Einen Rückzugsraum zu haben, in eine soziale Gemeinschaft eingebunden zu sein, alltägliche Pflichten wie Putzen oder Kochen sowie eine Tagesstruktur zu haben und Selbstständigkeit zu gewinnen – das sind für Menschen mit Psychosen oft zentrale Herausforderungen. Der Wohnsituation kommt deswegen große Bedeutung zu, sowohl in der ersten Zeit nach einem Klinikaufenthalt als auch als langfristige Lebensfrage. Neben dem Wohnen im bisherigen Familienumfeld gibt es verschiedenste betreute Wohnformen und persönliche Assistenz.
Beim betreuten Wohnen erhalten Menschen mit Psychosen sozialpädagogische, ärztliche, therapeutische und/oder pflegerische Hilfe von Fachkräften. Die fachliche Ausrichtung ist je nach Konzept unterschiedlich. Im Idealfall arbeiten Fachkräfte aus verschiedenen Berufsgruppen eng zusammen. Die Betreuung richtet sich immer nach dem individuellen Bedarf und unterscheidet sich deshalb ebenfalls sehr stark – sowohl was die Themen und Ziele angeht als auch in der Intensität. Wichtig ist, dass es verbindliche Absprachen gibt, gemeinsam festgelegte Betreuungsziele und ein Hilfsnetz im Hintergrund, mit dem jederzeit auf Veränderungen und Krisen reagiert werden kann.
Die Betreuungsangebote umfassen z.B.
Betreutes Wohnen wird von ganz verschiedenen Trägern angeboten. Viele Wohnprojekte haben mehrere Träger oder einen Träger, der mit verschiedenen Partnern kooperiert. Infrage kommen z.B. ein Sozialpsychiatrischer Dienst, Sozialdienst oder Wohlfahrtsverbände. Auch an psychiatrische Akutkliniken, Wohnheime für Menschen mit Behinderungen, Werkstätten für behinderte Menschen oder Inklusionsbetriebe sind teilweise Wohnmöglichkeiten angebunden.
Der Aufenthalt in den meisten betreuten Wohnformen ist befristet. Die Dauer reicht von wenigen Monaten bis einigen Jahren.
Ambulant betreutes Wohnen
Beim ambulant betreuten Wohnen leben Menschen mit Psychosen außerhalb einer Einrichtung und bekommen dabei Unterstützung von Betreuungspersonen. Wie das im einzelnen funktioniert, ist sehr unterschiedlich und muss bei den Anbietern vor Ort individuell erfragt werden. Beispielsweise kann es sein, dass eine pädagogische Fachkraft mehrmals die Woche in die Wohnung kommt, oder dass Termine an anderen Orten vereinbart werden. Nächtliche Betreuung ist nur selten möglich, aber manchmal steht ein rund um die Uhr verfügbarer Krisendienst in Rufbereitschaft zur Verfügung.
Beispiele:
Die Kostenträger vertreten oft die Ansicht, ambulant betreutes Wohnen käme nur für Menschen in Frage, die relativ gut allein zurecht kommen, aber das ist nicht mit der Behindertenrechtskonvention vereinbar. Auch wer viel Unterstützung braucht, hat ein Recht darauf, außerhalb einer Einrichtung zu leben.
Stationär betreutes Wohnen
Beim stationär betreuten Wohnen leben Menschen mit Psychosen in einer Einrichtung, die sowohl Wohnraum als auch Betreuung bietet. Auch hier ist es sehr unterschiedlich, wie das betreute Wohnen abläuft. In der Regel ist die Betreuung jedoch umfangreicher als im ambulant betreuten Wohnen und es ist häufiger auch Nachts eine Fachkraft vor Ort.
Manche Einrichtungen bieten z.B. für jeden Bewohner ein eigenes Appartement mit Kochmöglichkeit, Toilette, Waschbecken und Dusche. Andere sind als Wohngruppen organisiert, bei denen jede Person ein eigenes Zimmer hat, sich jedoch Küche, Bad und Gemeinschaftsräume teilt.
Näheres unter Behinderung > Wohnen.
Bei therapeutischen Wohngemeinschaften (TWG) liegt der Schwerpunkt auf der therapeutischen Behandlung, während andere Wohngemeinschaften vorwiegend praktische Unterstützung im Alltag bieten. Eine besondere Form der Wohngemeinschaft sind Soteria-Häuser für Menschen mit Psychosen, aber diese sind in Deutschland kaum verfügbar, Näheres unter Psychosen > Behandlung.
