhydraten und viel Fett. Menschen mit pharmakoresistenter Epilepsie (siehe oben) können diese Diät zusätzlich zu den Medikamenten ausprobieren. Sie sollten sich dabei in einer darauf spezialisierten Einrichtung begleiten lassen und die Diät beenden, wenn sie nach 3-4 Monaten die Zahl der Anfälle noch nicht verringert hat.
  • Psychotherapie:
    • kann handlungsfähiger beim Umgang mit Anfällen machen
    • Keine eindeutigen Nachweise, ob Methoden zur Anfallselbstkontrolle helfen (z.B. Achtsamkeit, anderer Umgang mit Stress, Erkennen von Anfallsauslösern und Strategien, um bei einer Aura Anfälle zu unterbrechen)
  • Entspannungstechniken, Yoga, Meditation: Bei Wunsch nach weniger Stress und Stress als Anfallsauslöser
  • Biofeedback, Neurofeedback:
    • Nur mit Verfahren und Geräten, bei denen es wissenschaftliche Hinweise für Wirksamkeit gibt
    • EEG-Biofeedback macht die Hirnströme sichtbar und soll deren willentliche Kontrolle lehren. Näheres unter Alternative Heil- und Pflegemethoden.
  • Musiktherapie: Kleine Studien weisen darauf hin, dass Musiktherapie die Zahl der Anfälle verringern kann
  • Heilpflanzen, traditionelle chinesische Medizin, Akupunktur, Homöopathie:
    • Keine wissenschaftlichen Nachweise für Wirkung gegen Anfälle,
    • Mit behandelndem Neurologen absprechen, weil Wechselwirkungen von pflanzlichen Medikamenten mit Medikamenten zum Unterdrücken von Anfällen möglich sind
  • Antroposophische Medizin:
    • Keine wissenschaftlichen Nachweise für Wirkung gegen Anfälle
    • kann aber bei Menschen, die das möchten, die Lebensqualität verbessern (z.B. geistig, spirituell)

5.1. Praxistipps

  • Über den Terminservice der Kassenärztlichen Bundesvereinigung können Sie einen zeitnahen Psychotherapie-Termin bekommen, sich den Therapeuten aber nicht aussuchen. Nähere Informationen dazu bietet Ihnen die Kassenärztliche Bundesvereinigung unter www.116117.de > Menü > Gesundheitsinfos > Psychotherapie.
  • Wenn Sie ergänzende Verfahren probieren wollen sollten Sie bedenken, dass auch diese unerwünschte Nebenwirkungen haben können. Sie sollten darauf achten, ob sie Ihre Lebensqualität wirklich verbessern, oder vielleicht sogar verschlechtern. Beispiele:
    • Methoden zur Anfallsselbstkontrolle können sehr anstrengend sein und bedeuten, dass Sie viele schöne Aktivitäten vermeiden.
    • Zusätzliche Termine können Stress verursachen, der Anfälle auslösen kann.

6. Cannabis bei Epilepsie

Medikamente mit dem Wirkstoff Cannabidiol (= einer von mehreren Wirkstoffen, die in Cannabis enthalten sind) sind in Deutschland als Antiepileptikum bei folgenden Epilepsie-Formen zugelassen:

  • Dravet-Syndrom
  • Lennox-Gastaut-Syndrom
  • strukturelle Epilepsie bei Tuberöser Sklerose

Bei diesen Epilepsie-Formen ist wissenschaftlich erwiesen, dass Cannabidiol anfallsunterdrückend wirkt.

Cannabidiol hat keine Rauschwirkung, denn diese geht von einem anderen Bestandteil von Cannabis aus, dem THC. Für THC gibt es keine wissenschaftlichen Nachweise, dass es gegen epileptische Anfälle helfen könnte. Natürliches Cannabis enthält eine Mischung aus verschiedenen Stoffen, die zum Teil Anfälle fördern und zum Teil Anfälle verringern können.

Wenn andere Medikamente versagt haben, ist auch bei anderen Epilepsie-Formen ein sog. Off-Label-Use von Cannabis-Medikamenten möglich, das heißt es kann versuchsweise verschrieben werden, obwohl es nur für die Behandlung anderer Krankheiten zugelassen ist.

Seit April 2024 ist Cannabis für Erwachsene zu Genusszwecken teilweise legal. Das beinhaltet erlaubten Eigenanbau, Besitz und Konsum geringer Mengen bzw. den Erwerb als Mitglied eines sog. Cannabis-Social-Clubs. Informationen bietet das Bundesministerium für Gesundheit unter www.bundesgesundheitsministerium.de > Themen > FAQ Cannabisgesetz.

