Chronische Psychosen führen zu bleibenden bzw. immer wiederkehrenden Beeinträchtigungen, die nicht selten zum Verlust des Arbeitsplatzes führen. Arbeitslosigkeit kann aber ein zusätzlicher Risikofaktor für eine erneute Akutphase sein. Berufstätigkeit ist daher nicht nur aus finanziellen, sondern auch aus vielen weiteren Gründen wichtig für Menschen mit Psychosen. Wenn keine Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich ist, können alternative Beschäftigungsmöglichkeiten in Frage kommen. Mitmenschen können Menschen mit Psychosen helfen, damit sie z.B. ihre Arbeit nicht verlieren und nötige Sozialleistungen bekommen.
Arbeit
Druck und Überforderung können allerdings eine Akutphase auslösen. Menschen mit Psychosen sollten also der gewählten Arbeit auch gewachsen sein. Das gilt auch für Reha-Maßnahmen: Wenn innerhalb einer bestimmten Frist mit einer bestimmten Reha-Maßnahme ein vorgegebenes Ziel erreicht werden soll, kann dieser sog. Reha-Druck den Menschen mit Psychosen schaden.
In einer Akutphase besteht das Risiko, dass Menschen mit Psychosen der Arbeit ohne Krankschreibung fernbleiben. Angehörige, Freunde oder Nachbarn können hier helfen, indem sie zum Arztbesuch motivieren oder eine Krankschreibung per Hausbesuch organisieren.
Psychiatrische Praxen ermöglichen normalerweise keine Hausbesuche, aber vielleicht eine Hausarztpraxis.
Möglich ist in den ersten Tagen auch eine Krankschreibung im Rahmen einer Videosprechstunde beim Hausarzt oder Facharzt. Bei in der Praxis bekannten Patienten ist nach 7 Tagen ein persönlicher Termin erforderlich, bei nicht bekannten bereits nach 3 Tagen.
In jedem Fall muss der Arbeitgeber frühestmöglich über die Erkrankung informiert werden, in der Regel telefonisch am Morgen des ersten Krankheitstags, was bei Bedarf ebenfalls Angehörige, Freunde oder Nachbarn übernehmen können.
Bei gesetzlich Versicherten läuft die Krankschreibung inzwischen digital, so dass die Betroffenen sich in der Regel nur um den Arztbesuch kümmern müssen. Die Übermittlung der Krankmeldung an den Arbeitgeber und die Krankenkasse erfolgt automatisch.
Ohne Krankschreibung gefährden Betroffene sowohl ihren Arbeitsplatz als auch eine spätere Krankengeldzahlung. Näheres unter Arbeitsunfähigkeit.
Insbesondere die Akutphasen einer Psychose ziehen in der Regel eine längere und oft auch wiederholte Arbeitsunfähigkeit nach sich. Arbeitnehmende bekommen in der Regel während der Arbeitsunfähigkeit zunächst bis zu 6 Wochen Entgeltfortzahlung und danach noch bis zu 72 Wochen Krankengeld.
Wer danach immer noch krankgeschrieben ist, kann Arbeitslosengeld bekommen (Höchstdauer zwischen 6 und 24 Monaten, je nach Vorversicherungszeit und Alter) und danach ggf. Bürgergeld. Das ist auch möglich, wenn das bisherige Arbeitsverhältnis (noch) ungekündigt ist, aber der Mensch mit Psychosen die bisherige Tätigkeit (noch) nicht wieder ausüben kann. Ein Anspruch auf Arbeitslosengeld kann auch bestehen, wenn der Mensch mit Psychosen nicht in Arbeit vermittelbar ist, aber die Rentenversicherung (noch) keine volle Erwerbsminderung festgestellt hat, Näheres unter Arbeitslosengeld > Nahtlosigkeit.
Die Krankenkasse (beim Bezug von Krankengeld), die Agentur für Arbeit (beim Bezug von Arbeitslosengeld) und das Jobcenter (beim Bezug von Bürgergeld) können den Menschen mit Psychosen in eine Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) drängen, was meist mit finanziellen Nachteilen verbunden ist. Betroffene können versuchen, das hinauszuzögern oder zu verhindern, Näheres unter Zwangsverrentung > EM-Rente und Altersrente.
Wenn ein Arbeitsverhältnis gekündigt wird, endet die Pflichtmitgliedschaft in der Krankenkasse. Gekündigte müssen sich dann rechtzeitig um ihren Krankenversicherungsschutz kümmern und sollten sich dafür an die Krankenkasse oder die Agentur für Arbeit wenden.