Manche Wohnmöglichkeiten können nur vorübergehend in Anspruch genommen werden, während andere auf Dauer ausgelegt sind und für Menschen mit chronischen psychischen Störungen geeignet sind, sog. Langzeitwohnprojekte.
Die Kosten für die Betreuungsleistungen beim betreuten Wohnen für Menschen mit Psychosen übernimmt
Bei manchen Leistungen der Eingliederungshilfe können Kostenbeiträge anfallen, wenn bestimmte Einkommensfreibeträge überschritten sind. Vermögen über bestimmten Freibeträgen wird angerechnet. Die Freibeträge sind aber deutlich höher als z.B. bei der Sozialhilfe oder beim Bürgergeld. Andere Leistungen der Eingliederungshilfe sind für die Betroffenen immer kostenlos. Näheres unter Eingliederungshilfe > Einkommen und Vermögen und unter Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen.
Wenn ein Mensch mit Psychosen einen Pflegegrad hat, übernimmt teils auch die Pflegeversicherung einen Teil der Kosten, Näheres unter Eingliederungshilfe > Abgrenzung zur Pflege.
Den Lebensunterhalt und den Wohnraum muss der Mensch mit Psychosen allerdings selbst bezahlen, über Elternunterhalt finanzieren oder dafür Bürgergeld oder Sozialhilfe beantragen, Näheres unter Eingliederungshilfe > Abgrenzung zu Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts.
Auch Menschen mit Psychosen haben Anspruch auf Assistenzleistungen als selbstbestimmtere Alternative zum Betreuten Wohnen. Dabei unterstützt mindestens eine Assistenzperson den Menschen mit Psychosen als dessen persönliche Assistenz. Die Kosten für die Assistenzpersonen können vom Jugendamt oder vom Träger der Eingliederungshilfe übernommen werden, egal wo und mit wem der Mensch mit Psychosen wohnt, z.B. allein, zusammen mit dem Partner, zusammen mit Freunden oder bei den Eltern. Näheres unter Behinderung > Wohnen.
Assistenzleistungen sind auch in Form von Elternassistenz möglich, damit Menschen trotz Ihrer psychischen Behinderung weiterhin mit ihren Kindern zusammenwohnen können.
Ob das Zusammenleben mit der Familie möglich und sinnvoll ist, sollte gut überlegt und bewusst entschieden werden. Je nach Alter und Störungsbild kann das Familienleben die erstrebenswerte Wohnform sein, weil die vertraute Umgebung und die Angehörigen Sicherheit und Geborgenheit geben. Aber ebenso kann eine familienunabhängige Wohnform Selbstständigkeit und Entwicklung erst ermöglichen.
Aufsuchende Familientherapie (AFT) kann in manchen Fällen verhindern, dass Kinder und/oder Jugendliche außerhalb der Familie untergebracht werden müssen, weil ein Elternteil unter Psychosen leidet. Außerdem kann AFT dazu beitragen, dass Jugendliche mit Psychosen bei ihren Eltern wohnenbleiben können.
Wer nach einem Klinikaufenthalt wegen Psychosen (wieder) nach Hause kommt, sollte ambulante Nachsorge durch ärztliche Behandlung, Beratungsstellen, Ambulanzen und/oder Tagesstätten für Menschen mit psychischen Behinderungen (Näheres unter Psychosen > Arbeit, Tagesstätten) bekommen. Betroffene sollten eine Balance zwischen Rückzug und Teilnahme am Familienleben finden können und die dafür nötigen Rückzugsräume sollten zur Verfügung stehen.
Näheres zum Umgang miteinander unter Psychosen > Umgang mit Psychosen und Psychosen > Familie.
Ein wichtiges Thema ist der Auszug junger Menschen mit Psychosen aus der elterlichen Wohnung. Vielen Eltern fällt es schwer, ihre Kinder gehen zu lassen, für ein Kind mit psychischen Problemen gilt das umso mehr. Für den jungen Erwachsenen ist die Loslösung aus dem Elternhaus ein großer Schritt, der in einer Psychotherapie sorgfältig geplant werden sollte. Denn der Umbruch kann sowohl positiv als auch negativ wirken. Stützend kann hier der Umzug in eine der oben aufgeführten betreuten Wohnformen wirken.
Für Jugendliche und unter Umständen auch junge Volljährige mit Psychosen gibt es Leistungen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen für die das Jugendamt vor Ort zuständig ist. So besteht bei Bedarf Anspruch auf Beratung zur Vorbereitung eines Auszugs und auf verschiedene Leistungen des betreuten Wohnens, z.B. in heilpädagogischen Wohngruppen, oder Assistenzleistungen.
Schizophrene und manisch-depressive Psychosen
Psychosen > Rechtliche Aspekte