Wenn Menschen mit Epilepsie in diesem Rahmen Experimente mit Cannabis zur Selbstbehandlung machen wollen, sollten sie

  • das unbedingt vorher mit dem behandelnden Neurologen absprechen, z.B. wegen möglicher Wechselwirkungen mit den Antiepileptika.
  • ihre Antiepileptika weiter nehmen, da es sonst sehr gefährlich werden kann, auch im Hinblick auf Risiken wie SUDEP (plötzlicher Tod im Zusammenhang mit Epilepsie) und Status epilepticus.
  • beachten, dass in Cannabis auch Stoffe enthalten sind, die das Anfallsrisiko erhöhen.

Außerdem gibt es dabei z.B. folgende Probleme:

  • Nebenwirkungen wie z.B. Rauschzustände
  • Risiko psychischer Abhängigkeit
  • erhöhtes Psychoserisiko, besonders bei jungen Menschen, da das Gehirn auch bei jungen Volljährigen noch nicht voll ausgereift ist
  • sehr ungenaue Dosierbarkeit
  • Hohes Risiko z.B. für Krebs, Herz-Kreislauf und Lungenkrankheiten bei einer Aufnahme von Cannabis durch Rauchen

Eine fehlende Wirkung des Cannabis gegen Epilepsie kann unbemerkt bleiben. Durch den sog. Placebo-Effekt können nämlich sogar Scheinmedikamente ohne jeden Wirkstoff die Gesundheit verbessern.

Menschen mit Epilepsie sollten auch einen (geplanten) Cannabis-Konsum zu Genusszwecken vorher bei einem Neurologie-Termin absprechen.

7. Patientenschulungen

Patientenschulungen (Psychoedukation) sollen Betroffenen helfen, ihre Krankheit zu verstehen, um mit den Einschränkungen im Alltag besser zurechtzukommen. Mögliche Inhalte einer Epilepsie-Patientenschulung sind z.B.:

  • Informationen über die Epilepsie, ihre Ursachen, Diagnoseverfahren und Therapiemöglichkeiten
  • Klärung der eigenen Einflussmöglichkeiten auf die Epilepsie (Möglichkeiten und Grenzen)
  • Hilfe beim Umgang mit Gefühlen in Bezug auf die Epilepsie und ihre Folgen
  • Tipps für die Kommunikation mit Mitmenschen über die Epilepsie, z.B. in der Partnerschaft, in der Familie, im Freundeskreis und bei der Arbeit
  • Austausch mit anderen Betroffenen

Patientenschulungen orientieren sich an der individuellen Erkrankungsform, den Belastungen, den individuellen Möglichkeiten und der Lebenssituation.

Die Krankenkassen können eine ambulante wohnortnahe Patientenschulung finanzieren, Näheres unter Ergänzende Leistungen zur Reha. Wer eine stationäre medizinische Reha macht, z.B. in einem Epilepsiezentrum, bekommt dort in der Regel auch Patientenschulung. Sie ist dann fester Bestandteil der Reha und wird von dem Träger gezahlt, der die Reha finanziert, also z.B. von der Krankenkasse oder vom Rentenversicherungsträger, Näheres unter Rehabilitation > Zuständigkeit.

7.1. Praxistipp

Es gibt mehrere Angebote für Patientenschulungen:

  • Ein Konzept ist die MOSES-Schulung für Menschen mit Epilepsie ab 16 Jahren und deren Angehörige, Informationen dazu finden Sie unter www.moses-schulung.de.
  • Analog dazu gibt es die Familienschulung famoses für Kinder mit Epilepsie und deren Angehörige, über die Sie sich unter www.famoses.de informieren können.
  • Für Menschen mit Epilepsie und einer Lern- oder geistigen Behinderung, gibt es z.B. die PEPE-Schulung. Kurstermine finden Sie im Internet mit der Suche nach „Pepe-Schulungen bei Epilepsie". Wer diese Schulung anbieten möchte, kann sich unter www.bethel-regional.de > Suche nach "Pepe" informieren.

8. Behandlungszentren für Epilepsie

8.1. Epilepsie-Ambulanzen

Epilepsie-Ambulanzen sind regionale Spezialeinrichtungen. Besonders gut geeignet sind sie für:

  • Klärung diagnostischer Zweifelsfälle.
  • Therapie, wenn trotz Behandlung weiterhin Anfälle auftreten.
  • Beratung zu Schwangerschaft und Geburt, Sport und Reisen, Führerschein, medizinrechtlichen und versicherungsrechtlichen Fragen.
  • Sozialmedizinische Beratung zu Schule, Ausbildung, Arbeitsplatz, Rehabilitation, Schwerbehinderung wegen Epilepsie und persönlicher Entwicklung.