Spätestens 3 Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses muss sich die gekündigte Person bei der Agentur für Arbeit arbeitsuchend melden, um eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zu vermeiden, bei kurzfristigeren Kündigungen so schnell wie möglich.
Eine krankheitsbedingte Kündigung ist nur unter engen Voraussetzungen rechtmäßig. Bei nachweislich guter Gesundheitsprognose sind Kündigungsschutzklagen beim Arbeitsgericht in der Regel erfolgreich. Näheres unter Krankheitsbedingte Kündigung.
Kurz nach einem Klinikaufenthalt sind die meisten Menschen mit Psychosen zunächst arbeitsunfähig. Stufenweise Wiedereingliederung ermöglicht es, während der Arbeitsunfähigkeit schon wieder teilweise ins Berufsleben zurückzukehren, bevorzugt an die bisherige Arbeitsstelle oder an eine andere Arbeitsstelle beim selben Arbeitgeber. Die Eingliederung in eine neue Umgebung ist bei Menschen mit Psychosen oft eine besondere Herausforderung und sollte fachlich-therapeutisch begleitet werden.
Die Stufenweise Wiedereingliederung beim alten Arbeitgeber hilft, die Leistungsfähigkeit zu erkennen und schrittweise wieder aufzubauen. Manchmal ist eine reduzierte Arbeitszeit in Verbindung mit einer teilweisen Erwerbsminderungsrente zu empfehlen.
Es gibt verschiedene Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben (= berufliche Rehabilitation), die Menschen mit Psychosen helfen können, zurück ins Berufsleben zu finden, z.B. Coaching, Beratung, Begleitung oder Bildungsmaßnahmen, Näheres unter Berufliche Reha > Leistungen. Entsprechende Angebote sind regional stark unterschiedlich verfügbar. Informationen und Adressen bietet die Bundesarbeitsgemeinschaft Rehabilitation psychisch kranker Menschen unter www.bagrpk.de. Dort kann auch die "Arbeitshilfe für die Rehabilitation und Teilhabe psychisch kranker und behinderter Menschen" unter www.bagrpk.de > Downloads (unter Arbeitshilfen in der Mitte der Seite) heruntergeladen werden.
Einige Menschen mit Psychosen können auf dem sog. allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten. Der allgemeine Arbeitsmarkt ist zu unterscheiden vom besonderen Arbeitsmarkt. Der besondere Arbeitsmarkt meint vom Staat geförderte Arbeitsverhältnisse. Umgangssprachlich wird auch oft vom 1., 2. oder 3. Arbeitsmarkt gesprochen, aber diese Ausdrücke werden uneinheitlich gebraucht.
Sog. 1-€-Jobs (= "Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandentschädigungen nach SGB II") können Menschen mit Psychosen die Gelegenheit geben, die tagtägliche Arbeitsfähigkeit zu testen und so wieder in das Berufsleben zu finden. Die tatsächliche Mehraufwandsentschädigung liegt meist etwas höher als 1 € pro Stunde. Während einer solchen Arbeitsgelegenheit erhalten die Teilnehmenden an diesen Maßnahmen Bürgergeld und dazu die Mehraufwandsentschädigung. Näheres siehe Grundsicherung für Arbeitsuchende unter Arbeitsgelegenheiten.
Voraussetzungen dafür sind Erwerbsfähigkeit (keine oder nur teilweise Erwerbsminderung) und Hilfebedürftigkeit (kein oder nur geringes Einkommen und Vermögen, Näheres unter Bürgergeld > Einkommen und Vermögen).
Wenn ein Mensch wegen seiner Psychosen nicht mehr oder nur noch weniger als 3 Stunden pro Tag auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeiten kann, hat er eine sog. volle Erwerbsminderung. Das bedeutet aber nicht, dass er nur noch unter 3 Stunden oder gar nicht arbeiten kann, sondern dann kann die Person Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben für Menschen mit Behinderungen bekommen, die eine Tätigkeit auf dem besonderen Arbeitsmarkt ermöglichen.
Beschäftigung gemeinsam mit Menschen ohne Behinderungen in einem normalen Betrieb des allgemeinen Arbeitsmarkts ermöglichen die unterstützte Beschäftigung und das Budget für Arbeit. Eine Alternative sind sog. Inklusionsbetriebe. Das Budget für Ausbildung kann eine Berufsausbildung in einem normalen Betrieb ermöglichen.
Näheres unter Alternativen zu Werkstätten für behinderte Menschen.