Epilepsie-Ambulanzen sind an neurologische, pädiatrische und psychiatrische Kliniken oder Fachabteilungen von Krankenhäusern angeschlossen. Die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie e.V. bietet eine Übersicht aller Epilepsie-Ambulanzen unter www.dgfe.info > Service > Adressen & Links > Behandlungsorte (Auswahl: Epilepsie-Ambulanzen).

8.2. Epilepsiezentren

Epilepsiezentren können Menschen mit schwer therapierbaren Epilepsien helfen. Ihr Angebot umfasst sowohl eine Epilepsie-Ambulanz als auch stationäre Diagnostik, Therapie (inklusive Epilepsiechirurgie) und Rehabilitation. Epilepsiezentren gibt es für Kinder und für Erwachsene. Die Deutsche Gesellschaft für Epileptologie bietet eine Übersicht unter www.dgfe.info > Service > Adressen & Links > Behandlungsorte (Auswahl: Epilepsiezentren).

9. Medizinische Rehabilitation bei Epilepsie

9.1. Ziele einer Epilepsie-Reha

Medizinische Reha bei Epilepsie soll Behinderung, Pflegebedürftigkeit, Erwerbsminderung und/oder Sozialleistungsbezug wegen der Epilepsie verhindern, beseitigen, verringern, ausgleichen oder zumindest einer Verschlimmerung vorbeugen. Nur, wenn mindestens eine der genannten möglichen Folgen droht oder schon eingetreten ist, kann ein Kostenträger eine Epilepsie-Reha bewilligen, z.B. die Krankenkasse oder der Rentenversicherungsträger. Näheres zu möglichen Kostenträgern und deren Zuständigkeit im Einzelfall unter Medizinische Rehabilitation.

Epilepsie-Reha kann z.B.

  • die psychische und körperliche Gesundheit verbessern
  • Anfälle verringern
  • und berufliche und private Perspektiven schaffen.

9.2. Inhalte einer Epilepsie-Reha

Die Inhalte einer Epilepsie-Reha sind individuell.

Beispiele:

  • Schulung und Beratung zur Erkrankung und Anfallskontrolle
  • Ergotherapie, Bewegungstherapie: Umgang mit Einschränkungen, Belastungstraining
  • Medizinische und neurologische Behandlung, z.B. Verbesserung der bisherigen Therapie durch eine Medikamentenumstellung

Medizinische Reha gibt es ambulant und stationär. Bei ambulanter Reha können Menschen mit Epilepsie erarbeitete Strategien gleich im Alltag testen und ggf. anpassen. Stationäre Reha ermöglicht aufwändige medizinische und therapeutische Behandlung in enger Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen.

9.3. Besondere Formen medizinischer Reha

9.4. Weitere Leistungen im Zusammenhang mit medizinischer Reha

  • Kinder und Menschen mit Behinderungen, z.B. mit einer Intelligenzminderung zusätzlich zur Epilepsie, können bei medizinischer Notwendigkeit eine Begleitperson, z.B. Mutter oder Vater, zu einer stationären Reha mitnehmen, Näheres unter Begleitperson.
  • Verschiedene weitere Leistungen ermöglichen Reha trotz Berufstätigkeit und familiären Pflichten, z.B. das Übergangsgeld für den Lebensunterhalt während der Reha, oder eine Haushaltshilfe, Näheres unter Ergänzende Leistungen zur Reha.

10. Praxistipps

  • Bei der Deutschen Epilepsievereinigung finden Sie unter www.epilepsie-vereinigung. de > Diagnostik/Behandlung Informationen zu Behandlungsmöglichkeiten und zur medizinischen Rehabilitation. Sie bietet zudem umfassende Beratungsmöglichkeiten.
    Telefon: 030 34244-14 (Mo–Fr 10–12 Uhr)
    Beratungstelefon: 030 34703590 (Di 12–17 Uhr, Mi 10–13 Uhr, Do 18–20 Uhr)
    Fax: 030 34244-66
    E-Mail: info@epilepsie-vereinigung.de
  • Die medizinischen Leitlinien zur Therapie von Epilepsie können Sie unter www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/030-041.html herunterladen. Dort finden Sie sowohl die Leitlinie für Ärzte, als auch die Patientenleitlinie mit laienverständlichen Informationen.

11. Verwandte Links

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Letzte Bearbeitung: 09.09.2025

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