Menschen mit Psychosen können aber auch dann am Berufsleben teilnehmen, wenn es ihnen trotz der genannten Unterstützungsmöglichkeiten nicht gelingt, in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarkts zu arbeiten: Manche Werkstätten für behinderte Menschen und manche sog. anderen Leistungsanbieter bieten spezielle Arbeitsmöglichkeiten für Menschen mit psychischen Behinderungen.
Das Problem bei den meisten bisher genannten Arbeitsmöglichkeiten ist, dass sie von einer kontinuierlichen Vollzeitbeschäftigung ausgehen. Das ist eine große Hürde für Menschen mit Psychosen. Hilfreich sind hier sog. Zuverdienstprojekte für Menschen mit psychischen Störungen. Sie bieten Arbeits- und Trainingsmöglichkeiten auch für weniger als 3 Stunden pro Tag und passen ihre Anforderungen mit folgenden Maßnahmen an die Leistungsfähigkeit des jeweiligen Betroffenen an:
Die Trägerschaft ist vielfältig. Zum Teil sind die Projekte an Inklusionsbetriebe (siehe oben) oder Tagesstätten (siehe unten) angegliedert. Trotz der flexiblen Vorgaben müssen wirtschaftlich verwertbare Produkte oder Dienstleistungen erbracht werden. Kosten und Gehalt müssen erwirtschaftet werden, die Qualität der Arbeit muss stimmen und die Entlohnung ist abhängig von der Arbeitsleistung.
Weitere Informationen zu Zuverdienstprojekten gibt es beim Projekt Zuverdienst unter https://mehrzuverdienst.de.
Adressen von Anbietern einiger Zuverdienstprojekte können auch bei Rehadat unter www.rehadat-adressen.de > Adressen > Arbeit/Beschäftigung > Zuverdienst- und Beschäftigungsangebote gefunden werden.
Tagesstätten sind Einrichtungen, in denen Menschen mit psychischen Erkrankungen an Wochentagen tagsüber betreut und zu Beschäftigung angeleitet werden. Sie können auch auf das Arbeitsleben vorbereiten.
Die Einrichtungen sind immer möglichst niedrigschwellig, je nach Konzept ist das Kommen und Fernbleiben freiwillig oder verbindlich. Mit der Tagesgestaltung in der Tagesstätte beginnen die Betroffenen, eine Tagesstruktur aufzubauen und einfache Aufgaben zu übernehmen.
Typische Angebote und Hilfen einer Tagesstätte sind:
Häufig sind an Tagesstätten Beratungsangebote angegliedert, die bei sozialrechtlichen Fragen helfen oder bei der Suche nach Reha, Therapie- oder Arbeitsmöglichkeiten. Bisweilen machen sie auch selbst solche Angebote. Manche Tagesstätten sind als Vereine oder Clubs organisiert. In der Regel stellen sie dann an die sozialen Fähigkeiten der Mitglieder höhere Anforderungen und fordern eine etwas höhere Verbindlichkeit, z.B. durch die Übernahme von Pflichten zu bestimmten Zeiten.
Nähere Informationen zu Tagesstätten für psychisch kranke Menschen gibt das Psychiatrienetz unter www.psychiatrie.de > Gemeindepsychiatrie > Alltagshilfen > Tagesstätten/Kontakt-/Beratungsstellen.
Beschäftigungsmöglichkeiten für Menschen mit Psychosen werden z.B. von Wohlfahrtsverbänden, Kirchen, Firmen oder Vereinen angeboten.
Die Kosten übernimmt meist die Agentur für Arbeit, die Rentenversicherung oder der Träger der Eingliederungshilfe, seltener das Jugendamt im Rahmen der Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche mit seelischen Behinderungen (auch für junge Volljährige) oder das Integrationsamt oder Inklusionsamt. Wenn die Psychose im Einzelfall durch äußere Umstände (z.B. Arbeitsunfall, Berufskrankheit oder Gewalttat) verursacht wurde, kann auch die Unfallversicherung oder der Träger der sozialen Entschädigung für die Finanzierung zuständig sein. Näheres unter Berufliche Reha > Rahmenbedingungen.
Manche Projekte werden anderweitig finanziert oder bezuschusst, z.B. über
Beratung, Unterstützung und Vermittlung von Angeboten bieten z.B.
Wenn eine Psychose so schwer verläuft, dass sie die Berufstätigkeit gefährdet oder der bisherige Beruf nicht mehr ausgeübt werden kann, gibt es verschiedene Schutz-, Hilfs- und Fördermöglichkeiten. Nachfolgend eine Linkliste zu sozialrechtlichen Leistungen, die bei Psychosen relevant werden können:
Wer wegen Psychosen voraussichtlich noch länger als 6 Monate eingeschränkt oder gar nicht mehr erwerbstätig sein kann, kann einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente (EM-Rente) haben. Außerdem können Menschen mit Psychosen eine EM-Rente bekommen, wenn sie in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung oder einer Alternative zu Werkstätten für behinderte Menschen arbeiten.
Für eine EM-Rente muss aber normalerweise vor der Erwerbsminderung die sog. allgemeine Wartezeit (ähnelt einer Vorversicherungszeit) erfüllt sein. Sie ist häufig erst nach 5 Jahren Arbeit erfüllt, aber bei vielen Menschen beginnen die Psychosen und die damit verbundene Erwerbsminderung schon früher. Sie haben deswegen zunächst noch keinen Anspruch auf eine EM-Rente. Eine EM-Rente ist dann aber nach einer Wartezeit von 20 Jahren möglich, die Menschen mit Psychosen z.B. durch die Rentenversicherung während einer Beschäftigung in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen erfüllen können. Näheres unter Wartezeit bei Rente und Reha.
Wer wegen Psychosen eine anerkannte Schwerbehinderung hat (Näheres unter Psychosen > Schwerbehinderung), kann nach 35 Jahren Wartezeit 2 Jahre früher als normal in eine abschlagsfreie Altersrente gehen und bis zu 3 Jahre früher mit Abschlägen, also dauerhaften Rentenkürzungen. Näheres unter Altersrente für schwerbehinderte Menschen. Diese Rentenart können Menschen mit Psychosen auch bei voller Arbeitsfähigkeit ohne Erwerbsminderung bekommen.
Wenn Menschen mit Psychosen keine oder nur eine zu niedrige Rente bekommen, können sie z.B. von Bürgergeld, Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung oder Hilfe zum Lebensunterhalt leben oder damit ihre Rente aufstocken, Näheres unter Erwerbsminderung.
Psychosen können beim Bezug von Bürgergeld zu Kürzungen führen, wenn z.B. krankheitsbedingt Termine verpasst werden, oder keine Bewerbungen nachgewiesen werden, Näheres unter Bürgergeld > Kooperationsplan und Leistungsminderungen. Wenn die Psychosen dazu führen, dass Unterlagen nicht oder zu spät eingereicht werden, kann das dazu führen, dass das Bürgergeld komplett gestrichen oder gar nicht erst bewilligt wird, Näheres unter Fehlende Mitwirkung. Auch Hilfe zum Lebensunterhalt und Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung können wegen fehlender Mitwirkung verwehrt werden. Mögliche Folgen sind z.B. Schulden, fehlender Krankenversicherungsschutz, Obdachlosigkeit und Hunger.
Sie können beim Betreuungsgericht eine rechtliche Betreuung anregen. Das Gericht kann dann z.B. einen Angehörigen, Freund oder Nachbarn, eine ehrenamtliche Person von einem Betreuungsverein oder einen Berufsbetreuer einsetzen, der sich um die Sozialleistungen kümmert. Diese Person kann dann z.B. Anträge stellen, Belege einreichen und bei Bedarf mit Widersprüchen, Klagen und gerichtlichen Eilverfahren durchsetzen, dass die notwendigen Leistungen (wieder) ausgezahlt werden. Wichtig ist, das Betreuungsgericht unbedingt darauf hinzuweisen, wenn Eile geboten ist, weil sonst lebensnotwendige Sozialleistungen fehlen oder wegfallen.
Ans Betreuungsgericht können Sie sich für sich selbst wenden, aber auch für jeden anderen Menschen. Sie können damit also z.B. auch entfernten Bekannten, Nachbarn oder fremden Menschen helfen, wenn Sie mitbekommen, dass diese in Not sind.
Auf der Suche nach geeigneten Arbeitsmöglichkeiten helfen der Sozialdienst in der Klinik, der ambulante Sozialpsychiatrische Dienst, alle Träger mit entsprechenden Angeboten, das sind meist Wohlfahrtsverbände, aber auch Gemeinden und Vereine, sowie mögliche Kostenträger, z.B. Integrationsamt oder Agentur für Arbeit.
Berufliche Reha > Rahmenbedingungen
Schizophrene und manisch-depressive Psychosen
Psychosen > Rechtliche Aspekte
Psychosen > Umgang mit Psychosen
Psychosen > Selbstschutz für Betroffene